Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des K K, 2. der M B, und 3. des H K, alle vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes je vom 1. Juli 2025, 1. L515 2311630 1/3E, 2. L515 2311626 1/3E und 3. L515 23116281/3E, jeweils betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern des im Jahr 2008 geborenen Drittrevisionswerbers. Alle revisionswerbenden Parteien sind sowohl syrische als auch armenische Staatsangehörige. Sie stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 21. Juni 2023 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, wobei sie lediglich angaben, aus Syrien zu stammen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannte ihnen mit den in Rechtskraft erwachsenen Bescheiden jeweils vom 14. Februar 2024 den Status von Asylberechtigten zu und stellte fest, dass ihnen die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
2Mit Bescheiden je vom 14. März 2025 nahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die aufgrund der Anträge der Revisionswerber rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder auf.
3 Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, die Revisionswerber hätten sich den Status von Asylberechtigten erschlichen, indem sie ihre armenische Staatsangehörigkeit wissentlich verschwiegen hätten.
4 Die von den revisionswerbenden Parteien gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit den angefochtenen Erkenntnissen als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision jeweils nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - nach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert - vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
8 Die revisionswerbenden Parteien wenden sich in der Begründung der Zulässigkeit der Revisionen zunächst der Sache nach gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes.
9 Ein „Erschleichen“, das zur Wiederaufnahme eines Verfahrens führen kann, liegt dann vor, wenn die betreffende Entscheidung auf eine Art zustande gekommen ist, dass die Partei gegenüber der Behörde oder dem Gericht objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat und die Angaben dann der Entscheidung zugrunde gelegt wurden, wobei die Verschweigung maßgeblicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert ein „Erschleichen“ zudem, dass die Behörde oder das Gericht auf die Angaben der Partei angewiesen ist und es ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Ermittlungen durchzuführen.
10Die für die „Erschleichung“ einer Entscheidung notwendige Irreführungsabsicht setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ferner voraus, dass die Partei wider besseren Wissens gehandelt hat, um einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Ob Irreführungsabsicht vorliegt, kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden, die von der Behörde oder vom Verwaltungsgericht in freier Beweiswürdigung festzustellen sind (vgl. zum Ganzen VwGH 16.11.2022, Ra 2022/20/0298, mwN).
11 Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung im maßgeblichen Zusammenhang im Wesentlichen damit, die Revisionswerber hätten im Verfahren über ihre Anträge auf internationalen Schutz wider besseren Wissens verschwiegen, dass sie auch armenische Staatsangehörige seien, um Vorteile im Verfahren nämlich die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und somit die Gewährung des Verbleibes im Bundesgebiet zu erlangen, die sie sonst nicht hätten erreichen können. Die Revisionswerber hätten somit objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht und dabei in Irreführungsabsicht gehandelt.
12Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 16.7.2025, Ra 2025/20/0168 bis 0173, mwN).
13 Dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen beweiswürdigenden Erwägungen mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären, wird von den revisionswerbenden Parteien, die in den Revisionen lediglich auf der Richtigkeit ihrer Angaben beharren, nicht aufgezeigt.
14 Im vorliegenden Fall vermögen die Revisionswerber daher nicht darzutun, dass das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Auffassung, die Revisionswerber hätten mit Irreführungsabsicht ihre armenische Staatsangehörigkeit verschwiegen, um einen sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen, von den oben dargelegten, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätzen, abgewichen wäre.
15 Soweit die Revisionswerber die Verletzung der Verhandlungspflicht rügen und vorbringen, die belangte Behörde habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, weil das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht geprüft habe, ob eine Verschweigung einer angeblichen armenischen Staatsangeörigkeit der Erlangung eines anderweitig nicht erreichbaren Vorteils diente, vermag dieses Vorbringen nicht darzulegen, dass das Verwaltungsgericht von den Leitlinien des § 21 Abs. 7 BFAVG abgewichen wäre (vgl. zu den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes zu den Kriterien für die Abstandnahme von einer Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG ausführlich VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der weiteren Rechtsprechung etwa VwGH 23.6.2025, Ra 2025/20/0186 bis 0189, mwN).
16 In den Revisionen wird weiters geltend gemacht, die Verhandlungspflicht sei auch dadurch ausgelöst worden, dass das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung maßgeblich ergänzt habe, insbesondere deshalb, weil auf Auskünfte eines armenischen Rechtsanwalts zurückgegriffen und zusätzlich die armenische Rechtslage im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt worden sei. Auch sei die Glaubwürdigkeit der Revisionswerber „maßgeblich anders beurteilt“ worden. Diese Umstände hätten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordert.
17Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes löst das Aufzeigen weiterer, von der Verwaltungsbehörde nicht aufgegriffener und somit erstmals thematisierter Aspekte die Verhandlungspflicht nur dann aus, wenn damit die tragenden verwaltungsbehördlichen Erwägungen nicht bloß unwesentlich ergänzt werden (vgl. VwGH 28.3.2024, Ra 2024/20/0145, mwN).
18 Mit dem Vorbringen in den Zulässigkeitsbegründungen in den Revisionen wird eine solche wesentliche Ergänzung der tragenden verwaltungsbehördlichen Erwägungen nicht aufgezeigt, zumal bereits im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Auskünfte des herangezogenen Rechtsanwalts berücksichtigt wurden. Im Übrigen gelingt es den Revisionswerbern nicht darzutun, dass das Bundesverwaltungsgericht mit seinen die Beweiswürdigung betreffenden Erwägungen jenes Maß überschritten hätte, sodass fallbezogen nicht mehr von einer bloß unwesentlichen Ergänzung hätte gesprochen werden können.
19 Wenn die revisionswerbenden Parteien in diesem Zusammenhang in ihren Revisionen darlegen, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe nicht geprüft, ob die Revisionswerber nicht auch aufgrund der armenischen Staatsangehörigkeit einen legalen Aufenthalt in Österreich „erreicht“ hätten und dies das Verwaltungsgericht ohne Verhandlung und somit ergänzend aber verneint habe, übersehen sie, dass eine solche Schlussfolgerung der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht dazu ausgeführt, dass von Seiten der Revisionswerber auch kein Sachverhalt zu einer Verfolgung in Armenien geschildert worden sei, so dass es naheliegend gewesen sei, ihnen den Status von Asylberechtigten nicht zuzuerkennen. Diesen Ausführungen setzen die Revisionswerber nichts entgegen.
20 In den Revisionen wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 8. September 2025
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