Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie den Hofrat Dr. Lukasser und die Hofrätin Mag. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 28. März 2025, Zl. LVwG 30.30 908/2025 12, betreffend eine Angelegenheit nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Voitsberg; mitbeteiligte Partei: G C, vertreten durch die DDr. Karl Scholz Rechtsanwalts GmbH in Lieboch), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
1Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 30. Jänner 2025 wurde der Mitbeteiligte als Verantwortlicher des Lebensmittelunternehmens R GmbH mit Sitz in Lieboch der Unterlassung der Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG) iVm jenen der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV) schuldig erkannt, weil er ein näher bezeichnetes Produkt, bei dem die Kennzeichnung ausschließlich fremdsprachig angegeben sei und das „für Verkaufszwecke beim Betrieb R GmbH[...] [in] Linz, im Verkaufsraum bereitgehalten [worden sei], am 23.01.2024 im Zentrallager in [...] Mooskirchen [...] erhalten und an den Betrieb nach Linz geliefert“ habe. Er habe somit ein Produkt in Verkehr gebracht, dessen Kennzeichnung nicht den Anforderungen der LMIV entspreche, weil gemäß Art. 7 Abs. 2 leg. cit. Informationen über Lebensmittel zutreffend, klar und für den Verbraucher leicht verständlich sein müssten sowie solche gemäß Art. 15 Abs. 1 leg. cit. in einer für die Verbraucher des Mitgliedstaates leicht verständlichen Sprache abzufassen seien. Die Probeentnahme sei am 11. März 2024 im Betrieb der R GmbH in Linz durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz erfolgt.
2Der Mitbeteiligte habe dadurch § 90 Abs. 3 Z 1 iVm § 4 Abs. 1 iVm § 21 LMSVG iVm „Spruch des angeführten Artikels“ der LMIV verletzt, weshalb über ihn gemäß § 90 Abs. 3 LMSVG eine Geldstrafe in der Höhe von € 350, (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zu einem Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von € 35, verpflichtet und ihm der Ersatz von „Untersuchungskosten“ in der Höhe von € 211,90 vorgeschrieben.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde statt, hob das angefochtene Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg auf und trug der Behörde auf, das Verfahren an die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde, Magistrat der Landeshauptstadt Linz, abzutreten. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG wurde für unzulässig erklärt.
4 Das Verwaltungsgericht stellte soweit für den Revisionsfall relevant fest, der Mitbeteiligte sei handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer der R GmbH mit Sitz in Lieboch. Diese habe eine weitere Betriebsstätte in Linz, wo sich ein Supermarkt der R GmbH befinde. In Mooskirchen befinde sich das Zentrallager der R GmbH.
5 Die gegenständlichen Produkte seien vom Unternehmen des Mitbeteiligten selbst nach Linz geliefert worden, wo am 11. März 2024 von einem Mitarbeiter des Magistrats der Landeshauptstadt Linz eine Probe gezogen worden und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) zur Beprobung gegeben worden sei. Aus einer Rechnung der Firma S SRL ergebe sich eine Lieferung des Produkts am 23. Jänner 2024 von der S SRL an die R GmbH in Mooskirchen.
6 Das Verfahren sei vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz an die Bezirkshauptmannschaft Graz Umgebung (aufgrund des Sitzes der R GmbH in Lieboch) und von dieser an die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg (aufgrund des Zentrallagers der R GmbH in Mooskirchen) abgetreten worden.
7 In seiner rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit näherer Begründung aus, eine rein „innerbetriebliche Verbringung“ stelle kein „Inverkehrbringen“ dar, daher sei das gegenständliche Produkt nicht durch seine unternehmensinterne Auslieferung vom Lager in Mooskirchen an die Filiale in Linz, sondern erst in der Filiale in Linz durch das Anbieten zum Verkauf bzw. Abgeben in Verkehr gebracht worden. Da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht bei angenommener örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde verpflichtet sei, die Befassung der seiner Meinung nach zum Einschreiten zuständigen Strafbehörde zu veranlassen, werde das angefochtene Straferkenntnis, ohne auf das inhaltliche Vorbringen einzugehen, aufgehoben und der belangten Behörde aufgetragen, das Verfahren an die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde, den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, abzutreten.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.
9 Im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
12Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe gegen näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 24.10.2018, Ra 2017/10/0169 und Ra 2017/10/0198) verstoßen, indem es davon ausgegangen sei, dass die Auslieferung von dem Lager an eine Filiale innerhalb desselben Unternehmens kein „Inverkehrbringen“ darstelle.
14Die maßgeblichen Bestimmungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG), BGBl. I Nr. 13/2006 idF BGBl. I Nr. 171/2023, lauten auszugsweise:
„[...]
Begriffsbestimmungen
§ 3. Für dieses Bundesgesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:
[...]
9. Inverkehrbringen: Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. [...]
[...]
Vollziehung von Verordnungen der Europäischen Union
§ 4. (1) Die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union sind samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen.
[...]
Verantwortung des Unternehmers
Eigenkontrolle
§ 21. Unternehmer haben hinsichtlich Lebensmittel im Sinne des Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und hinsichtlich Gebrauchsgegenstände und kosmetischer Mittel im Sinne des § 7 Abs. 3 des Produktsicherheitsgesetzes 2004PSG 2004, BGBl. I Nr. 16/2005, die lebensmittelrechtlichen Vorschriften einzuhalten, deren Einhaltung durch Eigenkontrollen zu überprüfen und gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbehebung oder Risikominderung zu setzen.
[...]
Verwaltungsstrafbestimmungen
Tatbestände
§ 90. [...]
(3) Wer
1. den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs. 3 oder § 15 zuwiderhandelt,
[...]
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 35 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 70 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.
[...]“
15Teil 1 der Anlage des LMSVG nennt in seiner Z 25 die „Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. Nr. L 304 vom 22. November 2011 S. 18)“.
16 Die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel, ABl. Nr. L 304 vom 22. November 2011 (LMIV), lautet auszugsweise:
„[...]
Artikel 6
Grundlegende Anforderung
Jedem Lebensmittel, das für die Lieferung an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt ist, sind Informationen nach Maßgabe dieser Verordnung beizufügen.
Artikel 7
Lauterkeit der Informationspraxis
[...]
(2) Informationen über Lebensmittel müssen zutreffend, klar und für die Verbraucher leicht verständlich sein.
[...]
Artikel 15
Sprachliche Anforderungen
(1) Unbeschadet des Artikels 9 Absatz 3 sind verpflichtende Informationen über Lebensmittel in einer für die Verbraucher der Mitgliedstaaten, in denen ein Lebensmittel vermarktet wird, leicht verständlichen Sprache abzufassen.
[...]“
17Das „Inverkehrbringen“ bezeichnet gemäß § 3 Z 9 LMSVG iVm Art. 3 Z 8 der EGBasisVO, Verordnung (EG) Nr. 178/2002 in der Fassung Verordnung (EG) Nr. 575/2006, das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst. Grundsätzlich handelt es sich beim „Inverkehrbringen“ um ein Begehungsdelikt. Tatort ist in diesem Fall der Ort, wo das Lebensmittel in Verkehr gebracht wurde (vgl. VwGH 18.5.2022, Ra 2020/10/0168, mwN).
18 Ob nun wie vom Verwaltungsgericht nicht angenommen im konkreten Fall durch den hier vorliegenden „betriebsinternen“ Liefervorgang ein Inverkehrbringen iSd Art. 3 Z 8 EGBasisVO zu erblicken ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Zulässigkeit der Revision könnte sich daher nur ergeben, wenn in den Revisionszulässigkeitsgründen substantiiert aufgezeigt würde, dass die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. VwGH 19.10.2021, Ra 2020/10/0017, mwN). Dass dem Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund der Bestimmung des Art. 3 Z 8 EG BasisVO ein derartiger Fehler unterlaufen wäre, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aber nicht hinreichend substantiiert behauptet, weil lediglich darauf abgestellt wird, dass das Verwaltungsgericht gegen näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum „Inverkehrbringen“ verstoßen habe, wobei der in der Revision zitierten Rechtsprechung (siehe oben Rz. 13) jedoch andere Sachverhalte nämlich die Lieferung/Weitergabe von Lebensmitteln an betriebsfremde Unternehmen zugrunde lagen.
19 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
20 Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Begehrens des Mitbeteiligtenauf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGHAufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die geltend gemachte Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen nach dieser Verordnung bereits enthalten ist (vgl. VwGH 6.10.2023, Ro 2022/10/0018, mwN).
Wien, am 20. November 2025
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