Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak, den Hofrat Dr. Sutter, die Hofrätinnen Dr. in Lachmayer und Dr. in Wiesinger sowie den Hofrat Dr. Hammerl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Salzburg Land, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 24. Jänner 2024, Zl. RV/6100212/2022, betreffend Einkommensteuer 2019 (mitbeteiligte Partei: DI T H, vertreten durch die Hauer Partner Steuerberatungs GmbH in Mondsee), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Der Mitbeteiligte ist in Österreich wohnhaft und arbeitet als Grenzgänger in Deutschland. Er bezog im Jahr 2019 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne inländischen Steuerabzug, in denen auch Sonderzahlungen enthalten waren. Die in Deutschland einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge wurden in seiner Steuererklärung ausschließlich dem laufenden Bezug und keinen Sonderzahlungen zugeordnet.
2 Das Finanzamt teilte die geltend gemachten Werbungskosten für Sozialversicherungsbeiträge auf die tarifmäßig besteuerten und die sonstigen mit festem Steuersatz besteuerten Bezüge auf. Zur Begründung wurde angegeben, dass der Mitbeteiligte als Grenzgänger seine Einkünfte in Österreich versteuere und der Jahreslohnzettel seines Arbeitgebers für 2019 dahingehend zu korrigieren sei, dass auch bei sonstigen Bezügen eine Sozialversicherung anfalle und diese dort zu berücksichtigen seien.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen, woraufhin der Mitbeteiligte einen Vorlageantrag stellte.
4 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde Folge. Es stellte fest, dass der Mitbeteiligte im Jahr 2019 bis Juni 2019 einen Monatsbezug von 8.238,00 € und ab Juli 2019 einen Monatsbezug von 8.478,00 € erhalten habe. Neben diesen Bezügen habe er drei Einmalzahlungen im Ausmaß von insgesamt 37.218,40 € bekommen. Ausbezahlt worden seien diese Einmalzahlungen im April, im August und im November 2019. Bereits mit dem monatlichen Bezug ab Jänner 2019 habe der Mitbeteiligte die Grenzen der Sozialversicherungsbeiträge für Renten, Arbeitslosen , Kranken- und Pflegeversicherungen in Deutschland überschritten. Daraus habe sich die Gesamtbelastung mit Renten , Arbeitslosen , Kranken- und Pflegeversicherung, von der die Arbeitgeberzuschüsse abgezogen worden seien, mit 13.614,12 € ergeben. Die im April, im August und im November 2019 erfolgten Einmalzahlungen hätten zu keiner höheren monatlichen Belastung des Mitbeteiligten mit deutschen Sozialversicherungsbeiträgen geführt.
5Weiters führte das Bundesfinanzgericht aus, aufgrund der Bestimmungen des § 67 Abs. 12 EStG 1988 ergebe sich, dass Sozialversicherungsbeiträge, die durch die Auszahlung des sonstigen Bezuges anfielen, diesem sonstigen Bezug zuzurechnen seien. Diese Regelung sei für die in Österreich üblichen Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsgehalt) einfach anzuwenden, da die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen z. B. des ASVG, gesetzlich Beiträge für diese Zahlungen im bestimmten Rahmen vorsehen würden.
6 Bei lohnsteuerpflichtigen Einkünften ohne inländischen Steuerabzug sei zu klären, ob durch diesen zusätzlichen Bezug im jeweiligen Monat ein höherer Sozialversicherungsbeitrag zu entrichten gewesen sei, als dies ohne eine solche Einmalzahlung der Fall gewesen wäre. Habe der Steuerpflichtige dadurch, dass er die Höchstbeitragsgrundlage bereits mit dem laufenden monatlichen Bezug überschritten habe, keine höheren Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen, mangle es begrifflich bereits an Sozialversicherungsbeiträgen, die durch die Auszahlung des sonstigen Bezuges anfielen. Für eine Aufteilung der in diesem Monat angefallenen, auf den laufenden monatlichen Bezug in gleicher Höhe wie in Monaten ohne Einmalzahlungen entfallenden Sozialversicherungsbeitrag bleibe kein Raum.
7 Unstrittig sei, dass der Mitbeteiligte bereits mit dem laufenden monatlichen Bezug die in Deutschland geltende Höchstbeitragsgrundlage für Sozialversicherungsbeiträge überschritten habe. Jede weitere darüber hinausgehende Zahlung habe dementsprechend zu keiner höheren Belastung eines Bezuges geführt, der aus dem (fixen) Monatsbezug von rund 8.400 € und einer wie auch immer begründeten Einmalzahlung in diesem Monat anfalle.
8§ 67 Abs. 12 EStG 1988 habe nach dem klaren Gesetzeswortlaut und den damit übereinstimmenden Erläuternden Bemerkungen lediglich das Ziel, durch die Sonderzahlung im Sinne des § 67 Abs. 1 EStG 1988 anfallende zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge diesen Sonderzahlungen zuzuordnen und sie nicht systemwidrig beim laufenden Bezug zu erfassen.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht sei von der höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen, wonach eine direkte Zuordnung des einzigen (einheitlichen) Sozialversicherungsbeitrags zu einem der beiden (steuerrechtlichen) Bezüge (laufende oder sonstige) im Gesetz nicht vorgesehen sei und daher die Beiträge anteilig entsprechend dem Verhältnis der sonstigen zu den laufenden Bezügen zuzuordnen seien. Weiters liege soweit ersichtlich keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vor, ob bzw. wie ausländische Sozialversicherungsbeiträge bei der Steuerberechnung in der Veranlagung eines deutschen Grenzgängers den laufenden und sonstigen Bezügen zuzuordnen seien, wenn im Monat der Auszahlung der Einmalzahlung das laufende monatliche Arbeitsentgelt bereits die monatliche deutsche Beitragsbemessungsgrenze überschreite. Das Bundesfinanzgericht habe zudem keine Feststellungen zur deutschen Rechtslage getroffen. Bei richtiger Feststellung des ausländischen Rechts hätte sich die Tatsache als erwiesen ergeben, dass die deutschen Sozialversicherungsbeiträge aufgrund des gesamten Arbeitsentgelts, unabhängig von der steuerrechtlichen Zuordnung zu laufenden oder sonstigen Bezügen, zu leisten gewesen seien.
10 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision ist zulässig und begründet.
13Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 sind u.a. Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung Werbungskosten.
14Nach § 62 Z 4 EStG 1988 sind beim Steuerabzug vom Arbeitslohn vor Anwendung des Lohnsteuertarifes (§ 66) vom Arbeitslohn u.a. vom Arbeitgeber einbehaltene Beiträge im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, soweit sie nicht auf Bezüge entfallen, die mit einem festen Steuersatz im Sinne des § 67 EStG 1988 zu versteuern sind, abzuziehen.
15Damit korrespondierend sind die auf Bezüge, die mit festen Steuersätzen zu versteuern sind, entfallenden Beiträge im Sinne u. a. des § 62 Z 4 EStG 1988 nach § 67 Abs. 12 EStG 1988 vor Anwendung der festen Steuersätze in Abzug zu bringen.
16Bei der Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften sieht § 41 Abs. 4 EStG 1988 vor, dass sich die Bemessungsgrundlage betreffend die sonstigen Bezüge aus diesen sonstigen Bezügen innerhalb des Jahressechstels, abzüglich der darauf entfallenden Beiträge gemäß § 62 Z 3, 4 und 5 EStG 1988, ergibt.
17Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf ausländisches Recht der Grundsatz „iura novit curia“ nicht gilt, sodass dieses in einem amtswegigen Ermittlungsverfahren vom Verwaltungsgericht festzustellen ist (vgl. VwGH 24.10.2024, Ra 2023/15/0048, mwN).
18 Derartige Feststellungen hat das Bundesfinanzgericht nicht in ausreichendem Ausmaß getroffen, weshalb das Erkenntnis schon aus diesem Grund mit einer Rechtswidrigkeit behaftet ist.
19Der Mitbeteiligte erhielt von seinem deutschen Arbeitgeber im Jahr 2019 neben laufenden Bezügen auch drei Sonderzahlungen. Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts entfielen auf diese Sonderzahlungen keine (speziell für Sonderzahlungen erhobenen) deutschen Sozialversicherungsbeiträge. Es handelte sich allerdings um sonstige Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988, die mit festen Steuersätzen besteuert wurden. Es wurde keine Feststellung getroffen, dass diese die Sechstelgrenze überschritten hätten.
20Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 14. Mai 2020, Ra 2019/13/0093, bereits zu einem vergleichbaren Sachverhalt Stellung genommen, in dem es um eine Bonifikation ging, die sozialversicherungsrechtlich als (gewöhnliches) Entgelt zu beurteilen war, für das keine Sozialversicherungsbeiträge als Sonderzahlung (§ 49 Abs. 2 ASVG) anfielen, weshalb nur ein (einziger, einheitlicher) Beitrag für den betreffenden Monat anfiel, der durch die Höchstbeitragsgrundlage limitiert wurde, steuerlich aber sonstige Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 vorlagen. In dem Monat wurden daher steuerlich ein laufender und ein begünstigt besteuerter sonstiger Bezug ausgezahlt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Zusammenhang ausgesprochen, dass in einem solchen Fall eine direkte Zuordnung des einzigen (einheitlichen) Sozialversicherungs Beitrags für diesen Monat zu einem der beiden (steuerlichen) Bezüge (laufend oder sonstige) im Gesetz nicht vorgesehen ist. Auch besteht keine Regel dahin, dass dieser einheitliche Beitrag vorrangig dem laufenden Bezug oder vorrangig dem sonstigen Bezug zuzuordnen wäre (und nur ein allfälliger Rest dem anderen Bezug). Der Beitrag ist vielmehr anteilig (entsprechend dem Verhältnis der Höhen der beiden Bezüge) zuzuordnen.
21 Diese Gesetzesauslegung ist nicht nur für inländische, sondern auch für vergleichbare ausländische Bezüge anzuwenden. Liegt somit ein sonstiger Bezug vor, dem keine Sozialversicherungsbeiträge direkt zugeordnet wurden und unterliegt der sonstige Bezug gemeinsam mit dem laufenden Bezug grundsätzlich der Sozialversicherung, ist bei Überschreiten einer Höchstbemessungsgrundlage eine aliquote Aufteilung der Sozialversicherungsbeiträge dieses Monats auf den laufenden und den sonstigen Bezug vorzunehmen.
22 Ob dies im Revisionsfall der Fall ist, ist für den Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht überprüfbar, weil das Bundesfinanzgericht in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen zum deutschen Recht getroffen hat.
23Das Bundesfinanzgericht hat sein Erkenntnis daher mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 26. November 2025
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