Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger und die Hofrätin Dr. inLachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter und Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., MA, über die Revision der G, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 22. Dezember 2023, Zl. RV/7102280/2022, betreffend Zuerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 17 ASG, den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Eingabe vom 6. Juli 2021 beantragte die Revisionswerberin, die eine in der Rechtsform eines Vereines nach dem Vereinsgesetz 2002 errichtete internationale Nichtregierungsorganisation gemäß § 15 des Bundesgesetzes zur Stärkung Österreichs als internationaler Amtssitz und Konferenzstandort (AmtssitzgesetzASG) ist, die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 17 ASG.
2Mit Bescheid vom 11. Oktober 2021 wies das Finanzamt den Antrag auf Zuerkennung der Gemeinnützigkeit als unbegründet ab und führte dazu begründend aus, dass im Hinblick auf die nicht ausreichend konkreten Statuten der Revisionswerberin die Voraussetzungen gemäß § 17 ASG nicht erfüllt seien. Dagegen erhob die Revisionswerberin fristgerecht Beschwerde.
3 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte die Revisionswerberin einen Vorlageantrag.
4Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es stellte fest, dass die Revisionswerberin eine internationale Nichtregierungsorganisation gemäß § 15 ASG sei. Sie betreibe Forschung auf dem Gebiet der humanitären Hilfe, Entwicklungshilfe und Katastrophenhilfe. Ziel dieser Forschung sei es, neue Erkenntnisse über die tatsächliche Wirksamkeit und Qualität der Hilfe zu gewinnen, um langfristig das System der internationalen Hilfe zu verbessern. Die Forschungstätigkeit werde in Kooperation mit und für diverse humanitäre Organisationen durchgeführt und richte sich nach dem Informationsbedürfnis der auftraggebenden humanitären Organisation. Die Forschungsergebnisse würden in der Folge veröffentlicht und anderen Forschungseinrichtungen zugänglich gemacht. Der wesentliche Zweck der Revisionswerberin bestehe darin, für die Erfordernisse humanitärer Organisationen zu forschen, um das Ziel der Verbesserung des Systems der internationalen Hilfe in Form der Projektkooperation mit diversen humanitären Organisationen zu erreichen.
5Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht aus, gemäß § 17 ASG habe das Finanzamt auf Antrag und nach Anhörung des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten einer Nichtregierungsorganisation, die die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 ASG erfülle, mit Bescheid die Gemeinnützigkeit zuzuerkennen, sofern zu erwarten sei, dass die in den §§ 34 bis 47 BAO umschriebenen Voraussetzungen unter Berücksichtigung der in § 17 Abs. 2 und 3 ASG enthaltenen besonderen Bestimmungen erfüllt würden. Gemäß § 34 Abs. 1 BAO seien die Begünstigungen, die bei der Betätigung für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke auf abgabenrechtlichem Gebiet in einzelnen Abgabenvorschriften gewährt würden, an die Voraussetzung geknüpft, dass die Körperschaft, der die Begünstigung zukommen solle, nach Gesetz, Satzung, Stiftungsbrief oder ihrer sonstigen Rechtsgrundlage und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar der Förderung der genannten Zwecke diene.
6Unbestritten sei, dass die Revisionswerberin eine forschende Tätigkeit ausübe. Aus § 2 der Statuten ergebe sich bereits, dass die Tätigkeit der Revisionswerberin nicht die Forschung an und für sich zum Zweck habe, sondern die Forschungsergebnisse langfristig das System der internationalen Hilfe verbessern sollten. Diese Zielsetzung stelle keine Grundlagenforschung, sondern vielmehr empirische Projektforschung dar. Unmittelbare humanitäre Zweckausrichtung ließen die Vereinsstatuten, insbesondere § 2 der Satzung ebenfalls nicht erkennen. Die Revisionswerberin werde regelmäßig im Zusammenhang mit konkreten Projekten tätig und forsche für humanitäre Organisationen (Auftraggeber). Inwieweit die Tätigkeit der Revisionswerberin ausschließlich oder nahezu ausschließlich dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse diene, könne weder den vorgelegten Unterlagen noch dem Vorbringen der Revisionswerberin entnommen werden. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse dienten primär den auftraggebenden humanitären Organisationen zur Optimierung ihrer Projektaktivitäten. Die Zweckorientierung der Revisionswerberin liege in der anwendungsorientierten und empirischen Projektforschung und komme der Allgemeinheit nicht unmittelbar zugute. Nachdem die Forschungstätigkeit der Revisionswerberin keinen Beitrag zur Grundlagenforschung erkennen lasse und die Evaluationsforschung sich lediglich mittelbar auf die Adressaten der Entwicklungszusammenarbeit auswirke, sei kein gemeinnütziger Zweck im Sinne des § 35 BAO ersichtlich.
7Unabhängig davon scheitere die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 17 ASG daran, dass die Revisionswerberin den Zweck ihrer Tätigkeit neben der Wissenschaft und Forschung auch als humanitäre Organisation (mildtätiger Zweck gemäß § 37 BAO) sehe, weil sie Menschen direkt vor Ort unterstütze. Auch wenn der in der Satzung festgelegte Vereinszweck keinerlei Mildtätigkeit erkennen lasse, sei auf Grund des Vorbringens von einer mildtätigen Tätigkeit der Revisionswerberin im Rahmen der Geschäftsführung auszugehen. Im Hinblick darauf, dass die Einbindung der Menschen vor Ort als Teil der Evaluationsforschung anzusehen und für die Forschungsarbeit unerlässlich sei, stelle sie keinen unmittelbaren mildtätigen Zweck gemäß § 37 BAO dar. Forschungsergebnisse könnten per se niemals einen unmittelbaren Nutzen bei den Betroffenen schaffen, sondern bedürften regelmäßig einer Umsetzung, um einen unmittelbaren Nutzen stiften zu können. Der Umstand, dass die Ergebnisse der Forschung letztlich nämlich nach Umsetzung der Forschungsergebnisse auch den Betroffenen zugutekämen, mache diese noch nicht unmittelbar mildtätig.
8In der anwendungsorientierten und empirischen Projektforschung für humanitäre Organisationen sei weder ein die Allgemeinheit fördernder gemeinnütziger Zweck gemäß § 35 BAO noch ein unmittelbarer mildtätiger Zweck gemäß § 37 BAO zu erkennen. Die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit scheitere somit daran, dass die Revisionswerberin bei ihrer Forschungstätigkeit keinen Beitrag zur Grundlagenforschung leiste und keinen unmittelbaren, die Allgemeinheit fördernden gemeinnützigen Zweck gemäß den §§ 35 ff BAO verfolge. Da darüber hinaus die seitens der Revisionswerberin intendierte humanitäre Zweckausrichtung gemäß § 37 BAO lediglich mittelbar und ohne mehrheitliche Bestimmung durch humanitäre Organisationen oder „Geberländer“ erfolge, stehe auch dieser Umstand der Zuerkennung der Gemeinnützigkeit entgegen.
9 Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht mit der Begründung zu, dass zu der Rechtsfrage, „ob zum Vorliegen unmittelbar vorhandener Zwecke das Vorliegen anderer gemeinwirtschaftlicher Zwecke schädlich“ sei, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe.
10Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit auf den Zulassungsausspruch des Bundesfinanzgerichts verweist und dazu ausführt, dass das Bundesfinanzgericht ausweislich seiner übrigen rechtlichen Beurteilung damit die Frage meinen dürfte, ob es für die Gemeinnützigkeit der Forschungstätigkeit der Revisionswerberin schädlich sei, dass diese Tätigkeit zugleich das System der internationalen humanitären Hilfe verbessere und damit (nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts jedoch nur mittelbar) hilfsbedürftigen Personen zugutekomme. Weiters führt die Revision zur Zulässigkeit aus, dass das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den Fragen abweiche, unter welchen Voraussetzungen eine „Förderung der Allgemeinheit“ gemäß § 35 BAO vorliege, insbesondere durch Forschungstätigkeit, und eine „unmittelbare Förderung“ gemäß § 40 BAO vorliege.
11 Das Finanzamt erstattete keine Revisionsbeantwortung.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
15 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ungeachtet dessen, ob es sich um eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision handeltausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 14.5.2024, Ro 2023/16/0016, mwN). Die Revisionswerberin hat daher auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn sie der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder sie andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 28.8.2024, Ro 2023/15/0030, mwN).
16 Das Bundesfinanzgericht hat die Revision zugelassen, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden sei, „ob zum Vorliegen unmittelbar vorhandener Zwecke das Vorliegen anderer gemeinwirtschaftlicher Zwecke schädlich“ sei. Was konkret das Bundesfinanzgericht mit seinem Zulässigkeitsausspruch meint und welchen Bezug es zu der getroffenen rechtlichen Beurteilung hat, ist unklar. Das Bundesfinanzgericht hat sich im Ergebnis nicht darauf gestützt, dass wie die Revisionswerberin vermutetes für die Gemeinnützigkeit der Forschungstätigkeit der Revisionswerberin schädlich sei, dass diese Tätigkeit zugleich das System der internationalen humanitären Hilfe verbessere und damit hilfsbedürftigen Personen mittelbar zugutekomme. Das Bundesfinanzgericht hat die Gemeinnützigkeit vielmehr tragend deshalb versagt, weil nach seiner Ansicht weder eine die Allgemeinheit fördernde gemeinnützige Tätigkeit iSd § 35 BAO noch eine unmittelbare mildtätige Betätigung iSd § 37 BAO bei der Revisionswerberin vorgelegen sei. Es hat hingegen nicht angenommen, dass eine an sich zuzuerkennende Gemeinnützigkeit der Forschungstätigkeit deswegen im Ergebnis zu verneinen wäre, weil die Revisionswerberin überdies (aber lediglich mittelbar) mildtätig tätig sei. Von der Beantwortung der im Zulässigkeitsausspruch aufgeworfenen Rechtsfrage hängt die Revision somit nicht ab.
17Die Zulässigkeit der Revision ist daher anhand des übrigen Zulässigkeitsvorbringens zu beurteilen. In diesem führt die Revision aber lediglich aus, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu bestimmten Fragen abweiche. Es reicht allerdings nicht aus, darauf zu verweisen, dass eine Abweichung von der Rechtsprechung vorliegt, ohne konkrete Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes anzuführen (vgl. VwGH 25.3.2024, Ra 2022/13/0093, mwN).
18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 2. September 2025
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