Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision der A GmbH in B, vertreten durch die Dr. Lucas Prunbauer Rechtsanwalt GmbH in 1090 Wien, Türkenstraße 23/1/8, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2023, W167 2276065 1/10E, W167 2276066 1/10E, betreffend Beschäftigungsbewilligungen nach § 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz; mitbeteiligte Parteien: C D in E; F G in H), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheiden vom 20. April 2023 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Anträge der revisionswerbenden Partei vom 10. März 2023 auf Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für die mitbeteiligten Parteien, zwei ukrainische Staatsangehörige, für eine Tätigkeit als Assistentin der Geschäftsleitung bzw. als Compliance Managerin in ihrem Unternehmen gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ab, weil deren Beschäftigung entgegen dieser Bestimmung bereits begonnen habe.
2 Die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 22. Dezember 2023 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unzulässig zurück.
Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3 Ausgehend von den (im Revisionsverfahren unbestrittenen) Feststellungen, dass die seit 1. Juli bzw. 16. November 2022 jeweils bis 26. März 2023 ohne Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bei der revisionswerbenden Partei beschäftigt gewesenen Mitbeteiligten über den Aufenthaltstitel „Ausweis für Vertriebene“ verfügten, verneinte das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Beschwerde infolge Fehlens eines Rechtsschutzinteresses. Aufgrund der mit 20. April 2023 ausgegebenen Novelle des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. I Nr. 43/2023, wonach gemäß § 1 Abs. 2 lit. k AuslBG die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Vertriebene gemäß § 62 Asylgesetz 2005, die über einen Ausweis für Vertriebene verfügen, nicht anzuwenden sind, hätten die Mitbeteiligten seit 21. April 2023 und damit bereits bei Erhebung der Beschwerde freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt.
4 Zwar enthielten die Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide im Sinn des § 20 Abs. 4 AuslBG weder Unterschrift noch Beglaubigung. Der Verfassungsgerichtshof habe mit dem in BGBl. I Nr. 21/2023 kundgemachten Erkenntnis vom 9. März 2023, G 38/2023 10, die Wortfolge „Bescheide und“ in § 20 Abs. 4 AuslBG jedoch erst mit 31. März 2024 als verfassungswidrig aufgehoben. Die davon für am 9. März 2023 beim Bundesverwaltungsgericht anhängige Verfahren festgelegte Ausnahme greife im vorliegenden Verfahren nicht.
5 Gegen den Beschluss eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 und 9 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die revisionswerbende Partei macht unter diesem Gesichtspunkt zunächst zusammengefasst geltend, das Verwaltungsgericht habe unter dem Blickwinkel des Rechtsschutzinteresses nur auf den freien Arbeitsmarktzugang der Mitbeteiligten abgestellt, nicht aber das Rechtsschutzinteresse der revisionswerbenden Partei als bestrafte Dienstgeberin beurteilt.
8 Mit diesen Ausführungen wird schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt, weil auch die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die mangels Anwendbarkeit des Ausländerbeschäftigungsgesetzes auf ukrainische Vertriebene zum Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts jedoch nicht mehr in Betracht kam nichts an der Unzulässigkeit einer vor deren Erteilung erfolgten Beschäftigung änderte (siehe § 3 Abs. 1 und 2 AuslBG zur Zulässigkeit der Anstellung/Aufnahme der Beschäftigung erst nach Erteilung des Beschäftigungstitels). Die Bestrafung selbst war im hier zu beurteilenden Verfahren nicht gegenständlich; eine Beschäftigungsbewilligung ist mangels Anwendbarkeit des Ausländerbeschäftigungsgesetzes auf ukrainische Vertriebene zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr zu erlangen.
9 Der in der Revision ferner angesprochene Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 Z 5 AuslBG stellt zudem nicht auf eine in der Vergangenheit erfolgte Abweisung eines Antrags auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ab, sondern auf eine wiederholte Beschäftigung von Ausländern entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in den letzten zwölf Monaten vor der Antragseinbringung. An einer bereits erfolgten illegalen Beschäftigung würde aber wie ausgeführt auch eine später erteilte Beschäftigungsbewilligung nichts ändern. Aus der Abweisung eines Antrags auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für sich ergeben sich jedoch keine nachteiligen Folgen für künftige Anträge.
10 Der von der revisionswerbenden Partei des Weiteren ins Treffen geführte Umstand, dass die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde am letzten Tag vor dem Inkrafttreten der Novelle die Anträge auf Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen abwies, zeigt gleichfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf. Auch nach Inkrafttreten der Novelle kam die Erteilung der beantragten Bewilligungen nicht in Betracht. Durch die Ausnahme (ukrainischer) Vertriebener vom Ausländerbeschäftigungsgesetz können diese seither vielmehr ohne jegliche Bewilligung im Bundesgebiet beschäftigt werden bzw. eine Beschäftigung aufnehmen.
11 Sofern im Zulässigkeitsvorbringen davon ausgegangen wird, dass die Novelle BGBl. I Nr. 43/2023 lediglich die Umsetzung unionsrechtlich ohnedies bereits gebotener Maßnahmen dargestellt hätte, lässt dies Art. 12 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedsstaaten (Massenzustrom-Richtlinie) unbeachtet, der den Mitgliedsstaaten im Zusammenhang mit dem den vorübergehenden Schutz genießenden Personen einzuräumenden Arbeitsmarktzugang aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik die Möglichkeit gewährt, EU Bürgern, Staatsangehörigen der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftraum sowie Drittstaatsangehörigen mit rechtmäßigem Aufenthalt, die Arbeitslosengeld beziehen, Vorrang einzuräumen. Daran änderte auch der Durchführungsbeschluss (EU) 2002/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikel 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes, nichts. Der durch § 1 Abs. 2 lit. k AuslBG eingeräumte freie Zugang zum Arbeitsmarkt geht über die bereits zuvor erfolgte Umsetzung der Regelung in Art. 12 Massenzustrom Richtlinie hinaus (siehe dazu auch IA 3158/A BlgNR 27. GP 5).
12 Eine gebotene andere Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Anträge lässt sich daraus aber in keinem Fall ableiten, selbst wenn man mit der revisionswerbenden Partei meinte, dass ukrainischen Vertriebenen bereits in gebotener Umsetzung von Art. 12 Massenzustrom Richtlinie und dem Durchführungsbeschluss des Rates vom 4. März 2022 eher freier Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu gewähren gewesen oder bereits eingeräumt worden wäre. Ob unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten eine Bestrafung der Organe der revisionswerbenden Partei zulässig war, war jedoch nicht in diesem auf Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen gerichteten Verfahren zu prüfen. Der in diesem Zusammenhang vorgetragenen Anregung, hiezu gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union einzuholen, war daher vom Verwaltungsgerichtshof schon mangels Präjudizialität nicht näherzutreten.
13 Wenn schließlich fehlende Judikatur im Zusammenhang mit der Aufhebung der Wortfolge „Bescheide und“ in § 20 Abs. 4 AuslBG durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 9.3.2023, G 38/2023 u.a.) erst mit 31. März 2024 releviert wird, genügt es auf die dazu bereits vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (siehe VwGH 23.5.2023, Ra 2022/09/0133, Rn. 15 f; 25.5.2023, Ro 2022/09/0008, Rn. 13 f). Selbst wenn der Bescheid wie von der revisionswerbenden Partei in diesem Zusammenhang vertreten absolut nichtig und ein Nichtbescheid sein sollte, hätte dies im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu keinem anderen Ergebnis zu führen gehabt, sind doch Beschwerden gegen Nichtbescheide zurückzuweisen (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2017/21/0254; 23.11.2022, Ro 2022/15/0026; 14.9.2023, Ra 2022/09/0097, Rn. 15).
14 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war diese nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 18. April 2024
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