Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des I in K, vertreten durch die Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in 1230 Wien, Dr. Neumann Gasse 7, gegen das am 3. Mai 2024 verkündete und am 24. Mai 2024 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW 031/044/3324/2024 21, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde dem Revisionswerber soweit für die Revision von Bedeutungzur Last gelegt, er sei zu einem konkret angegebenen Zeitpunkt an einem näher genannten Ort als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten LKW mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, weil er die Unfallstelle verlassen habe. Er habe dadurch gegen § 4 Abs. 1 lit. c StVO verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geld- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurden und er zur Zahlung eines ziffernmäßig festgesetzten Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 VStG verpflichtet wurde. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
2 Das Verwaltungsgericht stellte u.a. fest, der Revisionswerber habe im Zuge eines Fahrstreifenwechsels einen PKW beschädigt. Die Insassen des PKW hätten den Revisionswerber durch Betätigung der Lichthupe sowie durch Handzeichen auf den Vorfall aufmerksam gemacht und zum Stehenbleiben aufgefordert, was der Revisionswerber erkannt, jedoch abgelehnt habe. Daraufhin hätten die Insassen des PKW den Polizei-Notruf verständigt und in der Folge bei der Polizeiinspektion G Anzeige über den Vorfall gelegt. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht habe dazu geführt, dass die Fahrtüchtigkeit des Revisionswerbers nicht habe überprüft und festgestellt werden können.
3 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Revision erweist sich als unzulässig.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber erachtet seine Revision deshalb als zulässig, weil das Verwaltungsgericht von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO abgewichen sei. Im angefochtenen Erkenntnis sei nicht festgestellt worden, dass es am Unfallort zu einer Tatbestandsaufnahme gekommen oder eine solche Tatbestandsaufnahme am Unfallort verlangt worden sei. Ebenso wenig sei an der Unfallstelle ein Sicherheitsorgan anwesend gewesen, sodass der Revisionswerber im Hinblick auf einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden die angelastete Übertretung nicht begangen habe.
8Gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, bedingt die Mitwirkung an der „Feststellung des Sachverhaltes“ erfahrungsgemäß je nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedliche Verhaltensweisen der an einem Verkehrsunfall beteiligten Personen (vgl. VwGH 12.6.2024, Ra 2022/02/0146).
9Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont, kann die in § 4 Abs. 1 lit. c StVO normierte Verpflichtung sinnvoll nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat (vgl. VwGH 29.10.2019, Ra 2019/02/0062, mwN).
10Dies trifft immer dann zu, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinn des § 4 Abs. 2 StVO besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst (vgl. VwGH 30.1.2019, Ra 2018/02/0311, mwN).
11Zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes hat es auch dann zu kommen, wenn ein Identitätsnachweis nicht erfolgte und eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO gegeben ist. Die nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, bei dem kein Identitätsnachweis erfolgte, bestehende Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO zieht die Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO nach sich (vgl. VwGH 29.4.2021, Ra 2021/02/0038, mwN).
12 Von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wich das Verwaltungsgericht nicht ab, wenn es aus den Feststellungen über die vergebliche Aufforderung an den Revisionswerber nach dem Verkehrsunfall mit Sachschaden stehen zu bleiben und die daraufhin erfolgte Betätigung des Polizeinotrufs samt Anzeige bei der Polizeiinspektion als ein von einem am Unfall Beteiligten verlangtes Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verstand und eine Mitwirkungspflicht des Revisionswerbers nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO annahm.
13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 16. Oktober 2024
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