Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des E in L, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das am 4. Mai 2022 mündlich verkündete und am 3. Juni 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg, 405 4/4631/1/6 2022, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Salzburg), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Salzburg vom 1. März 2022 wurde dem Revisionswerber unter konkreter Angabe von Tatzeit, Tatort und betroffenem Fahrzeug (Bezeichnung der Art als „PKW“ und des Kennzeichens) angelastet, er sei mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, weil er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen. Er sei weiter bis zum Bereich der C Straße, nächst dem Fitnessstudio F gegangen.
2 Die nur gegen diesen Spruchpunkt erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses dahingehend ergänzt wurde, dass der Revisionswerber als Lenker des angeführten Personenkraftwagens mit dem Verkehrsunfall zu tun gehabt habe, und der das mangelnde Mitwirken erläuternde Gliedsatz durch die Wendung ersetzt wird, dass er sich von der Unfallstelle entfernt habe. Darüber hinaus wurden Fundstellen zitierter Normen korrigiert, ein das Beschwerdeverfahren betreffender Kostenbeitrag auferlegt und ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe nach der mit dem von ihm gelenkten Personenkraftwagen um 23:06 Uhr erfolgten Beschädigung eines Hinweiszeichens und Verständigung der Polizei durch den Lenker des nachfolgenden Fahrzeugs die Unfallstelle zu Fuß verlassen. Die Polizei habe umgehend eine Fahndung im Nahbereich der Unfallstelle eingeleitet und den Revisionswerber an einem näher angegebenen Ort antreffen und anhalten können. Er habe dann die Einsatzbeamten zur Unfallstelle begleitet, wo um 23:19 Uhr ein „Alko Vortest“ durchgeführt worden sei.
4 Nach Darlegung seiner Beweiswürdigung kam das Verwaltungsgericht rechtlich zum Schluss, dass der objektive Tatbestand des § 4 Abs. 1 lit. c StVO erfüllt sei, weil sich der Revisionswerber vom Unfallort entfernt habe und er dorthin nicht freiwillig zurückgekehrt sei, sondern vielmehr aufgrund der Fahndung in einiger Entfernung habe aufgegriffen werden können. Als Verschuldensgrad wurde dem Revisionswerber bedingter Vorsatz zur Last gelegt und in weiterer Folge die Strafbemessung begründet. Die Spruchkorrekturen wurden ebenso pauschal als erforderlich und zulässig bezeichnet wie die Begründung zur Unzulässigkeit der Revision bloß allgemein erfolgte.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Der Revisionswerber erachtet seine Revision zunächst deshalb als zulässig, weil das Verwaltungsgericht einen unzulässigen Austausch des Tatvorwurfs vorgenommen habe. Einerseits werde mit dem Hinweis auf den Lenker des angeführten Personenkraftwagens ein Tatbestandsmerkmal neu eingefügt und andererseits der Vorwurf fallen gelassen, er habe durch Verlassen der Unfallstelle vereitelt, seine Verfassung zum Unfallzeitpunkt feststellen zu lassen.
10 Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das erfordert in aller Regel die Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens (vgl. VwGH 5.3.2024, Ra 2024/02/0041, mwN).
11 Das Tatverhalten muss im Spruch selbst und nicht erst in der Bescheidbegründung umschrieben sein. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren, die Frage ihrer Übereinstimmung mit den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG ist folglich in jedem konkreten Fall einzeln zu beurteilen (vgl. VwGH 22.2.2024, Ra 2022/02/0127, mwN).
12 Unter der Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG ist ein und dasselbe Verhalten des Täters, unabhängig von der rechtlichen Beurteilung der Tat, zu verstehen (vgl. VwGH 12.5.2020, Ro 2019/04/0229, mwN).
13 Eine nicht ausreichende Umschreibung der Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG berechtigt das Verwaltungsgericht nicht, das Straferkenntnis zu beheben. Es ist vielmehr verpflichtet, in der Sache selbst zu entscheiden und dabei die Tat in einer dem § 44a Z 1 VStG entsprechenden Weise zu präzisieren, darf aber dabei die Tat nicht auswechseln. Ein unzulässiges Austauschen des Tatvorwurfs stellt nach den Grundsätzen der hg. Judikatur eine im Beschwerdeverfahren durch das Verwaltungsgericht vorgenommene Erweiterung des Tatvorwurfs bzw. die Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts dar (vgl. VwGH 13.12.2019, Ra 2019/02/0184, mwN).
14 Gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, bedingt die Mitwirkung an der „Feststellung des Sachverhaltes“ erfahrungsgemäß je nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedliche Verhaltensweisen der an einem Verkehrsunfall beteiligten Personen. Es ist daher die Tat für jeden Einzelfall nicht nur nach Tatzeit und Tatort, sondern auch hinsichtlich jenes Verhaltens zu konkretisieren, das dem Betreffenden als Nichtmitwirkung an der Ermittlung der den Unfall charakterisierenden Sachverhaltselemente angelastet wird (vgl. VwGH 30.5.1990, 89/03/0108, mwN). Die Nichtanführung des Verhaltens, das dem Beschwerdeführer als Nichtmitwirkung angelastet wird, im Spruch des Straferkenntnisses stellt einen Verstoß gegen § 44a lit. a VStG dar (vgl. VwGH 25.4.1990, 89/03/0026, mwN). Es reicht bereits der Vorwurf, sich vom Unfallsort entfernt zu haben, zur Konkretisierung der dem Beschwerdeführer angelasteten Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO aus (vgl. VwGH 20.10.1999, 99/03/0252, mwN).
15 Mit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Ergänzung des Spruchs, dass der Revisionswerber als Lenker des in Rede stehenden Fahrzeugs mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, wird lediglich eine Präzisierung der angelasteten Tatumschreibung vorgenommen und kein neues Tatbestandsmerkmal hinzugefügt, weil es nach dem klaren Wortlaut des § 4 Abs. 1 lit. c StVO auf die Lenkereigenschaft nicht ankommt. Dass damit die Verteidigungsrechte des Revisionswerbers beeinträchtigt worden wären, wird nicht aufgezeigt, die Gefahr einer Doppelbestrafung ist nicht ersichtlich.
16 Die vom Verwaltungsgericht aus dem Spruch gestrichene Vereitelung der Möglichkeit, die körperliche und geistige Verfassung des Revisionswerbers zum Unfallzeitpunkt festzustellen, ist im vorliegenden Fall schon deshalb unerheblich, weil nach der dargestellten Rechtsprechung die Tat bereits durch das Entfernen des Revisionswerbers vom Unfallort verwirklich wurde. Die Eliminierung des angesprochenen Bestandteils des Spruchs weicht sohin nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
17 Der Revisionswerber bringt unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision weiters vor, das Verwaltungsgericht habe durch das Umstellen des Tatvorwurfes ohne vorherige Erörterung das Parteiengehör verletzt und gegen das Überraschungsverbot verstoßen.
18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Relevanz des Verfahrensmangels in den Zulässigkeitsgründen dargetan werden. Es ist somit erforderlich aufzuzeigen, weshalb bei Vermeidung des Verfahrensmangels (etwa auf Grund welchen konkreten Vorbringens) in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (vgl. VwGH 13.9.2017, Ra 2016/08/0174, mwN).
19 Für die Verletzung des Parteiengehörs wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht dargelegt, welches konkrete Vorbringen bei Einräumung einer Möglichkeit zur Äußerung erstattet worden wäre, sodass die Revision nicht vom diesbezüglich behaupteten Verfahrensmangel abhängt.
20 Hinsichtlich des Überraschungsverbotes wird lediglich behauptet, der Revisionswerber hätte im Fall der Erörterung der vom Verwaltungsgericht beabsichtigten Einbeziehung ihm unbekannter Sachverhaltselemente vorgebracht, dass er sich nicht von der Unfallstelle entfernt habe. Hier unterlässt es der Revisionswerber aufzuzeigen, welche Sachverhaltselemente das Verwaltungsgericht neu einbezogen haben soll, zumal schon im verwaltungsbehördlichen Verfahren davon ausgegangen wurde, dass der Revisionswerber die Unfallstelle verlassen hatte.
21 Schließlich wird die Zulässigkeit der Revision damit begründet, dass entgegen § 44a Z 3 VStG im Spruch des Strafbescheides die richtige Fundstelle der Strafsanktionsnorm nicht angegeben worden sei.
22 § 44a Z 2 VStG räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. etwa VwGH 1.9.2020, Ra 2019/02/0153, mwN).
23 Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch von der Rechtsansicht, wonach im Spruch des Straferkenntnisses jedenfalls die Fundstelle jener Novelle anzugeben ist, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hat, in einem verstärkten Senat gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG abgegangen (vgl. VwGH 27.6.2022, Ra 2021/03/0328).
24 Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nunmehr, dass die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z 2 VStG) und der bei der Verhängung der Strafe angewendeten Gesetzesbestimmung (§ 44a Z 3 VStG) in einer Weise erfolgt, die den Beschuldigten in die Lage versetzt, sich gegen den Tatvorwurf verteidigen zu können und nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (im Hinblick auf § 44a Z 2 VStG). Selbst ein Unterbleiben der Angabe der Fundstelle bewirkt demnach keine Verletzung in einem subjektiven Recht der beschuldigten Person, wenn die herangezogenen Rechtsvorschriften für diese aus dem Zusammenhang nicht zweifelhaft sein konnten (vgl. VwGH 17.7.2023, Ra 2023/02/0055).
25 Dass fallbezogen derartige Zweifel gegeben gewesen wären, legt der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen nicht dar, sodass ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch das Verwaltungsgericht nicht ersichtlich ist.
26 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. Juni 2024
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