Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des M M in W, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, gegen das am 30. März 2023 mündlich verkündete und am 21. Juli 2023 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW 152/090/7727/2021 36, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache der Antrag des im Jahr 2002 geborenen Revisionswerbers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom 14. Februar 2020 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen (I.) und die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt (II.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht auf das Wesentliche zusammengefasst aus, der Revisionswerber weise mehrere Verwaltungsübertretungen, insbesondere solche nach der StVO bzw. dem KFG 1967 auf, wovon sich am 23. März 2021 begangene Übertretungen nach § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 StVO (den Gegenverkehr durch das in „Drift“ in die Gegenfahrbahn schlitterndes Fahrzeugheck gefährdendes Einbiegen bei erhöhter Geschwindigkeit ohne Anzeigen der Änderung der Fahrtrichtung) als besonders gefährlich darstellten. Angesichts des zu kurzen seither vergangenen Zeitraums sei noch nicht von einem künftigen Wohlverhalten des Revisionswerbers auszugehen.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, dass das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des jugendlichen Alters des Revisionswerbers von einem seit Begehung der Verwaltungsübertretungen für die Prognose künftigen Wohlverhaltens ausreichend langen Zeitraum hätte ausgehen müssen. Zudem habe der Revisionswerber seit Begehung der Verwaltungsübertretungen weitere Fahrpraxis gesammelt, Lenkberechtigungen für weitere Klassen von Kraftfahrzeugen erlangt und dafür ein verkehrspsychologisches Screening erfolgreich absolviert. Selbst die Landespolizeidirektion Wien habe keine Bedenken gegen die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Revisionswerber geltend gemacht.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat eine negative Prognose nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG als rechtmäßig beurteilt, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht von längerem Wohlverhalten des Antragstellers seit dem zuletzt von ihm begangenen und für die negative Prognose als tragend angesehenen Fehlverhalten ausgegangen werden konnte (vgl. VwGH 18.3.2022, Ra 2022/01/0056, mwN).
8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Hinblick auf das Ziel des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts, die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Abschluss einer erfolgreichen Integration des Fremden in Österreich zu sehen, bei der Prüfung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. erneut VwGH 18.3.2022, Ra 2022/01/0056, mwN).
9 Weiters ist darauf hinzuweisen, dass Stellungnahmen der Sicherheitsbehörden das Verwaltungsgericht im Verleihungsverfahren in seiner Entscheidung nicht binden (vgl. betreffend die Landesregierung als Verleihungsbehörde VwGH 26.5.2015, Ro 2014/01/0035, mwN).
10 Im Übrigen kommt der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. erneut VwGH 18.3.2022, Ra 2022/01/0056, mwN).
11 Mit Blick darauf gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass die ein künftiges Wohlverhalten des Revisionswerbers (noch) verneinende Prognose des Verwaltungsgerichts fallbezogen mit einem im Revisionsverfahren aufzugreifenden Mangel behaftet ist.
12 Soweit die Revision in den Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit behauptet, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle, unter welchen Voraussetzungen für „junge Erwachsene“ von einem längeren Wohlverhalten auszugehen sei, ist darauf hinzuweisen, dass dem StbG für die Beurteilung der Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG keine Begünstigung „junger Erwachsener“ zu entnehmen ist (vgl. ähnlich VwGH 2.6.2022, Ra 2022/01/0146, mwN).
13 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 8. November 2023
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