Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Thaler, über die Revision des B S, vertreten durch Mag. Eva Velibeyoglu, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Columbusgasse 65/22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. Jänner 2023, I415 2261628 1/19E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der 1993 geborene Revisionswerber ist bulgarischer Staatsangehöriger. Er ist seit November 2013 mit einer bulgarischen Staatsangehörigen verheiratet. Die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder sind ebenfalls bulgarische Staatsangehörige.
2 Der Revisionswerber lebt seit Ende 2011 mit einer Unterbrechung im Zeitraum von November 2019 bis Juli 2021, als die Familie vorübergehend in Deutschland ansässig war mit Hauptwohnsitz in Österreich. Ihm wurde am 26. Mai 2014 eine Anmeldebescheinigung erteilt und er war ab 2015 unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit als Taxilenker und Reinigungskraft erwerbstätig. In Österreich leben auch die Eltern des Revisionswerbers sowie seine Schwester und deren Ehemann.
3 Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 25. April 2016 wurde der Revisionswerber (als junger Erwachsener) wegen sittlicher Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Revisionswerber im Jahr 2013 einem 2002 geborenen Mädchen auf seinem „Handy“ einen pornografischen Film gezeigt habe.
4 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 19. November 2018 wurde der Revisionswerber wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie gefährlicher Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zu Grunde, der Revisionswerber habe im August 2018 teilweise im gemeinsamen Zusammenwirken mit einem Dritten zwei Personen durch Schläge gegen den Kopf bzw. ins Gesicht verletzt und eine dieser Personen durch die Äußerung, er werde sie umbringen, gefährlich bedroht.
5 Schließlich wurde der Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 3. Mai 2022 wegen des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen Verbrechens der Schlepperei nach §§ 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und 2, Abs. 4 erster Fall FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, der Revisionswerber habe im Zeitraum von Oktober/November 2021 bis 9. Februar 2022 mehrfach und in gewerbsmäßiger Absicht Fremden, die nicht zum Aufenthalt in der Europäischen Union bzw. dem Schengenraum berechtigt waren, die Ein bzw. Durchreise von Ungarn nach bzw. durch Österreich ermöglicht, um sich durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern. Der Revisionswerber habe sich zumindest 20 mal ins Burgenland begeben, wobei er bei zehn Fahrten wegen erhöhter Polizei bzw. Bundesheerpräsenz keine Fremden aufgenommen habe und bei etwa zehn weiteren Fahrten jeweils drei bis fünf Fremde, die mit Unterstützung eines anderen Schleppers bis zur ungarisch österreichischen Grenze gebracht worden seien und sodann selbständig die Grenze überquert hätten, im Grenzgebiet abgeholt und nach Wien verbracht habe.
6 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 26. September 2022 wurde deshalb gegen den Revisionswerber gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
7 Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. Jänner 2023 insoweit statt, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
8 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit dem Beschluss VfGH 27.2.2023, E 329/2023, ablehnte und unter einem die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
9 Die in der Folge fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision erweist sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig.
10 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
12 In seiner Revision wendet sich der Revisionswerber nur (gerade noch erkennbar) gegen die vom BVwG nach § 9 BFA VG durchgeführte Interessenabwägung.
13 Dazu ist vorauszuschicken, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage beruht und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt ist nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B VG ist (vgl. etwa VwGH 14.2.2022, Ra 2021/21/0216, Rn. 9, mwN).
14 Im Rahmen der Interessenabwägung nahm das BVwG entgegen der Meinung in der Revision auf die familiäre Situation des Revisionswerbers in Österreich ausreichend Bedacht. In Anbetracht des äußerst großen öffentlichen Interesses an der Bekämpfung der unter fremdenrechtlichen Aspekten besonders verpönten Schlepperei (vgl. dazu erneut VwGH 14.2.2022, Ra 2021/21/0216, nunmehr Rn. 12, mwN) durfte das BVwG trotz der mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Beeinträchtigung des Kindeswohls vertretbar davon ausgehen, dass der Revisionswerber und seine Familienangehörigen eine Trennung hinzunehmen haben. Mit der deutlichen Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes trug das BVwG den familiären Bindungen des Revisionswerbers, aber auch dem Aufenthalt weiterer Familienangehöriger in Österreich ohnehin angemessen Rechnung.
15 Vor diesem Hintergrund kann die vom BVwG gemäß § 9 BFA VG nach mündlicher Verhandlung unter Verwertung des persönlichen Eindrucks vorgenommene Interessenabwägung, bei der auch die Erwerbstätigkeit des Revisionswerbers genügend berücksichtigt wurde, insgesamt nicht als unvertretbar angesehen werden. Auf das in der Revision erörterte (genaue) Ausmaß der Deutschkenntnisse des Revisionswerbers kommt es dabei nicht entscheidungswesentlich an.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 29. Juni 2023
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