Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Posch sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin und die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des G H, vertreten durch die Schlösser Partner Rechtsanwälte OG in Wien, Schottenring 23/Top 7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 5. August 2022, VGW041/046/8077/2021, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Verwaltungsgericht Wien den Revisionswerber im Beschwerdeverfahren schuldig, er habe es in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der I GmbH zu verantworten, dass dieses Unternehmen den Dienstnehmer T vom 9. November 2020 bis 17. März 2021 als Kraftfahrer beschäftigt habe, ohne den Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Wegen dieser Übertretung des § 33 Abs. 1 iVm. § 111 Abs. 1 Z 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG, „BGBl Nr. BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 44/2016“) wurde über den Revisionswerber gemäß „§ 111 Abs. 2 erster Strafsatz ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2020“ eine Geldstrafe von € 910, (Ersatzfreiheitsstrafe von 1Tag) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben.
2Das Verwaltungsgericht stellte folgenden Sachverhalt fest: Der Revisionswerber sei zur Tatzeit handelsrechtlicher Geschäftsführer der I GmbH gewesen. Er habe der ÖGK keinen Verantwortlichen iSd. § 35 Abs. 3 ASVG bekannt gegeben. Der Dienstnehmer T sei vom 8. November 2018 bis 6. November 2020 bei der L GmbH als LKW Fahrer beschäftigt gewesen, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Revisionswerber gewesen sei. Da T infolge eines Privatkonkurses mit dem ihm von der L GmbH bezahlten Gehalt „seine Lebenserhaltungskosten nicht bestreiten zu können glaubte“, habe dieser in Rumänien das Personalüberlassungsunternehmen TL SRL gegründet und seinen Hauptwohnsitz nach Rumänien verlegt. Über dieses Unternehmen habe er sich selbst als Arbeitskraft an die I GmbH überlassen, für deren Chef, den Revisionswerber, er bereits zuvor als Dienstnehmer der L GmbH tätig gewesen sei. Seine Tätigkeit als von seiner eigenen Firma überlassener Arbeitnehmer für die Firma I GmbH habe vom 9. November 2020 bis 17. März 2021 gedauert und sich nicht von seiner vormaligen Dienstnehmertätigkeit als LKW Chauffeur für die L GmbH unterschieden. Allerdings sei er nun nicht mehr bei der ÖGK zur Sozialversicherung angemeldet gewesen und habe kein Gehalt bezogen, sondern habe „als Inhaber des rumänischen Personalüberlassungsunternehmens TL SRL Rechnungen an die I GmbH gelegt, welche von diesem Unternehmen beglichen worden seien. Eine Meldung der grenzüberschreitenden „Überlassung“ seiner eigenen Person nach dem Lohn und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD BG) sei nicht erfolgt. Eine Anmeldung des T als Dienstnehmer zur Sozialversicherung sei ebenfalls nicht erfolgt. Die „Konstruktion der Eigenüberlassung“ durch ein von T in Rumänien gegründetes Unternehmen habe für T den Vorteil gebracht, dass die anstelle eines Gehalts nunmehr an sein rumänisches Unternehmen geleisteten Zahlungen für die Gläubiger seines Privatkonkurses nicht angreifbar gewesen seien. Der Revisionswerber habe davon profitiert, indem er keine Dienstgeberbeiträge mehr für T habe entrichten müssen und auch keine Lohnnebenkosten mehr angefallen seien.
3Das Verwaltungsgericht führte (teils im Abschnitt „Verfahrensgang“, teils in den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses) aus, dass gegen den Revisionswerber „in Bezug auf die Beschäftigung des [T] im gegenständlichen Zeitraum zu GZ [...] ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts auf Übertretungen der §§ 146 StGB (Betrug) und 153c StGB (Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung) eingeleitet worden war“. Es seien „umfangreiche Ermittlungen durch das von der Staatsanwaltschaft damit beauftragte LKA Wien“ geführt, der Revisionswerber sowie der Dienstnehmer T als Beschuldigte einvernommen und am 16. Oktober 2021 der Abschlussbericht erstellt worden. Die Staatsanwaltschaft Wien habe am 22. November 2021 das Ermittlungsverfahren wegen § 146 und § 153c StGB gemäß § 190 Z 2 StPO mit dem Vermerk „Schuld nicht nachweisbar“ eingestellt. Der Revisionswerber sei davon am 23. November 2021 benachrichtigt worden.
4Die Staatsanwaltschaft sei zum tatsächlichen Geschehen von dem auch vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt ausgegangen, als sie das gerichtliche Strafverfahren wegen des Verdachts der Übertretung der §§ 146 und 153c StGB gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt und den Revisionswerber davon unterrichtet habe.
5In seiner rechtlichen Beurteilung würdigte das Verwaltungsgericht den Sachverhalt im Lichte des § 111 ASVG dahin, dass die Beschäftigung des T durch die vom Revisionswerber vertretene I GmbH als Dienstverhältnis des T bei der I GmbH zu werten sei. Dem Vorbringen, die I GmbH habe lediglich einen Auftrag an die von T gegründete TL SRL erteilt, welche in Entsprechung dieses Auftrags den T an die I GmbH überlassen habe, sei nicht zu folgen. Es seien keine Überlassungspapiere (ZKO 3 und ZKO 4 Formulare) nach den Vorschriften des LSD BG übermittelt worden. Dazu komme, dass die TL SRL nicht einen bei ihr unter Dienstvertrag stehenden Arbeitnehmer, sondern den Gründer und Chef, nämlich T überlassen habe. Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass T über diese Konstruktion nur wenige Tage nach Beendigung seiner Dienstnehmertätigkeit als LKW Chauffeur für die I GmbH dieselbe Tätigkeit nunmehr unter dem Deckmantel der Selbstüberlassung durch eine von T in Rumänien gegründete Arbeitskräfteüberlassungsfirmaweiter ausgeübt habe, werde deutlich, dass es sich bei der Firmengründung in Rumänien und der anschließenden „Selbstüberlassung“ um eine Umgehungskonstruktion gehandelt habe, die nichts an der Eigenschaft des T als Dienstnehmer der I GmbH geändert habe. Dass anstelle eines Gehalts im Tatzeitraum Rechnungen beglichen worden seien, die von der durch T in Rumänien gegründeten Firma TL SRL gelegt worden seien, sei ebenso Bestandteil der Umgehungskonstruktion wie die Begründung des Hauptwohnsitzes in T in Rumänien. In einem vergleichbaren Fall habe der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass bei unverändertem wirtschaftlichen Gehalt vertragliche Vereinbarungen (Personalbereitstellungsvertrag, Dienstverträge, Mietverträge) im Hinblick auf eine Änderung der Zurechnung weg vom Betrieb des eigentlichen Dienstgebers hin zu einem ausländischen Unternehmen nicht ausschlaggebend seien (Hinweis auf das zu einer Qualifikation von Dienstverhältnissen im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise iSd. § 539a ASVG ergangene Erkenntnis VwGH 15.7.2013, 2011/08/0151).
6Die I GmbH sei somit verpflichtet gewesen, nachdem sie T als Dienstnehmer mit 6. November 2020 abgemeldet habe, diesen vor Dienstantritt am 9. November 2020 wieder als Dienstnehmer bei der ÖGK anzumelden. Durch das Unterbleiben der Anmeldung sei die Verwaltungsübertretung nach § 111 ASVG verwirklicht worden.
7 Zur inneren Tatseite führte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung aus, es sei von schuldhaftem Verhalten in der Schuldform der Fahrlässigkeit auszugehen.
8In weiterer Folge setzte sich das Verwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung mit der Frage auseinander, ob die Bestrafung des Revisionswerbers wegen einer Übertretung des § 111 ASVG vor dem Hintergrund des zuvor erhobenen Vorwurfs von gerichtlich strafbaren Taten nach §§ 146 und 153c StGB und der nachfolgenden Einstellung des betreffenden Ermittlungsverfahrens infolge Verletzung des durch Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK garantierten Verbots einer erneuten Strafverfolgung des Revisionswerbers wegen derselben Tat (in den Worten der zitierten Bestimmung: „wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits ... rechtskräftig ... freigesprochen worden ist“) unzulässig wäre. Mit den vorangegangenen Schritten der Staatsanwaltschaft sei es „im Hinblick auf die Vorwürfe nach den §§ 153c und 146 StGB zu einem Anklageverbrauch“ gekommen. Den vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs. 1 iVm. § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG liege jedoch ein anderes Tatbild als diesen Vorwürfen gerichtlicher Straftaten zugrunde. Auch sei der Schutzzweck der Straftatbestände ein anderer. Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK stehe der Bestrafung des Beschwerdeführers somit nicht entgegen.
9 Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision iSd. Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig und führte dazu begründend aus:
„Die Revision ist zulässig, da es sich bei der Frage des Verhältnisses zwischen § 111 ASVG und § 153c StGB im Hinblick auf einen Anklageverbrauch im Sinne des Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK um eine in ihrer Bedeutung über den Anlassfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt und dazu noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vorliegt, zumal der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2.3.2017, Ra 2017/08/0003, diese Rechtsfrage zwar angesprochen, die Revision aber aus anderen Gründen zurückgewiesen und die Frage des Verhältnisses zwischen § 111 ASVG und § 153c StGB explizit offen gelassen hat.“
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit der Zulassungsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses anschließt.
11 Das Verwaltungsgericht hat ein Vorverfahren durchgeführt, in dem der Magistrat der Stadt Wien eine Revisionsbeantwortung erstattete und die kostenpflichtige Zurück , hilfsweise die Abweisung der Revision beantragte.
12Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
13 Die Revision ist aus dem in der Zulassungsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses genannten Grund, dem sich der Revisionswerber anschloss, zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
14Der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach die von der Staatsanwaltschaft gemäß § 190 Z 2 StPO verfügte Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens (wegen des Verdachts der Übertretung der §§ 146 und 153c StGB) keine Sperrwirkung entfaltet habe, tritt der Revisionswerber zum einen mit dem Argument entgegen, dass der objektive Tatbestand des § 153c StGB auf ein „Vorenthalten“ von vom Dienstgeber abzuführenden Beiträgen abstelle und dies „nur dann gegeben“ sei, wenn der Dienstgeber „Meldungen über bestehende Beiträge an ... Sozialversicherungsträger“ unterlasse. „Gleicher Tatbestand“ lasse sich aus der Norm des § 111 ASVG ableiten, weil dieser Tatbestand des „ordnungswidrigen (strafbaren)“ Handelns dann erfüllt sei, wenn Meldungen oder Anzeigen nicht fristgerecht erstattet würden. Beide Normen hätten „denselben Regelungsund Schutzzweck“. Beiden Tatbeständen sei gemein, dass die Folge ihrer Verletzung in einer „Schädigung des Vermögens“ des Sozialversicherungsträgers bestehe. Der Tatbestand des Vorenthaltens „verwirkliche“ sich im Tatbestand des § 111 ASVG „hinsichtlich des Nichtmeldens von Personen, damit einhergehend das Nichtabführen von Beiträgen“. Dienstnehmerbeiträge seien jeweils bei der Lohnauszahlung vom Dienstgeber einzubehalten und „an den Sozialversicherungsträger abzuführen“. Strafbar mache sich ein Dienstgeber, der diese einbehaltenen Dienstnehmerbeiträge nicht abführe, „sie eben nicht an den Sozialversicherungsträger meldet bzw. weiterleitet“. Daraus lasse sich „jedenfalls analog“ ableiten, dass nur Beiträge vorenthalten werden könnten, „welche vom Dienstnehmer“ (gemeint: Dienstgeber) „nicht beim Sozialversicherungsträger ‚angemeldet‘ würden“. Im Umkehrschluss ergebe sich, dass „im Hinblick auf die Norm des ASVG ... Meldungen oder Anzeigen nicht erstattet werden“ und es zu einem Schaden im Vermögen des Sozialversicherungsträgers komme.
15Das Verwaltungsgericht habe richtig ausgeführt, dass das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Wien „hinsichtlich des Delikts nach § 153c StGB gemäß § 190 Z 2 StPO“ eingestellt worden sei. Dies sei allerdings mit dem Beisatz „Schuld nicht nachweisbar“ erfolgt, welcher aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht hervorgehe. Tatsächlich sei das Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft mit der Begründung gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden, dass kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestehe, dies mit dem Beisatz „Betrifft: Vorwurf nach § 146 StGB und Vorwurf des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs. 1 StGB, jeweils im Zeitraum Ende 2020 bis zum 17.03.2021 in Wien zum Nachteil der Österreichischen Gebietskrankenkasse bezüglich der nicht erfolgten Anmeldung des [T]. Die Einstellung erfolgte aus Beweisgründen“. Der Revisionswerber bemängelt in diesem Zusammenhang „die Feststellung des Verwaltungsgerichts Wien hinsichtlich des Einstellungsgrundes“. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Verwaltungsgericht erkennen müssen, dass durch die Staatsanwaltschaft Wien der Tatbestand nach § 153c StGB des Vorenthaltens von Dienstgeberbeiträgen, aber auch der Tatbestand nach § 111 Abs 1 Z 1 ASVG der nicht erfolgten Anmeldung „bereits rechtskräftig eingestellt“ worden sei, somit ein rechtskräftiger Anklageverbrauch stattgefunden habe. Wäre hierbei nicht von derselben strafbaren Handlung auszugehen, „hätte die Staatsanwaltschaft Wien nicht den Vorwurf des Vorenthaltens und zugleich das Nichtanmelden eines Dienstnehmers von vorne herein nach Prüfung des Sachverhaltes einstellen können“.
16 Zu diesem Vorbringen ist Folgendes auszuführen.
17 Gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.
18In Fällen wie dem vorliegenden, in dem sich die Frage einer unzulässigen Doppelbestrafung im Verwaltungsstrafverfahren angesichts einer vorherigen Einstellung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nach § 190 StPO stellt, setzt das Vorliegen einer Verletzung von Art. 4 des 7. ZPEMRK zunächst voraus, dass die Einstellung des Ermittlungsverfahrens als „rechtskräftiger Freispruch“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung zu werten ist. Eine Entscheidung Freispruch oder Verurteilungist dann als endgültig („final“) anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, d.h. wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. VwGH 15.4.2016, Ra 2015/02/0226).
19Nicht jeder endgültigen Entscheidung kommt die Fähigkeit zu, ein Wiederholungsverbot im Sinne des Art. 4 7. ZPEMRK zu bewirken. Im Fall einer Einstellung nach§ 190 StPO ist dabei (ausgehend von der Bejahung ihrer Rechtskraft im Sinne der Unwiderruflichkeit bzw. des Anklageverbrauchs) in einem zweiten Schritt mit Blick auf den Umfang einer Sperrwirkung zu prüfen, auf welcher inhaltlichen Basis und aufgrund welcher Prüfungstiefe diese Entscheidung ergangen ist. Eine Bindungswirkung wird nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, welche auch den Ausgangspunkt des vorangegangenen Strafverfahrens gebildet haben. Der bloße Hinweis auf eine nicht näher begründete Einstellung vermag nicht ohne Weiteres eine dem Art. 4 7. ZPEMRK entgegenstehende Sperrwirkung darzulegen (vgl. VwGH 29.5.2015, 2012/02/0238; 13.9.2016, Ra 2016/03/0083, je mwN).
20In Bezug auf das Verhältnis zwischen der in einem strafgerichtlichen Verfahren ergangenen (hier: verfahrenseinstellenden) Entscheidung und dem Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens ist zu prüfen, ob dieselben Fakten („idem“) angeklagt worden sind. Zu dieser Prüfung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. Dezember 2019, Ra 2019/02/0020, die jüngere Rechtsprechung des EGMR, der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und des Obersten Gerichtshofes wie folgt zusammengefasst:
„Zur Beurteilung der Frage, ob dieselbe strafbare Handlung im Sinn dieser Bestimmung vorliegt, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), in seiner grundlegenden Entscheidung vom 10. Februar 2009, Nr. 14939/03 (Zolotukhin), sowie dieser folgend in seinen weiteren Entscheidungen vom 16. Juni 2009, Nr. 13079/03 (Ruotsalainen), vom 25. Juni 2009, Nr. 55759/07 (Maresti), und vom 14. Jänner 2010, Nr. 2376/03 (Tsonev), die Ansicht vertreten, dass allein auf die Fakten abzustellen sei und die rechtliche Qualifikation derselben außer Betracht zu bleiben habe sowie dass eine neuerliche Strafverfolgung dann unzulässig sei, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt beziehe. In der angeführten Entscheidung im Fall Tsonev hat er mit gewisser Einbeziehung der Tatbestände der angewendeten Strafbestimmungen darauf abgestellt, ob dieselben Fakten das zentrale Element der Anschuldigungen und der beiden angewendeten Strafbestimmungen gebildet haben, und betont, dass die strafrechtliche Anklage die Fakten der Verwaltungsstraftat in ihrer Gesamtheit umfasste und umgekehrt die Verwaltungsstraftat keine Elemente enthielt, die nicht bereits in der gerichtlich strafbaren Handlung gegeben waren, wegen welcher der Beschwerdeführer verurteilt worden war (vgl. dazu VwGH 24.2.2011, 2007/09/0361).
[...] Der Verfassungsgerichtshof vertritt in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 2009, B 559/08, unter Auseinandersetzung mit der bisher ergangenen eigenen Judikatur sowie mit jener des EGMR die Ansicht, wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens sei die Verfolgung nach zwei verschiedenen Straftatbeständen zulässig, wenn und insoweit sich diese in ihren ‚wesentlichen Elementen‘ unterschieden; Art. 4 des 7. ZPEMRK schließe die Anwendung verschiedener Strafbestimmungen, die zueinander nicht im Verhältnis der Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion stehen, nicht aus. Unzulässig ist nach der im zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ausführlich dargestellten Rechtsprechung die neuerliche Strafverfolgung nach einem rechtskräftigen Freispruch oder einer rechtskräftigen Verurteilung nur dann, wenn eines der beiden Delikte den Unrechtsgehalt des anderen umfasst, sodass kein weiteres Strafbedürfnis besteht (vgl. auch VwGH 27.4.2016, 2013/05/0099, sowie erneut 24.2.2011, 2007/09/0361).
[...] Der Oberste Gerichtshof (vgl. dazu näher: OGH 18.10.2011, 12 Os 95/11d) vertritt die Auffassung, dass ungeachtet der in der Beschwerdesache Zolotukhin eingeleiteten begrifflichen Neuausrichtung auch der EGMR in seiner aktuellen Rechtsprechung im Ergebnis nicht bloß auf einen prozessualen (also rein tatsächlichen) Tatbegriff abstellt, sondern die jeweils in Rede stehenden Tatbestände (strafbaren Handlungen) insofern in die Betrachtung einbezieht, als er die Prüfung einer Übereinstimmung der Sachverhalte danach vornimmt, ob diese jeweils das wesentliche Element der (in beiden Verfahren tatsächlich vorgenommenen) Subsumtion bilden (Zolotukhin, Z 95 ff; Tsonev, Nr. 2376/03, Z 52).“
21An diesem Maßstab ist im Fall einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach den §§ 190 ff StPO zu beurteilen, ob das dem vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren vorangegangene und eingestellte gerichtliche Strafverfahren einen Gegenstand hatte, bei dem der herangezogene Deliktstypus den Unrechtsund Schuldgehalt des Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfiele, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen „in jeder Beziehung mitumfasst“ (vgl. dies verneinend im Fall der Bestrafung wegen Sammelns gefährlicher Abfälle ohne Vorliegen der erforderlichen Erlaubnis iSd. § 79 Abs. 1 Z 7 AWG 2002 nach vorhergehender Einstellung eines Ermittlungsverfahrens nach den §§ 181b, 181c StGB durch die Staatsanwaltschaft, das bereits zitierte Erkenntnis VwGH 12.11.2024, Ra 2024/07/0002).
22Die Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen ist zulässig, sofern diese sich in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden (vgl. VfGH 16.12.2010, B 343/10, VfSlg. 19.280, mwN). Gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG ist zu bestrafen, wer (u.a.) als Dienstgeber entgegen den Vorschriften des ASVG Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet; zu diesen Meldungen gehört die Anmeldung zur Pflichtversicherung vor Arbeitsantritt gemäß § 33 Abs. 1 (allenfalls iVm. Abs. 2) ASVG. Gemäß § 153c StGB ist zu bestrafen, wer als Dienstgeber Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung dem berechtigten Sozialversicherungsträger vorenthält, wobei § 153c Abs. 3 StGB die Möglichkeit der tätigen Reue bis zum Schluss der Verhandlung durch vollständige Einzahlung der ausstehenden Beiträge oder eine entsprechende Verpflichtung gegenüber dem Sozialversicherungsträger eröffnet.
23Es unterscheiden sich demnach schon die Tathandlungen voneinander: Einmal wird die unterlassene oder verspätete Meldung (hier: iVm. § 33 Abs. 1 ASVG die Anmeldung zur Vollversicherung) bestraft, das andere Mal das Vorenthalten von Beiträgen. Dabei setzt das Vorenthalten von Beiträgen voraus, dass bereits ein Entgelt ausbezahlt wurde (OGH 18.10.2023, 13 Os 61/23d), es ist aber unabhängig davon, ob der betreffende Dienstnehmer (rechtzeitig) angemeldet wurde oder nicht; umgekehrt besteht die Meldepflicht schon vor Arbeitsantritt und somit jedenfalls bereits vor dem Zeitpunkt, in dem Dienstnehmerbeiträge vorenthalten werden können. Die Tathandlungen unterscheiden sich also nicht nur voneinander, sondern es bedingt auch nicht notwendigerweise die eine Tathandlung die Verwirklichung der anderen. Auch die geschützten Rechtsgüter sind nicht deckungsgleich: § 153c StGB dient vorrangig dem Schutz der finanziellen Interessen der Versichertengemeinschaft, was auch die weitgehende Möglichkeit der tätigen Reue zeigt; bei § 111 Abs. 1 Z 1 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG geht es hingegen in erster Linie darum, dass die für das Versicherungsverhältnis wesentlichen Tatsachen insbesondere die Beitragsgrundlagenohne Verzögerung (und damit auch entsprechend überprüfbar) gemeldet werden, was vor allem im Interesse des einzelnen Versicherten im Hinblick auf (künftige) Leistungen liegt. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass es sich bei § 153c StGB um ein Vorsatzdelikt handelt, während für die Begehung der Verwaltungsübertretung des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG Fahrlässigkeit genügt.
24Der Revisionswerber weist zur Begründung der von ihm geltend gemachten Identität zwischen (einerseits) der strafbaren Handlung im Sinn des § 153c StGB und darauf bezogendem im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren im Raum stehenden Vorwurf eines Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen iSd § 153c StGB (einerseits) und dem vorliegenden Vorwurf einer Übertretung des § 111 ASVG wegen unterbliebener Anmeldung des Dienstnehmers (andererseits) auf den Umstand hin, dass in dem Schreiben, mit dem die Staatsanwaltschaft den Revisionswerber über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens informiert habe, auch darauf Bezug genommen worden sei, dass die Tatvorwürfe, wegen derer die Einstellung erfolgte, mit dem Zusatz „zum Nachteil der Österreichischen Gebietskrankenkasse bezüglich der nicht erfolgten Anmeldung des [T]“ umschrieben worden seien.
25 Dieses Revisionsvorbringen steht zwar insofern mit der Aktenlage im Einklang, als sich im Akt des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Kopie einer von der Staatsanwaltschaft Wien stammenden Benachrichtigung von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens findet, in welcher Folgendes ausgeführt wurde:
„Die Einstellung erfolgte gemäß § 190 Z 2 StPO, weil kein tatsächlicher Gund zur weiteren Verfolgung besteht. Beisatz: Betrifft Vorwurf des Betrugs nach § 146 StGB und Vorwurf des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB, jeweils im Zeitraum von Ende 2020 bis zum 17.3.2021 in Wien zum Nachteil der Österreichischen Gesundheitskasse bezüglich der nicht erfolgten Anmeldung des [T]. Die Einstellung erfolgte aus Beweisgründen.“
26Der Hinweis des Revisionswerbers erweist sich aber im Zusammenhang mit dem das Delikt des § 153c StGB betreffenden Teilaspekt des erwähnten Ermittlungsverfahrens schon deswegen als nicht zielführend, weil der Umstand der „nicht erfolgten Anmeldung“ des Dienstnehmers wie sich aus dem Vorgesagten ergibtnicht als Bestandteil der nach dem Tatbestand des § 153c StGB geprüften Sachverhaltssubstrats zu behandeln war und weil auch kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass die Staatsanwaltschaft diesen Aspekt unter dem Titel des § 153c StGB in ihre Prüfung einbezogen und damit zum Gegenstand ihres darauf gestützten Vorwurfs und letztlich der der Einstellung zugrunde liegenden Prüfung gemacht hat.
27Soweit sich diese Einstellung auf das Delikt des § 153c StGB bezog, lässt sich daher bereits aufgrund des Vorgesagten festhalten, dass die Einstellung des Ermittlungsverfahrens insofern keine Sperrwirkung entfaltete, die einer Strafverfolgung nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG entgegengestanden wäre.
28 Zusätzlich ergibt sich dies darüber hinaus aber auch daraus, dass es sichsowohl beim Delikt des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 153c StGB) als auch jenem des Betrugs (§ 146 StGB)um Vorsatzdelikte handelt. Die Sperrwirkung einer staatsanwaltschaftlichen Einstellungsentscheidung kann unter den hier gegebenen Umständen nicht auch für die Verfolgung und Bestrafung wegen einer bloß fahrlässigen Übertretung des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG bestehen. Eine Sanktionierung des Fahrlässigkeitsdelikts, das es im gegebenen Zusammenhang nur im Verwaltungsstrafrecht, nicht aber im gerichtlichen Strafrecht gibt, wird insofern durch die Subsidiaritätsklausel des § 22 VStG nicht ausgeschlossen (vgl. in diesem Sinn zur Zulässigkeit einer Bestrafung wegen der fahrlässigen Begehung der Verwaltungsstraftat, auch wenn diese [nur] hinsichtlich der vorsätzlichen Begehungsform gegenüber der gerichtlichen Straftat subsidiär wäre, VwGH 6.3.2025, Ra 2023/02/0203, mwN). Auch die vorliegende Einstellung durch die Staatsanwaltschaft kann nur dahin gedeutet werden, dass sich diese auf den Vorwurf von den Vorsatzdelikten der §§ 153c und 146 StGB entsprechenden Tathandlungen bezieht; hinsichtlich eines Verfahrens wegen einer bloß fahrlässig begangenen Übertretung des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG kann daraus keine Sperrwirkung resultieren.
29Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde bloß eine fahrlässige Übertretung des § 111 ASVG sanktioniert, weshalb darin nach dem Vorgesagten keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots (bzw des § 22 VStG) zu sehen ist.
30Soweit in der Revision die Rechtswidrigkeit der Bestrafung nach § 111 ASVG mit dem Argument geltend gemacht wird, dass sich das Verwaltungsgericht darüber hinweggesetzt habe, dass die Einhaltung der Meldepflichten gemäß § 35 Abs. 3 ASVG an eine näher genannte Person übertragen worden sei, ist dem nicht beizupflichten.
31 Die hier anzuwendendedem § 9 VStG vorgehende (vgl. VwGH 8.9.2010, 2010/08/0162)Verwaltungsvorschrift des § 35 Abs. 3 ASVG sieht eine Übertragung der Erfüllung der dem Dienstgeber nach den §§ 33 f ASVG obliegenden Pflichten (Anund Abmeldung der Pflichtversicherten, Meldung von Änderungen) auf Bevollmächtigte vor, die dann auch nach § 111 ASVG allein strafbar sind. Voraussetzung für eine solche Übertragung ist, dass Name und Anschrift der Bevollmächtigten unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekannt gegeben werden (VwGH 5.6.2019, Ra 2016/08/0088).
32Der Revisionswerber hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht über Befragen des Verhandlungsleiters angegeben, dass er eine (näher genannte) Person als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen „dem Arbeitsinspektorat gemeldet“ habe; eine „Meldung an die ÖGK gemäß § 35 Abs. 3 ASVG“ habe er „nicht erstattet“.
33Dem Verwaltungsgericht ist angesichts dieses Ermittlungsergebnisses und vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgegangen ist, dass keine gemäß § 35 Abs. 3 ASVG rechtswirksame Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung auf die genannte Person erfolgt ist und deshalb für den gesamten Tatzeitraum die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der maßgeblichen Rechtsvorschriften den Revisionswerber getroffen hat.
34 Im weiteren Revisionsvorbringen bestreitet der Revisionswerber die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass T im strittigen Zeitraum als Dienstnehmer der I GmbH anzusehen gewesen sei.
35 Dem Beweisverfahren sei eindeutig zu entnehmen, dass „ein rechtsgültig abgeschlossener Arbeitskräfteüberlassungsvertrag“ vorgelegen sei, aus welchem sich eindeutig die rumänische Firma TL SRL „samt gültiger Registrierungsnummer“ ergebe. Diese „endgültig gegründete“ rumänische Firma stelle kein Umgehungskonstrukt dar. Bereits deshalb müsse auch davon ausgegangen werden, dass die Begründung des Hauptwohnsitzes durch Herrn T in Rumänien nicht Bestandteil einer vermeintlichen Umgehungskonstruktion sein könne; die Wahl des Hauptwohnsitzes müsse jeder Person selbst überlassen bleiben, dies umso mehr, als es sich bei Rumänien um das Heimatland des T handle. Er habe seine „Sozialversicherungsabgaben“ in Rumänien geleistet. Es sei auch verfehlt, aus dem Umstand, dass die Tätigkeit des T für die I GmbH die gleiche geblieben sei, auf eine Umgehung zu schließen. Es könne dem T auch nicht zum „Vorwurf“ gemacht werden, dass er seine Tätigkeit als LKW Chauffeur für Unternehmen im EU Raum, sohin auch in Österreich, ausübe. Dies ändere nichts daran, dass er als Eigentümer der neu gegründeten Firma seine eigene Arbeitskraft zur Verfügung stelle. Träfe die Ansicht des Verwaltungsgerichts zu, könnten auch „eingetragene Unternehmer“ in Österreich ihre eigene Arbeitskraft nicht einem anderen Unternehmen anbieten. In seinen weiteren Ausführungen beruft sich der Revisionswerber darauf, dass T seine „selbständige Erwerbstätigkeit“ in Rumänien ausgeübt habe und diese daher gemäß Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 der Zuständigkeit Rumäniens unterliege. Er beruft sich in diesem Zusammenhang auf Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009, wonach von den vom Träger eines Mitgliedstaates ausgestellten Dokumenten, in denen der Status der Person für die Zwecke der Anwendung der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und 987/2009 bescheinigt werde, eine Bindungswirkung ausgehe. Im Beweisverfahren seien ein „rechtsgültig abgeschlossener“ Arbeitskräfteüberlassungsvertrag sowie ein „Zertifikat sowie ein Auszug der Europäischen Kommission des MIAS“ (Anmerkung: Mehrwertsteuer Informationsaustauschsystem) vorgelegt worden, aus dem die ordnungsgemäße Registrierungsnummer sowie die „MWSt Nummer der neu gegründeten Firma in Rumänien“ entnommen werden könnten.
36 Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die genannten Urkunden schon angesichts ihres jeweils behaupteten Inhalts und Urhebers nicht als Bescheinigungen eines Trägers in Rumänien qualifizieren lassen, denen Bindungswirkung im Sinne der Verordnungen (EG) Nr. 987/2009 und Nr. 883/2004 beigemessen werden könnte.
37Für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG (und damit auch für die Beurteilung, ob es sich bei der Tätigkeit des T für die I GmbH um ein Dienstverhältnis bei der I GmbH gehandelt hat), ist gemäß § 539a Abs. 1 ASVG in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Das Verwaltungsgericht ist im Hinblick auf den (auch in der Revision nicht in Frage gestellten) Umstand, dass T bereits im Zeitraum von 8. November 2018 bis 6. November 2020 als LKW Fahrer Dienstnehmer einer ebenfalls vom Revisionswerber vertretenen GmbH war, davon ausgegangen, dass bei der von 9. November 2020 bis 17. März 2021 verrichteten (somit fast unmittelbar zeitlich anschließenden) Tätigkeit des T für die I GmbH von einem „unveränderten wirtschaftlichen Gehalt“ dieser Tätigkeit auszugehen sei, welche ungeachtet des Vorliegens formal verwirklichter Umstände (wie der Gründung und Registrierung eines Personalüberlassungsunternehmens durch T in Rumänien und der vertraglichen Ausgestaltung seiner Tätigkeit für die I GmbH als „Überlassung“ seiner Arbeitskraft von diesem Unternehmen an die I GmbH) als Dienstverhältnis des T (als Dienstnehmer) bei der I GmbH (als Dienstgeber) zu qualifizieren sei. Es zog neben den genannten Umständen dabei auch in Betracht, dass geltend gemacht wurde, dass T sowohl Inhaber (Gründer) des Personalüberlassungsunternehmens als auch dessen überlassene Arbeitskraft sei. Bereits der letztgenannte Umstand der „Selbstüberlassung“ des Unternehmensinhabers T an die I GmbH deutet auf eine Nichtübereinstimmung zwischen der äußeren Erscheinungsform und dem wahren wirtschaftlichen Gehalt des Geschehens hin (vgl. zu einer insofern vergleichbaren Konstellation, das hg. Erkenntnis VwGH 10.4.2013, 2013/08/0042, in dem angesichts des Umstandes, dass der Komplementär einer KG nicht gleichzeitig deren Dienstnehmer sein kann, festgehalten wurde, dass dies auch entschieden gegen die Annahme einer Überlassung seiner Arbeitskraft an einen anderen Dienstgeber spricht). Das Revisionsvorbringen lässt eine Fehlerhaftigkeit der vom Verwaltungsgericht anhand des wahren wirtschaftlichen Gehalts vorgenommenen Qualifikation der Beschäftigung des T als Dienstverhältnis zur I GmbH nicht erkennen. Aus dieser Qualifikation folgt auch die Zuständigkeit Österreichs nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004.
38Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
39Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 20. November 2025
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