Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. M. Mayr als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 30. Juni 2021, LVwG 1 14/2021 R10, betreffend Übertretung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz; mitbeteiligte Partei: W U in W, vertreten durch Mag. Martin Paar, Mag. Hermann Zwanzger und Mag. Tobias Praschl Bichler, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Argentinierstraße 21/10), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 26. November 2020 wurde der Mitbeteiligten in ihrer Funktion als Vorstand einer näher genannten Gesellschaft und damit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortliche zur Last gelegt, die Gesellschaft habe gegen § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) verstoßen, indem zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen in Form einer Kombination von mehr als zehn Einzelsportwetten durchgeführt worden seien. Der Mitbeteiligten wurden eine Geld sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe auferlegt und ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben.
2 Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) gab der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Unter einem sprach es aus, dass gegen sein Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.
3 Nach den auf das Wesentliche zusammengefassten Feststellungen des Verwaltungsgerichts sei bei einem Testspiel im Rahmen einer behördlichen Kontrolle von der näher genannten Gesellschaft eine Wette in der Form einer Kombination aus zwölf Einzelwetten auf die Ergebnisse von frei wählbaren, in der Zukunft liegenden Fußballspielen abgeschlossen worden. Dies sei so abgelaufen, dass sich der Wettkandidat zu einem Reservierungsterminal begeben, die Wetten sowie den Wetteinsatz ausgewählt und dies auf einer „Membercard“ gespeichert habe. Mit dieser „Membercard“ sei der Wettkandidat zum Angestellten im Lokal an der Kasse gegangen, der die Wette eingegeben und abgeschlossen habe. Der Wettkandidat habe einen Bon zur Bestätigung des Wettabschlusses bekommen. In diesem Zusammenhang stellte das Verwaltungsgericht fest, es liege kein Glücksspiel, sondern der Abschluss einer Wette vor, deren Ergebnis nicht überwiegend vom Zufall abhänge. Damit fehle es bereits auf der objektiven Seite an einer Übertretung des GSpG.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision. Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurück , in eventu Abweisung der Revision beantragt.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
8 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 19.4.2023, Ra 2023/17/0061, mwN).
9 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist Zweck der Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 VwGG bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. VwGH 29.8.2019, Ro 2018/17/0015, mwN). Das Verwaltungsgericht hat in der Begründung zum Ausspruch der Zulässigkeit der Revision daher (kurz) darzulegen, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof (erstmals) zu lösen hat (vgl. VwGH 16.10.2023, Ro 2021/05/0037).
10 Das Verwaltungsgericht hat ausgesprochen, die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob es sich bei Vorliegen einer Kombinationswette von mehr als zehn Einzelwetten um ein Überwiegen der Zufallseinflüsse handle und somit bei einer Kombinationswette mit mehr als zehn Einzelwetten davon ausgegangen werden müsse, dass es sich dabei um ein Glücksspiel handle und „somit der Rechtsansicht des BMF zu folgen wäre“.
11 Reicht die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für deren Zulässigkeit nicht aus oder erachtet der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben, hat der Revisionswerber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen (vgl. VwGH 20.4.2023, Ro 2022/05/0018, mwN).
12 In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen bezüglich jeder von ihr über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts hinaus als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt (vgl. VwGH 11.1.2023, Ro 2020/05/0007, mwN).
13 Das Verwaltungsgericht begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass ein Überwiegen von Zufallseinflüssen bei der verfahrensgegenständlichen Kombinationswette nicht vorliege, da jede Wette vom Wettkunden selbst gewählt werde und auch aufgrund des Vorwissens über die gewählten Fußballmannschaften entsprechend ein Tipp abgegeben werde. Dieser Vorgang stehe im Gegensatz zum Glücksspiel, wo bei einem Spieleinsatz keine Einflussmöglichkeit auf den gewählten Spielablauf möglich sei.
14 Vor diesem Hintergrund wird in der Zulässigkeitsbegründung über die Wiedergabe der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts hinaus zunächst vorgebracht, die verfahrensgegenständlichen „Kombiwetten“, bestehend aus zwölf Teilwetten, seien „auf jeden Fall als Glücksspiel im Sinne von § 1 GSpG zu beurteilen, und fraglich bzw. vom Verwaltungsgerichtshof zu klären wäre nach Ansicht des Revisionswerbers nicht, ob, sondern nur ab wann, also ab welchen Kumulationsgrad, Kombiwetten als Glücksspiel zu beurteilen“ seien.
15 Damit zeigt der Revisionswerber eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf.
16 Nach § 1 Abs. 1 GSpG ist ein Glücksspiel im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.
17 Ein Zufall liegt vor, wenn der Erfolg weder von zielbewusstem Handeln oder der Geschicklichkeit oder allein vom Belieben der beteiligten Personen abhängt, sondern wenn auch weitere Bedingungen dazu treten müssen, die außerhalb des Willens der beteiligten Personen liegen (vgl. VwGH 2.7.2015, Ro 2015/16/0019, mwN).
18 Bei dem Umstand, welche Rolle bei den Spielen der Zufall in Relation zu anderen Faktoren spielt, handelt es sich um eine von der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht zu erhebende Sachfrage, die allenfalls auch im Wege der Einholung eines einschlägigen Sachverständigengutachtens zu beantworten ist (vgl. idS VwGH 18.12.1995, 95/16/0047).
19 In der Zulässigkeitsbegründung geht der Revisionswerber wie dargestellt von der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass das Ergebnis des gegenständlichen Spiels nicht überwiegend vom Zufall abhänge, ab. Damit wendet sich der Revisionswerber aber gegen die im Revisionsfall getroffenen Sachverhaltsfeststellungen betreffend die hier vorliegenden Spiele und letztlich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts.
20 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 27.10.2023, Ro 2019/17/0005, mwN). Das bloß abstrakte und nicht fallbezogene Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision, das Zufallselement würde bei der verfahrensgegenständlichen Kombinationswette bereits aufgrund der Kumulierung der Zufallselemente sämtlicher Einzelwetten überwiegen, zeigt einen solchen Fehler jedoch noch nicht auf. Dass dem Verwaltungsgericht bei seiner Beweiswürdigung konkrete, vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Fehler unterlaufen wären, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht dargetan.
21 Wenn der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision weiters vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen einer Sportwette abgewichen, so kann darin schon deshalb keine für den Ausgang dieses Verfahrens relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erblickt werden, weil es nach § 1 Abs. 1 GSpG nur darauf ankommt, ob bei einem konkreten Spiel (hier eine Kombinationswette) die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängt und nicht, ob begrifflich eine Sportwette gegeben ist.
22 Zuletzt bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision unkonkretisiert vor, es stehe die Frage im Raum, ob „Kombiwetten“ geradezu das Glücksspiel Toto darstellten.
23 Gemäß § 7 GSpG ist das Toto eine Ausspielung, bei der ein Veranstalter Wetten über den Ausgang mehrerer sportlicher Wettkämpfe (Kollektivwetten) annimmt und durchführt. Die Gewinnsumme wird auf mehrere Gewinnränge aufgeteilt; alle Gewinne desselben Gewinnranges sind gleich hoch. Das Ergebnis von Wettkämpfen, die entfallen, nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt stattfinden oder ihren Wettkampfcharakter geändert haben, ist durch eine öffentliche Ziehung zu ersetzen (Ersatzziehung).
24 Entscheidend dafür, ob ein Spiel unter dem Begriff des „Sporttoto“ fällt oder nicht, ist die Auslegung des § 7 GSpG. Dabei ist zu beachten, dass der zweite Satz dieser Gesetzesstelle („Die Gewinnsumme wird auf mehrere Gewinnränge aufgeteilt; alle Gewinne desselben Gewinnranges sind gleich hoch“) wesentlicher Bestandteil der gesetzlichen Definition des Sporttotos ist (vgl. VwGH 23.12.1991, 89/17/0258 zum wortgleichen § 20a Abs. 2 Glücksspielgesetz 1962, BGBl. Nr. 169/1962, idF BGBl. Nr. 292/1986). Dass im Revisionsfall diese Voraussetzungen vorlägen, wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt.
25 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 26. Jänner 2024
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