W604 2298837-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Herbert PLESCHBERGER als Vorsitzenden und die Richterin Mag.a Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzende über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Landesstelle XXXX ) vom 31.07.2024, GZ. XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides geändert, sodass er wie folgt zu lauten hat:
Dem Antrag der XXXX , geboren am XXXX , auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vom 19.02.2024 wird stattgegeben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die belangte Behörde, das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice), hat der Beschwerdeführerin am 23.05.2019 einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt, einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH eingetragen und die Zusatzeintragungen „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“, „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ und „Die Inhaberin des Passes ist Trägerin einer Orthese“ vorgenommen.
2. Am 19.02.2024 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StVO, welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gilt.
3. Mit Bescheid vom 31.07.2024 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der beschriebenen Zusatzeintragung in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG unter Hinweis auf die wesentlichen Ergebnisse des abgeführten medizinischen Beweisverfahrens abgewiesen.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 06.09.2024 erhobene Beschwerde, mittels welcher die Beschwerdeführerin weitere Beweismittel in Aussicht stellt und ihr fehlendes Einverständnis zum Ausdruck bringt.
5. Zur Überprüfung der medizinischen Gegebenheiten holte das Bundesverwaltungsgericht ein Gutachten eines Sachverständigen der Fachrichtung Unfallchirurgie auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin mit dem Ergebnis ein, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der begehrten Zusatzeintragung vorlägen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin, XXXX , geboren am XXXX , hat ihren Wohnsitz im Inland und verfügt über einen Behindertenpass. Am 19.02.2024 beantragte sie die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass. Die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 31.07.2024 mit Einlangen am 06.09.2024 erhobene Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit Erledigung vom 10.09.2024, eingelangt am 11.09.2024, vorgelegt. Gegen das von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten wurden keine Einwendungen erhoben.
1.2. Bei der Beschwerdeführerin liegt folgende Gesundheitsschädigung vor:
1.2.1. Leberzirrhose
1.2.2. Abnützungen der Wirbelsäule, Wirbelgleiten L4/5, Lumboischialgie
1.2.3. Insulinpflichtiger Diabetes mellitus
1.2.4. Depression
1.2.5. Karpaltunnelsyndrom beidseits
1.2.6. Gallensteine
1.2.7. Schilddrüsenunterfunktion
1.2.8. Bluthochdruck
1.3. Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
1.3.1. Die bei der Beschwerdeführerin bestehende Leberzirrhose erschwert im Zusammenwirken mit den Abnützungen der Wirbelsäule die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in erheblichem Ausmaß. Es besteht eine ausgeprägte Müdigkeit und Abgeschlagenheit sowie eine allgemeine Muskelschwäche, welche im Zusammenwirken mit dem Wirbelsäulenleiden eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit nach sich ziehen. Die Beschwerdeführerin ist nicht in der Lage, eine kurze Wegstrecke (ungefähr 300 bis 400 Meter) aus eigener Kraft ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne maßgebende Unterbrechung zurückzulegen, Niveauunterschiede sicher zu überwinden und sich während der Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln ausreichend stabil festzuhalten. Ein sicherer Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Identität der Beschwerdeführerin sowie deren inländischer Wohnsitz ergeben sich wie auch die Daten zur Antragstellung und der Beschwerdevorlage aus den diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Aktenunterlagen, entsprechende Umstände finden sich in zweifelsfreier aktenkundiger Dokumentation. Die Verfahrensparteien sind der gutachterlichen Beurteilung im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs nicht entgegengetreten, entsprechende Eingaben sind nicht erfolgt.
2.2. Die Feststellungen zu den vorliegenden Gesundheitsschädigungen stützen sich auf das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten des medizinischen Sachverständigen XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie. Das Gutachten ist hinsichtlich der festgestellten Funktionseinschränkungen - basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 12.05.2025 und den vorgelegten medizinischen Beweismitteln - vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wird auf die Art der bestehenden Leiden und deren Ausmaß eingegangen und sind die vorgelegten Beweismittel in die Beurteilung eingeflossen, der befasste Sachverständige hat sich damit auseinandergesetzt und einen umfassenden klinischen Befund erhoben. Die Untersuchungsergebnisse wurden im Hinblick auf gegebene Funktionseinschränkungen bewertet, die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
2.3. Die Feststellungen zu den Auswirkungen der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen auf die Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel beruhen auf dem eingeholten Sachverständigengutachten XXXX vor dem Hintergrund der klinischen Untersuchung und in Zusammenschau mit den vorgelegten medizinischen Beweismitteln. Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch ist dem Vorbringen sowie den vorliegenden Beweismitteln kein überzeugender Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Die Abweichung zur behördlichen Beurteilung resultiert aus dem im Rahmen persönlicher Untersuchung fachärztlich objektivierten Ausmaß des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Beweismittel.
2.3.1. Der befasste Sachverständige erläutert anschaulich, dass es bei der bestehenden Grunderkrankung der Beschwerdeführerin um eine fortgeschrittene nichtalkoholische Leberzirrhose Child B handle, aufgrund welcher die Beschwerdeführerin an hochgradigem Aszites, Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Muskelschwäche leide. Er führt dazu weiter aus, dass es sich bei dieser Erkrankung nicht um eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der diesbezüglichen Aufzählung in den Erläuterungen zur VO über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen handle, dass aber der bei der Beschwerdeführerin bestehende Gesundheitszustand dessen ungeachtet eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit darstelle. Damit im Einklang habe auch im Rahmen der persönlichen Untersuchung objektiviert werden können, dass bei der Beschwerdeführerin ein nur mäßiger Allgemeinzustand vorliege, das Abdomen sich aufgetrieben gezeigt habe und sich die Haut blass und graugelblich verfärbt präsentiert habe. Diese Beurteilung findet letztlich ein tragfähiges Fundament am Boden der vorliegenden Befundlage. Der Sachverständige stellt schließlich schlüssig dar, dass bei der Beschwerdeführerin zudem Abnützungen der Wirbelsäule mit Wirbelgleiten L4/5 und Lumboischialgie mit resultierenden Funktionseinschränkungen mittleren Grades bestünden, welche in Zusammenwirken mit der gegebenen Glutäalmuskelatrophie und der, der Grunderkrankung immanenten allgemeinen Muskelschwäche insgesamt eine erhebliche Erschwernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darstellten.
Das Unvermögen der Beschwerdeführerin, kürzere Wegstrecken ohne maßgebliche Unterbrechung und ohne fremde Hilfe zurückzulegen, öffentliche Verkehrsmittel zu besteigen bzw. diesen zu entsteigen sowie in diesen gefährdungsfrei transportiert zu werden, steht angesichts vorstehender Ausführungen nicht in Zweifel.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.1. Zu Spruchpunkt A):
3.1.1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 1 Abs. 2 BBG).
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50vH (50%) ist nach Maßgabe der in § 40 Abs. 1 BBG näher bezeichneten Voraussetzungen auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erlassen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird.
Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist nach § 1 Abs. 4 der zum BBG ergangenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist;
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen).
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird u.a. Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensations-möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel u.a. dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert (die Wegstrecke von 300 bis 400m anerkennend VwGH 27.01.2015, GZ. 2012/11/0186; 27.05.2014, GZ. Ro 2014/11/0013; zu Prüfungserfordernissen hinsichtlich der zurückzulegenden Gehstrecke VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128). Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, GZ. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (VwGH 23.05.2012, GZ. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie 22. Oktober 2002, GZ. 2001/11/0242, 27.01.2015, GZ. 2012/11/0186).
Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass ausgestellt. Im Mittelpunkt der Überlegungen zur beantragten Zusatzeintragung befinden sich die bestehenden Leidenszustände, Art und Ausmaß der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen sowie deren konkrete Auswirkungen auf die Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel. Mit Blick auf den feststehenden Sachverhalt ist die Beschwerdeführerin auf Grund der bestehenden Einschränkung ihrer körperlichen Belastbarkeit nicht in der Lage, erforderliche Wegstrecken ohne erhebliche Pausen zurückzulegen, Niveauunterschiede zu überwinden, sich während der Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln festzuhalten und sohin sicher befördert zu werden. Die Voraussetzungen zur Vornahme der begehrten Zusatzeintragung liegen damit im Ergebnis vor, weshalb dem dahingehenden Antrag zu entsprechen und der Beschwerde Folge zu geben ist.
3.1.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Die Verhandlung kann u.a. entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (u.a. VwGH 01.09.2022, Ra 2021/03/0163 unter Verweis auf EGMR 18.7.2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; EGMR 08.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä/Estland).
Maßgebend für die gegenständliche Beschwerdeentscheidung über den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Zur Klärung des diesbezüglichen Sachverhaltes hat das Bundesverwaltungsgericht vom Sachverständigenbeweis Gebrauch gemacht und ein weiteres auf persönlicher Untersuchung basierendes unfallchirurgisches Sachverständigengutachten eingeholt. Im Rahmen des gerichtlich veranlassten Parteiengehörs haben die Verfahrensparteien vom zugrunde gelegten Sachverständigenbeweis vollinhaltlich Kenntnis erlangt, bei dieser Gelegenheit aber keine Einwendungen erhoben oder ein entgegenstehendes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet, sodass Bestreitungen der entscheidungswesentlichen Tatsachen oder der diese stützenden beweiswürdigenden Erwägungen damit nicht länger zu sehen sind.
Im Ergebnis ist der Sachverhalt geklärt und lässt die Aktenlage mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen erkennen, dass eine weitere Klärung der Rechtssache durch eine mündliche Erörterung nicht zu erwarten ist. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann daher unterbleiben (vgl. zum Entfall der mündlichen Verhandlung u.a. VwGH 20.02.2023, Ra 2022/11/0144; zu den verfassungsgesetzlichen Implikationen vgl. etwa VfGH E 1873/2020; VfGH 09.06.2017, E 1162/2017).
3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision in Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die vorliegende Entscheidung hängt von im Einzelfall zu beurteilenden Tatsachenfragen ab, maßgebend sind die Art der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen, deren Ausmaß und die im konkreten Fall bestehenden Auswirkungen auf die Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige in Klammern zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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