Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Müller im Konkursverfahren der A* GesmbH, FN **, **, Masseverwalter Mag. B*, Rechtsanwalt in Wien, über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 3.7.2025, ** 25, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Die A* GmbH ( Schuldnerin) mit Sitz in ** ist seit 13.3.2020 zu FN ** im Firmenbuch eingetragen. Ihr Geschäftszweig ist das Baugewerbe. Selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer und Alleingesellschafter ist C*, geboren am **.
Mit Beschluss vom 11.11.2024 eröffnete das Erstgericht über das Vermögen der Schuldnerin das Konkursverfahren und bestellte Mag. B* zum Masseverwalter (ON 1).
Der Masseverwalter berichtete am 15.1.2025, dass die Umsätze seit Insolvenzeröffnung im Rahmen der Erwartungen lägen. Die Schuldnerin beabsichtige im Hinblick auf die Entschuldung durch einen Sanierungsplan weiterhin die Fortführung des Unternehmens. Der Alleingesellschafter sei zur Volleinzahlung der Stammeinlage aufgefordert worden. Bisher sei eine Zahlung von EUR 4.200, erfolgt. Es seien Forderungen im Ausmaß von EUR 116.720,54 angemeldet worden, davon EUR 60.605,51 von der Republik Österreich als Abgabenbehörde (ON 8).
In der allgemeinen Prüfungstagsatzung mit Gläubigerversammlung und Berichtstagsatzung berichtete der Masseverwalter, dass die Voraussetzungen für eine Fortführung des Unternehmens gegeben seien und die Erfüllung eines Sanierungsplans voraussichtlich möglich sein werde. Beschlossen wurde, das schuldnerische Unternehmen weiterzuführen. Dem Schuldner wurde zur Stellung eines Sanierungsplanantrags eine Frist von 14 Tagen eingeräumt (ON 9).
In seinem dritten Bericht vom 17.2.2025 wies der Masseverwalter darauf hin, dass Jahresabschlüsse und die zugrundeliegende Buchhaltung zurückreichend bis zur Gründung fehlen. Es seien auch keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben worden. Der Geschäftsführer sei vom Masseverwalter daher aufgefordert worden, bis 20.3.2025 die gesamte Buchhaltung aufzuarbeiten und die fehlenden Steuererklärungen zu erstellen. Die Masse werde nicht für die mit dem Verfassen der Abgabenerklärungen erforderlichen Kosten aufkommen, sondern die Schuldnerin müsse für eine Finanzierung von dritter Seite sorgen. Sollten bis 20.3.2025 keine ordnungsgemäße Buchhaltung und darauf aufbauend auch die Steuererklärungen vorliegen, werde er einen Schließungsantrag stellen. Von den angemeldeten Forderungen in Höhe von EUR 116.720,54 seien Forderungen im Ausmaß von EUR 93.220,94 anerkannt (ON 12).
In seinem vierten Bericht vom 19.3.2025 wies der Masseverwalter darauf hin, dass die Schuldnerin zwar Umsatzerlöse von EUR 46.927,78 erwirtschaften konnte, denen jedoch ein Betriebsaufwand von EUR 33.410,88 gegenüberstehe. Der Einbringung eines Sanierungsplanantrags stehe entgegen, dass seit der Gründung keine einzige Abgabenerklärung abgegeben worden sei, die Jahresabschlüsse und auch die zugrundeliegende Buchhaltung würden nach wie vor fehlen. Die Frist für die Aufarbeitung der Buchhaltung sei der Schuldnerin bis 10.4.2025 verlängert worden (ON 13).
Am 7.4.2025 überreichte der Geschäftsführer der Schuldnerin einen Sanierungsplanantrag. Die Summe der bisher festgestellten Konkursforderungen betrage EUR 93.220,54. Daraus errechne sich die angebotene Sanierungsplanquote von 50 % mit EUR 46.610,27. Das Unternehmen sei positiv fortgeführt worden. Auf dem Massekonto befinde sich ein Guthaben von EUR 22.875,93. Vorgeschlagen werde, dass die Insolvenzgläubiger eine Quote von 50 % ihrer Forderungen innerhalb von zwei Jahren ab Abnahme des Sanierungsplans erhalten, zahlbar in vier Raten zu je 12,5 % binnen 6, 12, 18 und 24 Monaten ab Annahme des Sanierungsplans. Die Massegläubiger würden voll befriedigt werden (ON 14).
In seinem Schlussbericht vom 9.4.2025 teilte der Insolvenzverwalter mit, dass die Umsätze der Schuldnerin weiterhin deutlich unter den Prognosen von EUR 30.000, brutto monatlich lägen. Der Erlös aus der Fortführung selbst betrage insgesamt lediglich EUR 17.941,45 , das Guthaben am Massekonto EUR 26.141,45.
Es sei mittlerweile die Buchhaltung des Jahres 2020 aufgearbeitet und die Abgabenerklärung für 2020 erstellt worden. Es sei jedoch abzusehen, dass es noch mehrere Wochen dauern würde, die restlichen Abgabenerklärungen zu verfassen und einzureichen, zumal ab 2023 nicht einmal eine rudimentäre Buchhaltung existiere.
In den Saldenlisten würden zwei Darlehen aufscheinen: eines an einen Gesellschafter (wahrscheinlich C*), das per Ende 2022 mit EUR 17.772,71 aushafte, sowie eines an D*, welches per 2021 in Höhe von EUR 25.375, offen sei. Die beiden Darlehen entsprächen in etwa dem Überschuss, den die Schuldnerin in diesen Jahren gemacht habe.
Aus der mittlerweile erstellten Körperschaftssteuererklärung 2020 ergebe sich eine Nachforderung für das Jahr 2020 in Höhe von EUR 7.391, . Bei erklärungsgemäßer Veranlagung käme es bei der Umsatzsteuer 2020 zu einer Nachzahlung in Höhe von EUR 16.687,94 . Aus der Saldenliste für 2021 ergebe sich eine Umsatzsteuernachforderung von EUR 43.611,45 ; aus jener für 2022 eine Umsatzsteuernachforderung von EUR 45.505,48 .
Die Abgabenbehörde habe in ihrer Forderungsanmeldung lediglich die Jahre ab 2022 berücksichtigt und für diese aufgrund von Schätzungen Abgabenforderungen in Höhe von EUR 60.605,51 ermittelt und angemeldet. Es zeige sich, dass alleine die potentiellen Umsatzsteuernachforderungen für 2021 und 2022 die angemeldete Abgabenforderung übersteigen würden. Rechne man ausgehend von den Jahren bis 2022 die zu entrichtenden Abgaben hoch, käme man für die Jahre 2020 bis 2024 geschätzt auf Körperschaftssteuer von zumindest EUR 27.221, und Umsatzsteuer von zumindest EUR 185.804,87 . Es sei daher davon auszugehen, dass die vom Finanzamt aufgrund von Schätzungen angemeldete Forderung für die Jahre 2020 bis 2024 zu gering bemessen worden sei.
Einem Sanierungsplan stünde daher der fakultative Unzulässigkeitsgrund des § 142 Z 2 IO entgegen, weil es aufgrund des Mangels geschäftliche Aufzeichnungen nicht möglich sei, einen hinreichenden Überblick über die Vermögenssituation der Schuldnerin zu gewinnen (ON 16).
In der nachträglichen Prüfungstagsatzung, Sanierungsplantagsatzung und Schlussrechnungstagsatzung am 5.5.2025 zog der Geschäftsführer der Schuldnerin den Sanierungsplanantrag zurück. Es sei abzusehen, dass eine Abstimmung über seinen Sanierungsplanantrag nicht positiv ausfallen würde, sofern es überhaupt dazu käme. Selbst bei positivem Ausgang wäre eine Erfüllung des Sanierungsplans zweifelhaft (ON 22).
Am 12.6.2025 beantragte der Masseverwalter die Schließung des Unternehmens. Bisher sei keine steuerliche und buchhalterische Aufarbeitung für die seit 2021 nicht erstellten Jahresabschlüsse erfolgt. Seit der Sanierungsplantagsatzung seien nur geringfügige weitere Einnahmen in Höhe von EUR 2.470,11 brutto erwirtschaftet worden. Erlösen von insgesamt EUR 60.773,01 stehe bisher ein Betriebsaufwand von EUR 53.445,95 gegenüber. Es sei absehbar, dass demnächst Masseunzulänglichkeit eintreten werde. Das Masseguthaben betrage derzeit EUR 22.019,06. Hinsichtlich der in den Saldenlisten aufscheinenden Darlehen sei der Geschäftsführer aufgefordert worden, Auskunft zu erteilen, weil hier Einlagenrückgewähr und verdeckte Gewinnausschüttung im Raum stehe. Diese sei nicht erfolgt. Eine weitere Fortführung des Betriebs sei nicht mehr zu rechtfertigen (ON 24).
Mit dem angefochtenen Beschlussbewilligte das Erstgericht die Schließung des schuldnerischen Unternehmens gemäß § 115 Abs 1 IO. Nach dem Bericht des Masseverwalters seien die wirtschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen für einen Fortbetrieb nicht gegeben, eine Fortführung des Unternehmens würde zu einer Erhöhung des Ausfalls führen. Durch die fehlende Kooperation der Schuldnerin verfüge der Masseverwalter weiterhin nicht über jene Informationen, die ihm ein getreues Bild über die Vermögenslage vermitteln würden. Insbesondere seien keine Auskünfte zu Verrechnungsforderungen gegenüber Gesellschaftern und diesen nahestehenden Dritten erteilt worden. Mangels geschäftlicher Aufzeichnungen sei es nicht möglich, einen hinreichenden Überblick über die Vermögenssituation der Schuldnerin zu gewinnen. Der letzte Jahresabschluss, der abgegeben worden sei, sei jener per 31.12.2021. Trotz anderslautender Ankündigungen sei nicht dafür gesorgt worden, sämtliche Unterlagen zur Erstellung der fehlenden Jahresabschlüsse beizuschaffen und der steuerlichen Vertretung zu übergeben. Da die Schuldnerin ihren Sanierungsplanantrag zurückgezogen habe, sei auch in diesem Zusammenhang der Grund für eine weitere Fortführung weggefallen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Schuldnerin mit dem Antrag, die Fortführung des Unternehmens in Eigenverwaltung zu bewilligen. Der Sanierungsvorschlag vom 5.5.2025 mit einer Quote von 50 % werde aufrecht erhalten. Die fehlenden Jahresabschlüsse würden vom Steuerberater innerhalb von zwei bis drei Monaten privat finanziert und erstellt werden.
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Der grundsätzlich zur Unternehmensfortführung verpflichtete Masseverwalter hat bei Vorliegen der Schließungsvoraussetzungen einen Schließungsantrag an das Insolvenzgericht zu richten ( Riel in Konecny/Schubert , InsG § 115 KO Rz 2).
§ 115 Abs 1 Satz 1 IO definiert die Grenzen der Zulässigkeit der Unternehmensfortführung im Konkurs und ordnet an, dass das Insolvenzgericht die Schließung eines Unternehmens nur anordnen oder bewilligen darf, wenn aufgrund der Erhebungen feststeht, dass anders eine Erhöhung des Ausfalls, den die Insolvenzgläubiger erleiden, nicht vermeidbar ist.
2.Die Bestimmungen, die die Fortführung, Schließung und Wiedereröffnung eines Insolvenzbetriebes regeln, stellen auf den Ausfall der Insolvenzgläubiger ab, die durch die Fortführung des Unternehmens nicht schlechter gestellt werden dürfen. Für das Insolvenzgericht besteht solange kein Anlass für die Anordnung der Unternehmensschließung, als eine Tilgung der Masseforderungen durch die aufgrund einer Unternehmensfortführung zu erzielenden Erlöse überwiegend wahrscheinlich bleibt (RS0106331; 1 Ob 2050/96v = SZ 69/170; Riel, aaO § 115 KO Rz 4; ZIK 2015/198 [145]). Bei der Beurteilung, wie wahrscheinlich die Deckung der Masseverbindlichkeiten ist, ist zu berücksichtigen, welche Mittel dem Insolvenzverwalter – sei es aufgrund von Einnahmen, von Kautionen oder von Haftungen Dritter – insgesamt zur Verfügung stehen und wie konkret die Hoffnungen sind, das Unternehmen sanieren zu können. Entgegen dem Wortlaut des § 115 Abs 1 IO („feststehen“) genügt für die Unternehmensschließung eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Verluste der Insolvenzgläubiger durch eine allfällige Unternehmensfortführung mehren würden (OLG Wien 6 R 327/24p ua).
In der Regel ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Betriebsfortführungsergebnisses in einem zweistufigen Prüfungsverfahren zu ermitteln: Zunächst ist der Ausfall zu berechnen, den die Insolvenzgläubiger mit der Insolvenzeröffnung bereits erlitten haben („Konkursbi-lanz“). Dann ist zu prüfen, ob sich dieser durch die Fortführung erhöhen würde bzw wie wahrscheinlich eine solche Ausfallserhöhung ist. Die Erstellung einer detaillierten Fortführungserfolgsrechnung ist aber dann nicht erforderlich und das Unternehmen jedenfalls zu schließen, wenn nicht prognostizierbar ist, ob aus den Einkünften des Unternehmens überhaupt die laufenden Massekosten abgedeckt werden können, weil der Schuldner über keine geordnete Buchhaltung verfügt, die vom Insolvenzverwalter verlangten Abrechnungen und Belege nicht vorlegt und ihm auch sonst keine (hinreichenden) Unterlagen zur Verfügung stellt, aus denen die monatlichen Fixkosten der Fortführung verlässlich kalkuliert werden können (
3. Anderes könnte dann gelten, wenn die Unternehmenssanierung zu erwarten ist. Dieses Kriterium verdient besondere Aufmerksamkeit, weil die Unternehmensfortführung spätestens seit dem IRÄG 1997 nicht Selbstzweck, sondern erkennbar Mittel zum Zweck des Abschlusses eines Sanierungsplanes oder einer Gesamtveräußerung des lebenden Unternehmens ist (ZIK 2015/198 [146]).
So besteht für das Insolvenzgericht prinzipiell, solange die Deckung der Masseforderungen durch die Fortführungserlöse überwiegend wahrscheinlich bleibt, kein Anlass zur Schließung. Bei ungenügender Deckung der Masseforderungen kommt es wesentlich darauf an, wie wahrscheinlich eine Unternehmenssanierung zu erwarten ist, weil nur die dadurch zu erwartenden Mittel die Annahme rechtfertigen, dass eine Befriedigung der Masseforderungen überwiegend wahrscheinlich ist. Eine vage Sanierungshoffnung ist nicht ausreichend. Eine überwiegende Sanierungswahrscheinlichkeit schließt die Unternehmensschließung aus, weil dann zu verneinen ist, dass eine Erhöhung des Ausfalles der Insolvenzgläubiger nur durch eine Unternehmensschließung vermeidbar ist.
Eine unter Umständen deutlich vor der Zwangsschließung des § 115 Abs 4 IO liegende Fortführungsgrenze besteht damit für gerade kostendeckende Unternehmensfortführungen, also in solchen Fällen, in denen keine unmittelbaren Ausfallserhöhungen, aber auch keine wesentlichen Verbesserungen der voraussichtlichen Quote bestehen. Diese Grenze liegt darin, dass das Unternehmen zu schließen ist, wenn weder eine Gesamtveräußerung noch ein Sanierungsplan möglich ist. Das Insolvenzgericht hat, wenn sich aus einem Bericht des Insolvenzverwalters ergibt, dass die Unternehmenssanierung wahrscheinlich nicht mehr zu erwarten ist, unverzüglich die Schließung anzuordnen ( Stapf/Steger in KLS 2§ 115 IO Rz 4; RS0106331; 1 Ob 2050/96v = SZ 69/170; Riel, aaO § 115 KO Rz 4; ZIK 2015/198).
4. Die Ausführungen der Schuldnerin im Rekurs sind nicht geeignet, Bedenken an der Einschätzung des Masseverwalters zu erwecken, der Fortbetrieb des schuldnerischen Unternehmens sei nicht mehr zu rechtfertigen.
Das bloße Inaussichtstellen der Erstellung der ausständigen Jahresabschlüsse auf eigene Kosten reicht dafür jedenfalls nicht aus. Die Schuldnerin behauptet weder, dass der Eintritt der Masseunzulänglichkeit nicht absehbar sei, noch stellt sie die prognostizierten Nachforderungen des Finanzamts in Höhe von ca. EUR 140.000,-- in Abrede. Sie „hält“ lediglich den Sanierungsplanantrag „aufrecht“. Abgesehen davon, dass sie den Sanierungsplanantrag am 5.5.2024 zurückgezogen hat, besteht aufgrund der fehlenden Buchhaltungsunterlagen nach wie vor eine unübersichtliche Vermögenslage. Zudem klärt die Schuldnerin auch im Rekurs nicht über die Gesellschafterdarlehen bzw Darlehen gegenüber gesellschafternahen Personen auf, sodass auch der fakultative Unzulässigkeitsgrund nach § 142 Z 2 IO gegeben ist, bei dessen Vorliegen das Insolvenzgericht den Sanierungsplanantrag als unzulässig zurückweisen kann ( Nunner Krautgasser/Anzenberger in KLS 2§ 142 IO Rz 1).
Die Schuldnerin behauptet noch nicht einmal ein tragfähiges Sanierungskonzept unter Berücksichtigung der zu erwartenden Steuernachforderungen und legt nicht dar, wie sie die unter den Erwartungen liegenden Einnahmen aus der Fortführung des Betriebs steigern könnte.
5. Die Schließung des schuldnerischen Unternehmens erfolgte daher zu Recht, sodass dem Rekurs ein Erfolg zu versagen war.
6.Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.
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