Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Guggenbichler als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Einberger und den KR Dr. Findeis in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, **, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Max Leitner und Dr. Mara-Sophie Häusler, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Krankenhaus B* Betriebsgesellschaft m.b.H., FN **, **, vertreten durch die Kuhn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 31.774,18 s.A. und Feststellung (EUR 2.000, Gesamtstreitwert EUR 33.774,18), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16.3.2025, **-57, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.531,42 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin EUR 588,57 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Kläger leidet nach einer Prostataresektion seit vielen Jahren an Harninkontinenz. Zu deren Behandlung wurde ihm 2004 in der C*klinik ** ein künstlicher Sphinkter vom Typ D* eingesetzt. Aufgrund aufgetretener Beschwerden suchte der Kläger die urologische Ambulanz des von der Beklagten betriebenen Krankenhauses auf. Dort wurde der Sphinkter D* am 29.4.2019 explantiert und sodann am 2.9.2019 das adjustierbare Sphinkter-System E* implantiert. Behandelnder Arzt war der bei der Beklagten angestellte Dr. F*.
Der Kläger begehrte mit seiner am 22.12.2022 eingebrachten Klage EUR 31.774,18 (EUR 30.000 Schmerzengeld, EUR 638,18 Behandlungskosten, EUR 836 Reise- und Beherbergungskosten und EUR 300 pauschale Spesen). Er begehrte weiters die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle aus der am 2.9.2019 durchgeführten Behandlung resultierenden künftigen Schäden.
Der Kläger brachte – soweit für das Berufungsverfahren relevant und zusammengefasst - vor, Dr. F* habe ihm im Anschluss an die Explantation des D*-Systems vorgeschlagen, nicht neuerlich ein solches, sondern das neuartige E*-System einzubauen, das besser und weniger fehleranfällig sei. Der zunächst skeptische Kläger, der mit dem D*-System jahrelang gute Erfahrungen gemacht habe, habe sich aufgrund des wiederholten und eindringlichen Anpreisens des E*-Systems durch Dr. F* schließlich überzeugen lassen und dessen Implantation zugestimmt. Dr. F* habe von vornherein das E*-System als praktisch alternativlos dargestellt und ihm den unrichtigen Eindruck vermittelt, dass das D*-System veraltet wäre und das E*-System eine zeitgemäße Weiterentwicklung darstelle. Tatsächlich sei das E*-System eine relativ neue Entwicklung, zu der im Zeitpunkt der gegenständlichen Operation 2019 noch keine umfassenden und fundierten Erfahrungswerte vorgelegen seien. Das D*-System sei demgegenüber ein jahrzehntelang erprobtes Produkt mit guten Erfahrungswerten. Anders als das D*-System verfüge das E*-System zudem über eine vorgerundete Manschette. Lege man diese um die Harnröhre, können Einbuchtungen entstehen, die eine Lücke bestehen lassen; ein Umstand, der die Inkontinenz des Patienten nach sich ziehe. Beim D*-System sei diese Fehlfunktion ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der langjährigen positiven Erfahrungen des Klägers mit dem D*-System wäre die Weiterverwendung dieses Systems indiziert gewesen. Über Alternativen habe Dr. F* den Kläger aber ebensowenig aufgeklärt wie über potentielle Fehlfunktionen oder Risken des Systems. Stattdessen habe er den Eindruck vermittelt, dass der Kläger mit dem neuen System sein Leben lang keine Probleme mehr haben würde. Der Kläger habe von Dr. F* nur eine (Werbe-)Broschüre über die Funktion des E*-Systems erhalten, die keine relevanten Risikohinweise enthalte. Den Aufklärungsbogen zur Einwilligung in die Implantation des E*-Systems habe er erst im Rahmen der OP-Vorbereitung am Nachmittag vor dem Operationstag erhalten. Die Risikoaufklärung sei daher keineswegs, wie von der Rechtsprechung gefordert, so rechtzeitig erfolgt, dass dem Patienten einen angemessene Überlegungsfrist offenbliebe. Nach der Operation habe sich herausgestellt, dass das eingebaute E*-System nicht funktionierte und schlichtweg wirkungslos war. Dr. F* habe ihn bei der Nachkontrolle beschwichtigt, dass nur eine Nachjustierung notwendig wäre. Dies habe sich als unzutreffend erwiesen, seine Inkontinenz habe sich nicht verbessert. Der Kläger sei von Dr. F* nicht darüber aufgeklärt worden, dass das konkret eingebaute E*-System von Anfang an defekt und völlig wirkungslos sein könnte. In diesem Fall hätte er sich dafür entschieden, stattdessen ein D*-System eingesetzt zu bekommen.
Die Implantation des E*-Systems sei daher mangels ausreichender Aufklärung und damit mangels wirksamer Einwilligung des Klägers insgesamt rechtswidrig erfolgt. Da das eingesetzte Produkt sich als vollständig wirkungslos erwiesen habe, habe sich ein Risiko verwirklicht, über das der Kläger nicht wirksam aufgeklärt worden sei. Wäre ihm bewusst gewesen, dass die Verwendung seines gewohnten D*-Systems in Frage käme und mit der Verwendung des E*-Systems durchaus Unsicherheiten verbunden seien, hätte er sich jedenfalls, wie er dies auch zunächst geplant hatte, für die Implantation eines neuen D* -Systems entschieden.
In der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 11.11.2024 (somit nach nahezu 2 Jahren Verfahrensdauer) brachte der Kläger ergänzend vor, auch nicht über eine entsprechende Risikoerhöhung bei einer Operation aufgrund seiner Vorerkrankungen aufgeklärt worden zu sein. Vielmehr sei im Aufklärungsbogen sogar hinsichtlich der bei ihm vorliegenden Zucker-Krankheit „Nein“ angekreuzt worden. Eine Aufklärung abseits des Aufklärungsbogens habe nicht stattgefunden. Der Kläger sei insbesondere auch nicht über die unterschiedlichen Systeme D* und E* und allfällige dahinter stehende Philosophien aufgeklärt worden.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte Klagsabweisung und wendete zusammengefasst ein, sowohl die Explantation des D*-Sphinkters als auch die Implantation des E*-Systems seien lege artis nach ordnungsgemäßer umfassender Aufklärung und Zustimmung durchgeführt worden. Das implantierte E*-System sei funktionstüchtig gewesen und habe auch funktioniert, bei einem klinischen Stresstest am 5.11.2019 habe kein Harnverlust beobachtet werden können. Der Kläger sei vor der Implantation rechtzeitig und ordnungsgemäß aufgeklärt worden, dies auch über Vor- und Nachteile von E* und D*. Der Kläger habe sich in Kenntnis der Operation und der damit verbundenen Risiken für die Implantation eines E*-Systems entschieden und dem Eingriff zugestimmt. Eine allfälligen Fehlberatung sei für die Entscheidung, sich E* implantieren zu lassen, nicht kausal gewesen. Das implantierte E*-System sei weder wirkungslos noch ursächlich für die später aufgetretenen Beschwerden des Klägers gewesen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.
Es traf die auf den Seiten 1 bis 6 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Sachverhaltsfeststellungen, von denen neben den bereits eingangs der Berufungsentscheidung auszugsweise wiedergegebenen Feststellungen folgende hervorgehoben werden (die in der Berufung bekämpften Feststellungen werden dabei kursiv hervorgehoben):
„ Im Vergleich zum D* stellte das E*-System zum Zeitpunkt der Operation ein neueres Systems dar. Zwischen dem D* und dem E*-System gab und gibt es keine belegten Unterschiede hinsichtlich Komplikationsrisiken und Erfolgsquoten. [F1] Nachdem E* das neuere System war, gab es weniger Erfahrungswerte, die vorhandenen sprachen aber nicht gegen eine Verwendung und das System war auch bereits zugelassen.
F* stellte dem Kläger dabei auch bereits E* als neues System vor, das mit D* mehr oder weniger ident sei und auch dieselben Nebenwirkungen habe, allerdings auch den entscheidenden Vorteil, dass es adjustierbar sei durch den variierbaren Verschlussdruck, ohne dass ein höheres Risiko bestehe. Nicht erwähnt hat Dr. F* das Risiko einer Infektion bei der Punktation des Scrotums bei einer Nachfüllung. Dass dies für den Kläger von Relevanz war bei der Zustimmung zu E* und dass eine entsprechende Aufklärung dazu geführt hätte, dass der Kläger einer Implantation des E*-Systems nicht zugestimmt hätte, kann nicht festgestellt werden. Der Kläger wollte zwar aufgrund seiner guten Erfahrungen wieder das D*-System, Dr. F* teilte ihm aber mit, dass er dieses System aufgrund der möglichen Nebenwirkungen und weil es zu den adjustierbaren Sphinkter-Systemen einen Rückschritt darstelle nicht implantiere und der Kläger woanders hingehen müsse, falls er einen D*-Sphinkter wolle. Aus medizinischer Sicht gab es keine Gründe, das E*-System beim Kläger nicht zu verwenden. Durch die Arrosion, die der Kläger bereits durch das vorherige Sphinkter-System erlitten hatte, war die Verwendung des E*-Systems, bei dem der Manschettendruck ohne Notwendigkeit von Explantation und Reimplantation angepasst und auf dem niedrigsten für eine Erreichung der Kontinenz notwendigen Druckniveau gehalten werden kann, sinnvoll, zweckmäßig und medizinisch indiziert.
Dem Kläger wurde noch am 24.4.2019 ein Aufklärungsbogen vor Operationen in Anästhesie samt Merkblatt übergeben und es wurde die erste Seite eines dreiseitigen Anästhesie-Fragebogens mit ihm ausgefüllt. Weiters wurde das Formular Ärztliche Aufklärung und Patienteneinwilligung zum Anästhesieverfahren mit ihm ausgefüllt und vom Kläger unterzeichnet. Im Präanästhesie-Protokoll wurde auch festgehalten, dass der Kläger Typ 2-Diabetiker ist („NIDDM“).
Am 20.8.2019 kam der Kläger nach dem Abheilen der Wunde in die Ordination des Dr. F*, der dort die Aufklärung zu E* fortsetzte und vertiefte und ihm auch Broschüren zum E*-System übergab. Wie schon zuvor hörte der Kläger Dr. F* nur oberflächlich zu, während dieser über E* sprach und aufklärte. Den Kläger interessierten die Darstellungen wenig, er wollte nur wieder kontinent sein und dachte sich „Es muss ja nur dicht halten, nehmen wir es halt“ und stimmte der Implantation des E*-Systems und dem Eingriff zu, ohne dass er mehr über E* wissen oder sich damit auseinandersetzen wollte.
Am 1.9.2019 erfolgte die Aufnahme im Spital, wo auch eine Operationsaufklärung vor Implantation eines künstlichen Harnblasenschließmuskels E* durch Dr. F* anhand einer schriftlichen Unterlage erfolgte. Diese enthält Informationen zu Wirkprinzip, Funktionsweise und Bedienung des Systems. Diese Unterlage wurde von Dr. F* auch ausgefüllt, wobei bei der Frage „Sind Sie zuckerkrank?“ ein „Nein“ angekreuzt ist. Der Kläger erklärte sich am Ende mit der Operation einverstanden und unterzeichnete auch die Einwilligungserklärung.
Ein Defekt wäre dabei [bei der Operation] aufgefallen, ein solcher lag nicht vor, das System funktioniert einwandfrei. Die Operation wurde lege artis durchgeführt und verlief komplikationslos, ebenso der anschließende stationäre Aufenthalt. Am 4.9.2019 wurde der Kläger entlassen. In sämtlichen Krankenunterlagen und Formularen ist der Diabetes mellitus II des Klägers vermerkt. Auch die ambulante Nachbetreuung verlief komplikationslos.
Am 5.11.2019 untersuchte Dr. F* den Kläger neuerlich. Dr. F* justierte E* durch die Zugabe weiterer 3ml nach, woraufhin der Kläger im klinischen Stresstest auch unter Belastung kontinent war. Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt danach trat beim Kläger wieder Harnverlust ein, wahrscheinlich hervorgerufen durch eine Gewebeatrophie.“ [F2] Das implantierte E*-System war weder wirkungslos noch defekt.
Andere Komplikationen der E*-Implantation als die wieder eingetretene Inkontinenz nach der vorübergehenden Trockenheit des Klägers können nicht festgestellt werden. Über dieses Risiko war der Kläger vor derE*-Implantation aufgeklärt worden.
„Es kann nicht festgestellt werden, dass der Diabetes mellitus II des Klägers ein zusätzliches Risiko […] gewesen ist.“ [F3]
Das Erstgericht folgerte rechtlich (soweit für das Berufungsverfahren relevant und zusammengefasst), nach den Feststellungen sei der Kläger über die mit der Implantation verbundenen Risken, mögliche Komplikationen und den Behandlungserfolg und auch über das sich später verwirklichte Risiko einer wiederkehrenden Inkontinenz aufgeklärt worden. Er habe in Kenntnis der möglichen Folge der medizinisch indizierten Behandlung auch zugestimmt. Eine Verpflichtung zur Aufklärung darüber, warum das relativ neue E*-System gegenüber dem „Standardsystem“ D* vorgezogen werde, sei nicht zu erkennen.
Über die Funktionsweise des E*-Systems sei der Kläger umfassend aufgeklärt und es seien ihm auch entsprechende Unterlagen übergeben worden, in denen Funktionsweise und Besonderheiten des E*-Systems und der Unterschied zu früheren Systemen leicht verständlich erklärt werden und das System auch als „Neue Generation künstlicher Harnröhrensphinkter“ beschrieben werde. Dass es das D*-System grundsätzlich gebe und E* ein neueres System war, habe der Kläger gewusst. Dass es weniger sicher sei, stehe nicht fest, sodass eine nicht faktenbasierte Beratungspflicht ausscheide.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in klagsstattgebendem Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1 . Tatsachenrüge:
1.1 Statt der Feststellung F1 begehrt der Berufungswerber folgende Ersatzfeststellung:
„Wenngleich sich die Komplikations- und Erfolgsquoten von D* und E*-System zahlenmäßig nicht wesentlich unterscheiden, unterscheiden sich die Systeme in ihrer Funktion und insbesondere auch in der Form der Manschette, woraus wiederum unterschiedliche Risken resultieren.“
1.1.1Die gesetzmäßige Ausführung einer Beweisrüge erfordert die bestimmte Angabe, welche Beweise das Erstgericht unrichtig gewürdigt hat, aus welchen Erwägungen sich dies ergibt und welche Tatsachenfeststellungen bei richtiger Beweiswürdigung zu treffen gewesen wären (RS0041835 [T1]).
1.1.2 Die Beklagte weist in ihrer Berufungsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass der Berufungswerber sich mit keinem Wort mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts auseinandersetzt und nicht darlegt, aus welchen Gründen diese unrichtig sein soll. Vielmehr verweist er nur auf Auszüge aus dem Sachverständigengutachten und der Aussage des Zeugen Dr. G*, aus denen sich seiner Ansicht nach für seinen Prozessstandpunkt günstigere Schlussfolgerungen im Sinne der begehrten Ersatzfeststellung ableiten ließen. Allein der Umstand, dass die Beweisergebnisse möglicherweise auch andere als die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ermöglicht hätten oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, kann aber noch nicht zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Beweiswürdigung und der darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen führen (OLG Wien 5 R 156/24h [Pkt 2.1], uva; Pimmer in Fasching/Konecny 3§ 467 ZPO Rz 40/2).
1.1.3 Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich die begehrte Ersatzfeststellung, wonach aus einer unterschiedlichen Funktion der Systeme D* und E* und der Form der Manschette unterschiedliche Risiken - und insbesondere, worauf der Kläger hinaus will, ein höheres Risiko des E*-Systems - resultieren sollen, aus dem vom Erstgericht eingeholten Sachverständigengutachten nicht ergibt.
1.2 Statt den Feststellungen F2 werden folgende Feststellungen begehrt:
„Auch durch Justierung des E*-Systems konnte keine zufriedenstellende Kontinenz hergestellt werden. Spätestens im Juni 2020 war der Kläger wieder vollständig inkontinent.“
1.2.1 Die Berufung lässt für die rechtliche Beurteilung wesentliche Feststellungen unbekämpft, nämlich, dass dass implantierte E*-System weder wirkungslos noch defekt und dessen Implantation beim Kläger medizinisch indiziert und sinnvoll war und dass der Kläger auch über das Risiko einer nach der Operation wieder auftretenden Inkontinenz aufgeklärt wurde.
1.2.2 Davon abgesehen hat das Erstgericht die bekämpften Feststellungen in seiner Beweiswürdigung (Seite 10f der Urteilsausfertigung) mit der Aussage des Zeugen Dr. F* in Zusammenhalt mit dessen Befundbericht vom 5.11.2019 begründet und überzeugend dargelegt, warum es der Aussage des Klägers in diesem Punkt nicht folgte. Der Berufungswerber hält dem den Operationsbericht des Zeugen Dr. G* vom 26.8.2020 - somit fast ein Jahr nach Implantation des E*-Systems durch die Beklagte - entgegen, in dem sich unter der Rubrik „Diagnose“ die Formulierung „Z.n. E* künstlichen hydraulischen Sphinktereinbau KH ** OÄ Dr. F* 01.09.2019 ohne Verbesserung der Inkontinenz“ findet. Die Quelle dieser Formulierung, insbesondere ob es sich dabei um eine eigene Wahrnehmung des Zeugen Dr. G* oder - wie von der Berufung angeführt - um eine Angabe des Klägers handelt, ist dem Operationsbericht nicht zu entnehmen. Dieses Beweisergebnis vermag die überzeugende Beweiswürdigung des Erstgerichts jedenfalls nicht zu entkräften. Soweit die Berufung auf das Gutachten des Sachverständigen verweist, wonach die Folge der Implantation des E*-Systems eine nicht zufriedenstellende Kontinenz gewesen sei, sagt dies nichts über einen der Beklagten anzulastenden ärztlichen Kunstfehler oder eine (nach den Feststellungen gerade nicht gegebene) Wirkungslosigkeit des Systems aus.
1.3 Der Kläger begehrt statt der Negativfeststellung F3 folgende Ersatzfeststellung:
„Der Kläger hatte aufgrund seiner medizinischen Geschichte (Reimplantation, Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankung) ein erhöhtes Risiko dafür, dass er trotz Einbau des E*-Sphinkters inkontinent bleibt. Der Kläger wurde über dieses erhöhte persönliche Risiko nicht aufgeklärt.“
Das Erstgericht hat die bekämpfte Negativfeststellung auf Seite 11 der angefochtenen Entscheidung einerseits mit fehlendem substantiiertem Vorbringen und fehlenden Beweisanträgen des Klägers und andererseits auch mit der Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. G* begründet, der in seiner Aussage ein erhöhtes Risiko aufgrund einer Diabetes-Erkrankung verneinte. Die Berufung setzt sich damit nicht näher auseinander, sondern verweist nur auf das dazu angeblich im Widerspruch stehende Sachverständigengutachten. Insbesondere lässt sie aber einen ganz wesentlichen Teil der bekämpften Negativfeststellung außer Betracht, nämlich dass nicht festgestellt werden könne, dass die Diabetes-Erkrankung des Klägers insbesondere eine Kontraindikation für die Verwendung des E*-Systems gewesen wäre. Die begehrte Ersatzfeststellung korrespondiert daher in Wahrheit nicht mit der bekämpften Feststellung, weshalb die Tatsachenrüge in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. In rechtlicher Sicht ist ergänzend festzuhalten, dass der Kläger im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet hat, dass er nicht in die Operation eingewilligt hätte, wäre er über ein erhöhtes Risiko aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung aufgeklärt worden.
Das Berufungsgericht übernimmt daher auch die bekämpften Feststellungen und legt auch diese der rechtlichen Beurteilung zugrunde.
2. Rechtsrüge
2.1 Der Berufungswerber setzt sich in seiner Rechtsrüge ausschließlich mit einer Haftung der Beklagten aus schuldhaft unrichtiger bzw unvollständiger Aufklärung vor der verfahrensgegenständlichen Operation auseinander. Auf die in erster Instanz behauptete ärztliche Fehlbehandlung - weil ihm ein fehlerhaftes bzw defektes E*-System implantiert worden und der Sphinkter wirkungslos gewesen sei - kommt er hingegen im Berufungsverfahren nicht mehr zurück, weshalb eine Auseinandersetzung mit diesem Thema unterbleiben kann.
2.2Grundlage für eine Haftung des Arztes oder des Krankenhausträgers wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch den ärztlichen Eingriff eingegriffen wird. Der Patient muss in die jeweilige konkrete Behandlungsmaßnahme einwilligen (RS0118355 [T3]).
Der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Wohles des Patienten abzugrenzen und erst in zweiter Linie auch unter Bedachtnahme auf sein Selbstbestimmungsrecht (RS0026362). Die Aufklärungsanforderungen dürfen nicht überspannt werden (RS0026362 [T1]).
Entscheidend für den Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist, dass der Patient als Aufklärungsadressat die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien erfährt, die ihn in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Zustimmung zum Eingriff zu überblicken und eine sachgerechte Entscheidung zu treffen (vgl RS0026473 [T3], RS0026578 [T13], RS0026499 [T6], RS0026413 [T3], RS0026426 [T7, T9]).
Der Arzt muss nicht stets von sich aus alle theoretisch in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten oder Operationsmöglichkeiten mit dem Patienten erörtern, er muss ihn aber, um ihm eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur Wahl stehende diagnostische oder therapeutische adäquate Verfahren informieren und das Für und Wider mit ihm abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risken entstehen können und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat (RS0026426 [T1]). Diese Pflicht setzt voraus, dass für den konkreten Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die gleichwertig sind, aber unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben (4 Ob 241/12p; 6 Ob 91/24m jeweils mwN).
2.3 Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ist dem Erstgericht darin beizupflichten, dass die Aufklärung des für die Beklagte tätigen Arztes keinen Vergleich der beiden infrage kommenden Systeme beinhalten musste, zumal diese nach den Feststellungen für die in Rede stehende Behandlung grundsätzlich gleich geeignet und nicht mit unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen behaftet waren.
2.4 Nach den Feststellungen wurde der Kläger über sämtliche mit der Implantation verbundenen Risiken, mögliche Komplikationen und den Behandlungserfolg sowie auch über das Risiko einer später wiederkehrenden Inkontinenz aufgeklärt und stimmte in Kenntnis der möglichen Folgen der medizinisch indizierten und sinnvollen Implantation des E*-Systems zu. Soweit die Berufung gegenteiliges zu argumentieren versucht, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Das dem Kläger implantierte System wies insbesondere gegenüber dem System, mit dem er bereits Erfahrung hatte, keine erhöhten Risiken oder geringere Erfolgsquoten auf, über die die Beklagte aufzuklären gehabt hätte. Die Behauptung des Klägers, der auf Seiten der Beklagten behandelnde Arzt habe das E*- System als praktisch alternativlos dargestellt, hat sich im Beweisverfahren als unrichtig herausgestellt. Dem Kläger wurde vielmehr freigestellt, einen anderen Arzt bzw ein anderes Spital aufzusuchen, sollte er jenes System bevorzugen. Letztlich ist eine weitergehende Aufklärungspflicht der Beklagten auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zum Verhalten des Klägers zu verneinen, wonach dieser Dr. F* nur oberflächlich zuhörte, ihn dessen Darstellungen wenig interessierten und er der Implantation des Systems und dem Eingriff zustimmte, ohne dass er mehr über E* wissen oder sich damit aus einander setzen wollte.
Auch die Rechtsrüge bleibt daher erfolglos.
3. Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung war nicht zu beantworten (vgl zum Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht als Frage des Einzelfalls: RS0026529 [T20, T30]).
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