Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, den Richter Mag. Resetarits und den KR DI Viehauser, MSc, in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. **, Selbständiger, **, vertreten durch anwaltschriefl KG in Mödling, wider die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Eiselsberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen zuletzt EUR 17.515,00 s.A., über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 6.280,69 s.A.) gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27.06.2025, **-42, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.095,12 (darin enthalten EUR 182,52 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Der Kläger kaufte am 06.05.2022 44/513-Anteile an der Liegenschaft EZ ** KG ** mit denen Wohnungseigentum an W2 untrennbar verbunden ist sowie 3/513-Anteile an dieser Liegenschaft mit denen untrennbar Wohnungseigentum an KFZ-Abstellplatz 2 verbunden ist, um EUR 185.000,--. Die Beklagte vermittelte dieses Geschäft als Immobilienmaklerin.
Die Beklagte bezeichnete das Objekt in ihrem Exposé als „zauberhafte Villenetage mit Terrasse“. Das Exposé lautet auszugsweise wie folgt:
„ Zum Verkauf gelangt diese sehr stilvolle und absolut ruhig gelegene 2 Zimmerwohnung mit Terrasse in einer im Jahre 1893 erbauten Villa. Die Wohnung besteht aus:
• Vorzimmer
• Abstellraum
• modernes Badezimmer mit Toilette
• großes Wohnzimmer mit Wohnküche
• geräumiges Schlafzimmer
• Terrasse
• Gartenbenützung
• Kellerabteil
[…]
Eckdaten:
„ Wohnfläche: ca. 52,99 m²
Kellerfläche: ca. 3,04 m²
Terrassenfläche: ca. 17 m²
Stellplatzfläche: ca. 12 m² “
Vor der ebenerdigen Wohnung befindet sich eine Fläche, die auch teilweise durch eine Pergola überbaut ist. Diese Fläche ist jedoch nicht der Wohnung Top 2 zugeordnet, sondern ein allgemeiner Teil der Liegenschaft (unstrittig; vgl zB S 23 in ON 35).
Der Kläger war überzeugt, dass die Terrasse zur Wohnung gehört, weil der Bereich aus seiner Sicht abgegrenzt war, der Zugang über die Terrasse erfolgte und ihm auch noch gesagt worden war, dass ein Überbau (Pergola) gemacht worden sei.
Der Geschäftsführer der Beklagten wusste schon vor Erstellung des Exposés, dass die Terrasse nicht zur Wohnung gehörte. Bei der Besichtigung der Wohnung wurde über die Terrasse nicht gesprochen.
Der Wohnungseigentumsvertrag vom 22.12.2005, den der Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages erhalten jedoch nicht aufmerksam gelesen hat, enthält folgende (auszugsweise dargestellte) Tabelle:
[Bild entfernt]
Per 29.04.2022 betrug der Verkehrswert der Wohnung W2 mit Terrasse EUR 185.000,00 und ohne Terrasse EUR 172.438,62.
Der Kläger begehrte zuletzt (ON 40.4.) EUR 17.515, s.A., darin – soweit Gegenstand des Berufungsverfahrens – EUR 12.561,38 s.A. wegen des Fehlens der Terrasse und brachte dazu vor, die Beklagte habe ausdrücklich beworben, dass der Wohnung eine Terrasse zugeordnet sei. Der Kläger sei nie darauf hingewiesen worden, dass es sich bei der Terrasse um eine Allgemeinfläche handle. Zwar sei dem Kläger der Wohnungseigentumsvertrag übergeben worden. Es könne einem Laien aber nicht zugemutet werden, trotz der ausdrücklichen Bewerbung der Terrasse den komplexen und seitenlangen Wohnungseigentumsvertrag zu studieren, um zu überprüfen, ob die Terrasse tatsächlich Teil des Wohnungseigentumsobjektes sei. Ein allfälliges Mitverschulden wäre daher verschwindend gering und somit vernachlässigbar. Da die Wohnung ohne Terrasse um EUR 12.561,38 weniger Wert sei als mit der Freifläche, begehre der Kläger den Ersatz dieses Betrages.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und brachte vor, der Kläger sei ausdrücklich darüber aufgeklärt worden, dass die Terrasse eine Allgemeinfläche sei, die nicht im Wohnungseigentum stehe, der Verkäufer diesen Allgemeinteil wegen der faktischen räumlichen Gegebenheiten aber als Terrasse nutzte und mit Zustimmung der Hausverwaltung vor dem Eingang zur Wohnung eine Überdachung (Pergola) errichtet habe. Von einem exklusiven Nutzungsrecht sei nie die Rede gewesen. Zudem sei selbst für einen Laien aus dem Wohnungseigentumsvertrag leicht erkennbar, dass keine Terrasse zum Wohnungseigentumsobjekt gehöre.
Mit dem angefochtenen Urteilgab das Erstgericht diesem Zahlungsbegehren wegen des Fehlens einer Terrasse statt und wies ein Mehrbegehren, das nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, rechtskräftig ab. Es stellte den auf den Urteilsseiten 1 bis 6 ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird und der zum besseren Verständnis durch die unstrittige Beschreibung der Freifläche durch das Berufungsgericht ergänzt wurde. Rechtlich erwog der Erstrichter, gemäß § 1295 ABGB sei jedermann berechtigt, vom Beschädiger den Ersatz des Schadens zu fordern, den dieser ihm aus Verschulden zugefügt habe. Der Schaden bestehe hier darin, dass der Kläger gezahlt und nicht die vorgestellte Gegenleistung bekommen habe. Bewerten lasse sich die Differenz aus einem Vergleich der Verkehrswerte sehr leicht. Einer relativen Berechnung bedürfe es nicht, weil der tatsächliche Kaufpreis ohnehin dem Verkehrswert des vorgestellten Gegenstands entspreche.
Ausschlaggebend sei, dass der Kläger nicht die Information gehabt habe, dass die Terrasse ein allgemeiner Teil der Liegenschaft sei; andernfalls hätte er nämlich weniger bezahlt. Die Beklagte habe über die Information verfügt, sie aber nicht an den Kläger weitergegeben, sondern durch ihr Exposé die Fehlvorstellung ausgelöst. Das Verhalten der Beklagten weiche eklatant vom Verhalten eines sorgfältigen Immobilienmaklers ab und sei mindestens grob fahrlässig. Dass der Kläger aus einem Vergleich „seiner“ Wohnung mit den anderen Wohnungen im Wohnungseigentumsvertrag hätte erkennen können, dass die Wohnung doch nicht über eine Terrasse verfüge, sei richtig. Er hätte das aber als Laie, auch wenn er schon die vierte Liegenschaft erworben habe, nicht erkennen müssen, umso mehr als im Exposé gerade das Gegenteil gestanden sei. Ein Mitverschulden liege also nicht vor.
Gegen die Stattgebung der Klage im Umfang von EUR 6.280,69 s.A. richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren auch insofern abzuweisen.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Die Berufungswerberin ist der Ansicht, den Kläger treffe ein 50%iges Mitverschulden am Schaden, weil er als erfahrener Immobilienkäufer aufgrund des Wohnungseigentumsvertrags erkennen hätte müssen, dass der Wohnung keine Terrasse zugeordnet sei. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist somit ausschließlich die als selbstständige Einwendung anzusehende (vgl RS0043352 [T33 bis T35]; RS0043338) Frage des Mitverschuldens.
1.Nach § 3 Abs 1 und 3 MaklerG hat der Makler die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren und ist zudem verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben. Bei Verletzung dieser Pflichten kann Schadenersatz verlangt werden. Der Immobilienmakler ist Sachverständiger im Sinne des § 1299 ABGB, er hat insbesondere alle wesentlichen allgemeinen Informationen über das Objekt zu erteilen, zu welchen unter anderem auch die Pflicht zur Aufklärung über dessen Eignung für die vom Käufer angestrebte Nutzung zählt (RS0109996). Zwar trifft den Makler keine besondere Nachforschungspflicht, wenn für ihn keine Veranlassung besteht, an der Richtigkeit einer vom Verkäufer erteilten Information zu zweifeln. Der Makler ist jedoch verpflichtet, sämtliche Informationen über das Geschäft, sowohl die günstigen wie die ungünstigen, weiterzugeben. (RS0112587). Hat der Makler seine Pflichten gegenüber dem Auftraggeber verletzt, kann bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen nach allgemeinen Grundsätzen Schadenersatz verlangt werden (RS0116638). Die Berufung zieht nicht in Zweifel, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Pflichten aus dem Maklervertrag verletzt hat. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten (Berufung S 5) ist das Fehlverhalten schwerwiegend. Die Beklagte hat die Wohnung ausdrücklich als „Villenetage mit Terrasse“ beworben und die Terrasse im Exposé mehrfach eindeutig als Bestandteil der Wohnung angeführt. Im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten entstand für jeden Interessenten der Eindruck, als wäre die Terrasse (entsprechend den unrichtigen Angaben im Exposé) der Wohnung zugeordnet. Diesen unrichtigen Eindruck hätte der Geschäftsführer der Beklagten durch einen einfachen Hinweis leicht zerstreuen können und im Hinblick auf die ihm obliegenden Pflichten auch müssen. Da es einen erheblichen Unterschied macht, ob eine Wohnung über eine Freifläche verfügt, war diese Information für jeden Interessenten naturgemäß auch essentiell.
2. Hat nicht nur der Schädiger, sondern auch der Geschädigte sorglos eine Bedingung für den Schadenseintritt gesetzt, so gebührt ihm kein voller Ersatz; er muss einen Teil des Schadens selbst tragen ( Schacherreiter in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.09§ 1304 Rz 1). Auf ein allfälliges Mitverschulden des Geschädigten kann sich ein Schädiger - wegen des Neuerungsverbots - im Rechtsmittelverfahren nur berufen, wenn er im Verfahren erster Instanz einen entsprechenden Mitverschuldenseinwand erhoben bzw zumindest ausreichend deutlich Tatsachen vorgebracht hat, aus denen sich rechtlich ein Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB ableiten lässt (RS0022807 [T4]). In Übereinstimmung mit den Berufungsausführungen ist im erstinstanzlichen Vorbringen, selbst für einen Laien wäre es leicht erkennbar gewesen, dass keine Terrasse zum Wohnungseigentum von Top 2 gehöre (vgl S 3 in ON 19), ein entsprechender Einwand zu sehen. Entgegen dem Standpunkt der Berufungswerberin ist dem Kläger aber kein relevantes Mitverschulden anzulasten:
3.Das Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB setzt kein Verschulden im technischen Sinne voraus. Auch Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern. Ein Mitverschulden kann dabei auch in einer vorwerfbaren Untätigkeit liegen (RS0022681 [T3]). Bei der Verschuldensabwägung entscheidet vor allem die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr (RS0027389). Nun hätte der Kläger zwar den übermittelten Wohnungseigentumsvertrag aufmerksam lesen können. Um den hier relevanten Umstand zu erkennen, hätte er aber die Tabelle im Vertrag beurteilen und insbesondere die einzelnen – auch nicht kaufgegenständlichen - Anteile vergleichen müssen. Nur aus dem Vergleich der einzelnen Anteile hätte er nämlich den Umkehrschluss ziehen können, dass der Wohnung Top 2 (möglicherweise) keine Terrasse zugeordnet ist. Die Beklagte zeigt aber nicht auf, welchen Anlass der Kläger überhaupt gehabt hätte, den gesamten Wohnungseigentumsvertrag zu studieren. Einen solchen Anlass hätte beispielsweise ein Hinweis des Geschäftsführers der Beklagten, wonach die beworbene Terrasse dem Objekt nicht zugeordnet sei, bieten können. Solch einen Hinweis hat der Geschäftsführer der Beklagten aber gerade unterlassen. Vergleicht man daher die Nachlässigkeit des Klägers mit dem erheblichen und jedenfalls grob fahrlässigen Fehlverhalten des Geschäftsführers der Beklagten, der bewusst unrichtige Abgaben im Exposé zu entscheidenden wertbestimmenden Umständen machte, tritt das behauptete Fehlverhalten des Klägers jedenfalls so weit in den Hintergrund dass es insgesamt zu vernachlässigen ist. Das Erstgericht hat ein Mitverschulden des Klägers daher zu Recht verneint. Weitere Umstände werden in der Berufung nicht releviert.
Der Berufung war der Erfolg zu versagen.
4.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
5. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weilkeine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zu beantworten war. Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, sodass der Entscheidung des Berufungsgerichts im Regelfall keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0029874).
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