Im Namen der Republik
Das Oberlandesgericht Wien erkennt als Berufungs- gericht *** in der Markenschutzsache des Antragstellers A *** gegen den Antragsgegner B *** , wegen Löschung der Marke Kleine Komödie Graz, über die Berufung des Antragsgegners gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 3.4.2025, NM 10/2020, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin deren mit EUR 3.704,52 (darin EUR 617,42 USt) bestimmte Berufungsbeantwortungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Antragsgegner, ein seit 1995 in das Vereinsregister eingetragener Verein, ist Inhaber der am 5.6.2019 angemeldeten und am 12.9.2019 unter der Nr. 304841 ohne einen Registervermerk über eine Verkehrsgeltung nach § 4 Abs 2 MSchG registrierten Wortmarke
Kleine Komödie Graz.
Diese ist für folgende Dienstleitungen eingetragen:
Klasse 41: Betrieb eines Theaters; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; öffentliche Präsentation von Werken der Literatur für kulturelle Zwecke.
Der Antragsgegner betrieb ab 1994 ein Theater in Graz, zunächst im dortigen Casino, danach in der Münzgrabenstraße 36. Dort führte er jedes Jahr zwei neue Stücke auf, anfangs mit 30, in weiterer Folge mit zwischen 22 bis 25 Aufführungen je Stück. Die Besucheranzahl pro Stück lag bei rund 7.000 Besuchern; zusätzlich gab es eine jährliche Weihnachtsshow. Der Antragsgegner gastierte mit seinen Theaterproduktionen in den burgenländischen Gemeinden Oberschützen, Güssing und Stegersbach sowie je zwei Mal im Casino Innsbruck und im Casino Baden. Zudem gab er in den Jahren 2006 und 2008 vier Gastspiele in den steierischen Städten Hartberg und Judenburg; weiters gastierte der Antragsgegner regelmäßig in Leoben. Er bewarb seine Produktionen mit Aussendungen, die zwei Mal jährlich an Kontaktadressen geschickt wurden, die sich aus den Eintragungen der Besucher der Theaterproduktionen in eine dort aufliegende Liste zusammensetzten. Der Höchststand an Kontaktadressen betrug 14.000, zuletzt waren es 11.248, wovon jedoch nur 284 außerhalb des Bundeslandes Steiermark lagen. Zudem wurden die Aussendungen (Folder), deren Auflage zwischen 10.000 und 20.000 Stück variierte, auch in anderen Theatern wie etwa der Freien Bühne Wieden in Wien aufgelegt. Außerdem bewarb der Antragsgegner seine Aufführungen durch Plakate in Graz, Leoben und dem Rest der Steiermark, nicht aber in anderen Bundesländern. Generell konzentrierte sich die Pressearbeit des Antragsgegners auf Graz und Graz Umgebung, zumal das Theater ein Einzugsgebiet mit einem Radius von 40 km hatte. In der wöchentlich erscheinenden Gratiszeitung „Woche Graz“ sowie der regionalen Fernsehsendung „Steiermark Heute“ wurde regelmäßig über die Theateraufführungen des Antragsgegners berichtet; eine österreichweite Berichterstattung erfolgte hingegen nur vereinzelt.
Im Februar 2019 gab der Antragsgegner den Theaterbetrieb in der Münzgrabenstraße 36 aus finanziellen und persönlichen Gründen auf, wobei der Obmann des Vereins plante, neuerlich an einem anderen Standort im Theaterbetrieb aktiv zu werden. In den Jahren 2020 bis 2022 setzte er jedoch keine weiteren Theaterproduktionen um, wohl aber Lesungen, die allerdings aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht als physische Aufführungen, sondern online angeboten wurden.
Der Antragsteller gründete sich am 15.1.2019 und führt seit Oktober 2019 Theaterveranstaltungen am ehemaligen Standort des Antragsgegners in der Münzgrabenstraße in Graz durch. Dazu schloss er auch neue Verträge mit ehemaligen Ensemble Mitgliedern und Fixangestellten des Antragsgegners. Von Oktober 2019 bis Anfang 2023 hat der Antragsteller rund 250 Aufführungen durchgeführt, wobei er von Beginn an unter der Bezeichnung „Komödie Graz“ auftrat.
Der Antragsteller begehrt, gestützt auf die §§ 32, § 33 iVm § 4 Abs 1 Z 3, 4 und 5 sowie § 34 MSchG, die Löschung der Marke. Der Antragsgegner, der nahezu immer nur unter der Bezeichnung „Kleine Komödie“ ohne den Zusatz „Graz“ aufgetreten sei, habe bei der Anmeldung der Marke im Juni 2019 bereits gewusst, dass der Antragsteller als Verein existiere und plane, unter der Bezeichnung „Komödie Graz“ Theateraufführungen in Graz zu veranstalten. Dessen ungeachtet habe er den Namen des Antragstellers ohne dessen Zustimmung als Bestandteile seiner Marke registriert und dadurch den Tatbestand des § 32 MSchG erfüllt.
Dem Zeichen fehle auch die Unterscheidungskraft, weil es nur zwei allgemein gebräuchliche Worte und eine Ortsbezeichnung beinhalte. Es weise auch keinen „besonders fantasievollen Überschuss“ auf, sodass der Löschungsgrund nach § 33 iVm § 4 Abs 1 Z 3 MSchG gegeben sei. Zudem werde auch das Freihaltebedürfnis verletzt. Die Marke bestehe ausschließlich aus rein beschreibenden Zeichen und sei daher auch gemäß § 33 iVm § 4 Abs 1 Z 4 MSchG zu löschen. Alle drei Worte, aus denen die Wortmarke bestehe, seien ausschließlich solche, die dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommen und zur Bezeichnung der Dienstleistungen von Theateraufführungen mit Lustspielen üblich seien. Es handle es sich daher um eine reine Gattungsbezeichnung oder Branchenangabe, die nicht eintragungsfähig sei. Das Zeichen sei somit auch nach § 33 iVm § 4 Abs 1 Z 5 MSchG zu löschen. Die Marke habe auch keine Verkehrsgeltung nach § 4 Abs 2 MSchG erworben, sodass die Voraussetzungen des § 33 Abs 2 MSchG nicht gegeben seien.
Schließlich sei der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke bösgläubig gewesen, weil er mit der Anmeldung lediglich bezweckt habe, das Unternehmen und die Tätigkeiten des Antragstellers zu stören und sich selbst in unlauterer Weise einen Vorteil – insbesondere in den zwischen den Parteien anhängigen Gerichtsverfahren – zu verschaffen. Diese Bösgläubigkeit zeige sich auch darin, dass der Antragsgegner nicht die von ihm über Jahrzehnte gebrauchte Bezeichnung seines Unternehmens „Kleine Komödie“ angemeldet habe, sondern eine um das Wort „Graz“ erweiterte Bezeichnung.
Der Antragsgegner sprach sich gegen die Löschung seiner Marke aus. Die angezogenen Löschungsgründe lägen nicht vor. Er habe für seine Theaterproduktionen seit dem Jahr 1995 das Zeichen „Kleine Komödie Graz“ benutzt. Nicht er verwende daher missbräuchlich die Bezeichnung des Antragstellers, sondern vielmehr dieser das Zeichen des Antragsgegners, um seinen Theaterbetrieb bekannt zu machen und am schwierigen Theatermarkt Fuß zu fassen. Dem Antragsteller komme es dabei gerade auf die Verwechslung mit dem Antragsgegner an. Dieser habe daher die Marke zur Wahrung und Absicherung seines Rechts an der Bezeichnung „Kleine Komödie Graz“ angemeldet. Zum Zeitpunkt der Anmeldung habe das Zeichen aufgrund jahrelanger Benutzung bereits Verkehrsgeltung erlangt. Es bestehe auch kein Registrierungshindernis für das Zeichen, das unterscheidungskräftig sei. Der Gesamteindruck der Marke sei nicht gewöhnlich, wobei es nicht auf die einzelnen Worte, sondern ihre Kombination ankomme. Die Unterscheidungskraft ergebe sich vor allem auch aus der Beifügung des Wortes „Kleine“, das unterschiedliche Interpretationen zulasse. Das Zeichen sei auch keine Gattungsbezeichnung für eine bestimmte Art von Dienstleistungen von Theateraufführungen.
Werde wie hier ein bereits Verkehrsgeltung genießendes Zeichen eingetragen, liege darin keine Bösgläubigkeit. Eine solche werde auch nicht dadurch begründet, dass der Antragsgegner mit der Anmeldung der Marke darauf reagiert habe, dass der Antragsteller die verwechslungsfähige Bezeichnung „Komödie Graz“ samt entsprechender Internet Domain und E Mail Adresse gewählt habe.
Mit dem nun angefochtenen Beschluss gab die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts dem Löschungsantrag statt und löschte die Marke mit Zeitpunkt ihrer Registrierung. Neben dem eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt traf es dazu die auf den Seiten 27 bis 39 der Beschlussausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf welche verwiesen wird.
Rechtlich folgerte die Nichtigkeitsabteilung, dem Löschungsantrag sei nur auf Grundlage des § 33 Abs 1 MSchG stattzugeben. Das Zeichen sei nicht unterscheidungskräftig, weil seine Wortfolge von den beteiligten Verkehrskreisen lediglich so verstanden werde, dass die damit bezeichneten Dienstleistungen in einem kleinen, auf Lustspiele oder Komödien spezialisierten Theater in Graz angeboten werden. Das Zeichen sei damit rein beschreibend. Außerdem komme der Wortkombination „Kleine Komödie“, die auch der Titel einer Briefnovelle von Arthur Schnitzler sei, eine weitere rein beschreibende Bedeutung in der Form zu, dass es sich um eine Darbietung ebendieser Novelle in Graz handle. Dem Zeichen fehle daher die originäre Unterscheidungskraft. Die erworbene Unterscheidungskraft (Verkehrsgeltung) habe vom Antragsgegner nicht nachgewiesen werden können. Erforderlich sei der Nachweis der Verkehrsgeltung für das gesamte Hoheitsgebiet der Republik Österreich, die vom Antragsgegner vorgelegten Berichte und Werbemaßnahmen hätten sich jedoch ausschließlich auf die Steiermark bezogen. Es könne daher nicht von einer österreichweiten Verkehrsgeltung ausgegangen werden, sodass dem Zeichen insgesamt die Unterscheidungskraft fehle und es zu löschen sei.
Hingegen lägen die übrigen geltend gemachten Löschungsgründe nicht vor: Der Vereinsname des Antragstellers sei a priori nicht unterscheidungskräftig und könne daher nur dann einen Löschungsantrag begründen, wenn er seinerseits Verkehrsgeltung erlangt habe, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Zudem habe der Antragsgegner durch die Eintragung im Vereinsregister im Jahr 1995 auch für den Bestandteil „Kleine Komödie“ mit der regionalen Abgrenzung für „Graz“ die Priorität seines Namensrechtes nachgewiesen. Dieser Umstand spreche auch gegen eine Bösgläubigkeit iSd § 34 MSchG. Daran ändere auch nichts, dass der Antragsgegner der von ihm überwiegend verwendeten Bezeichnung „Kleine Komödie“ noch die Ortsbezeichnung „Graz“ hinzugefügt habe, zumal es sich beim Antragsgegner um einen Grazer Verein handle und auch sein Vereinsname die Ortsangabe Graz enthalte. Durch die Anmeldung der Bezeichnung „Kleine Komödie Graz“ habe der Antragsgegner nur eine bereits erlangte wettbewerbsrechtliche Position auch markenrechtlich abzusichern versucht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Berufung des Antragsgegners ausschließlich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Löschungsantrags abzuändern; hilfsweise sie aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die Nichtigkeitsabteilung zurückzuverweisen.
Der Antragsteller stellt in seiner Berufungsbeantwortung , die auch eine Beweisrüge enthält, den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Zur originären Unterscheidungskraft:
Der Rekurs wendet sich zunächst gegen die Rechtsansicht der Nichtigkeitsabteilung, dass dem Zeichen keine originäre Unterscheidungskraft zukomme. Tatsächlich sei das Zeichen als Hinweis auf den Namen des Antragsgegners und damit auf die Herkunft zu verstehen und nicht auf die Art der (Dienst-)Leistungen. Dem Zeichen komme eine über die Summe ihrer Teile hinausreichende Qualität zu. Um es zu verstehen, seien Schlussfolgerungen und Gedankenoperationen erforderlich.
1.1. Allgemeine Grundsätze:
1.1.1.Gemäß § 33 Abs 1 MSchG kann von jedermann die Löschung der Marke aus einem von Amts wegen wahrzunehmenden Grund beantragt werden. Darunter fällt auch die nachträgliche Überprüfung, ob ihrer Registrierung ein Eintragungshindernis nach § 4 Abs 1 MSchG entgegenstand ( Mutz in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 33 Rz 5 und 7).
Zwar sind nach der Rechtsprechung des EuGH die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 4 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) gesondert zu prüfen (C-304/06 P, Eurohypo). Die Unterscheidungskraft fehlt einem Zeichen aber dann, wenn es die maßgebenden Verkehrskreise als Information über die Art der mit ihm gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft. Eine beschreibende Marke im Sinne von § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG. Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (RS0132934; 4 Ob 11/14t, Expressglass ).
1.1.2. Ein Zeichen ist beschreibend, wenn es im normalen Sprachgebrauch der relevanten Verkehrskreise die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale kennzeichnet ( Koppensteiner , Markenrecht 4 , 71 mwN; Newerkla in Kucsko/SchumacheraaO § 4 Rz 169 ff; RS0109431). Bei Wortmarken ist der normale Wortsinn, wie er sich aus Wörterbüchern oder ähnlichen Werken ergibt, heranzuziehen (4 Ob 77/15z, AMARILLO ). Dabei genügt es, wenn die strittige Wortfolge oder Wortkombination zumindest in einer der möglichen Bedeutungen einen beschreibenden Charakter hat (vgl EuGH C-191/01 P, Doublemint , Rn 32; EuGH C-363/99, Postkantoor, Rz 97; 4 Ob 7/05s, car care; OLG Wien 33 R 33/22y, SPUCKSCHUTZ ; OLG Wien 33 R 117/21z, Green Mountains; OLG Wien 133 R 125/18g, Lipizzanergestüt Piber ).
Die beteiligten Verkehrskreise müssen „sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und indirekten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen“ herstellen können (EuGH C-326/01 P, Universaltelefonbuch , Rz 33; C-494/08 P, Pranahaus, Rz 29; 4 Ob 153/21k, Myflat ; 4 Ob 26/93, Smash; 4 Ob 158/05x, S teirerparkett). Lässt sich dagegen die Beziehung zwischen Ware oder Dienstleistung und Zeichen nur im Wege besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen, dann ist die Registrierung des Zeichens auch ohne Verkehrsgeltung ebenso erlaubt, wie wenn es sich um eine bloße Andeutung irgendwelcher Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, der Art ihrer Herstellung oder ihrer Zweckbestimmung handelt (RS0066456; OLG Wien 33 R 99/24g, CEOS for future ).
1.1.3.Gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind generell solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt nämlich die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (RS0132933; RS0118396 [T7]). Originär unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH C-108/97, Chiemsee ; EuGH C-104/00 P, Companyline; RS0118396). Ob ein Zeichen unterscheidungskräftig ist, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen (RS0066749; Koppensteiner aaO 82), und zwar für die konkreten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher aaO Rz 53 ff).
1.1.4.Bei Wortmarken bejaht die Rechtsprechung die Unterscheidungskraft nur bei frei erfundenen, keiner Sprache angehörenden Phantasiewörtern (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörtern im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die beteiligten Verkehrskreise die Wörter als Phantasiebezeichnungen auffassen (RS0066644).
Die Eintragung einer Marke, die aus mehreren Worten zusammengesetzt ist, ist nach den selben Kriterien zu prüfen wie herkömmliche Wortmarken (RS0122385 [T1]). Dasselbe gilt für Wortkombinationen: Sind die Bestandteile einer Wortkombination nicht unterscheidungskräftig, ist es die Wortkombination nur dann, wenn ihr Sinngehalt über die Summe ihrer Bestandteile hinausgeht (EuGH C 65/00, Biomild ). Dabei sind sämtliche Bestandteile und diese wiederum als Ganzes zu betrachten (EuGH C-64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit , Rz 27 f; OLG Wien 33 R 55/22h, Gesundheitszentrum Thermenland ; OLG Wien 33 R 136/22w, Saubermacher Outsourcing ; Koppensteiner aaO 77 f mwN).
Unzulässig ist auch die Eintragung einer solchen Wortverbindung, die geeignet ist, von anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Bezeichnung eines Merkmals ihrer Waren oder Dienstleistungen benutzt zu werden. Dies erklärt sich aus der Überlegung, dass ein allgemeines Interesse daran besteht, dass Zeichen oder Angaben, die Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von jedermann frei verwendet werden können, weshalb es nicht erlaubt ist, dass solche Zeichen oder Angaben einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden (EuGH C-191/01 P, Doublemint, Rz 31 f; 4 Ob 180/16y, FairUse ; OLG Wien 33 R 50/24x, EcoBox; OLG Wien 33 R 3/25s, spa4car ).
1.2. Zum konkreten Zeichen:
1.2.1. Wie die Nichtigkeitsabteilung bereits zutreffend – und vom Antragsgegner auch unwidersprochen – ausgeführt hat, bezeichnet das Wort „Komödie“ sowohl eine dramatische Gattung als auch ein Theater(gebäude), in dem ein solches Stück aufgeführt wird. Die Voranstellung des Adjektivs „kleine“ kann sich dementsprechend entweder auf die Größe des Theaters oder wiederum auf den Inhalt des Stücks, das sich auf die „kleine Kunst“ – als Gegenstück zur „großen Kunst“ wie Oper, symphonische Werke oder klassische Werke der Bühnenkunst – beziehen. Dass es sich beim Theater des Antragsgegners, bei dem pro Stück etwa 7.000 Zuschauer verteilt auf 22 bis 25 Vorstellungen, sohin etwa 300 Zuschauer pro Aufführung zugegen waren, um ein größenmäßig „kleines Theater“ gehandelt hat, kann ebenso wenig ernsthaft in Zweifel gezogen werden wie dass es sich bei den von seinem Ensemble dargebotenen Stücken (in der Entscheidung angeführt werden etwa „Barfuß im Park“ von Neil Simon, „Die Nervensäge“ von Francis Veber oder „Katzenzungen“ von Miguel Mihura) um keine Werke der „großen Kunst“, sondern eben um unterhaltsame Komödien handelt. Diese dienen vorwiegend der Unterhaltung, womit das Zeichen tatsächlich rein beschreibend für diese Dienstleistung der Klasse 41 ist. Gleichzeitig liegt in ihrer Aufführung auch eine kulturelle Aktivität, wodurch die Marke auch dafür rein beschreibend ist. Die Aufführungen geschehen im Rahmen des „Betriebs eines Theaters“, sodass auch diese Dienstleistung durch das Zeichen beschrieben wird.
1.2.2. Des Weiteren ist „Kleine Komödie“, worauf die Nichtigkeitsabteilung ebenfalls bereits zutreffend hingewiesen hat, auch der Titel einer heiteren Briefnovelle von Arthur Schnitzler. Soweit der Antragsgegner in der Berufung dazu ausführt, diese Novelle habe mit Theater oder anderen Bühnenproduktionen nichts zu tun, genügt der Hinweis, dass er die Marke auch für die Dienstleistungen „kulturelle Aktivitäten“ und „öffentlicher Präsentationen von Werken der Literatur für kulturelle Zwecke“ angemeldet hat. Eine öffentliche Lesung von Schnitzlers Werk fällt zweifelsfrei unter solche Dienstleistungen, sodass auch hier von einer beschreibenden, jedenfalls aber ohne Gedankenoperationen Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der Dienstleistungen zulassenden Wirkung der Marke auszugehen ist. Im Übrigen reicht es, wie bereits ausgeführt, wenn das Zeichen nur in einer seiner möglichen Bedeutungen beschreibenden Charakter hat, was hier der Fall ist.
1.2.3. An diesem Verständnis ändert nichts, dass die Marke zusätzlich auch die geografische Bezeichnung „Graz“ enthält, werden doch die angesprochenen Verkehrskreise darin nur die Bezeichnung jenes Ortes sehen, an dem das Theater betrieben wird oder die Dienstleistungen der Unterhaltung, kulturellen Aktivitäten oder öffentlichen Präsentation von Werken der Literatur für kulturelle Zwecke erbracht werden. Eine eigentümliche, fantasievolle neue Bedeutung im Sinne der dargelegten Judikatur verleiht es dem Zeichen hingegen nicht. Der Sinngehalt der drei Wörter „Kleine“, „Komödie“ und „Graz“ geht damit auch nicht über die Summe ihrer Bestandteile hinaus.
Zutreffend ist die Nichtigkeitsabteilung daher vom Fehlen originärer Unterscheidungskraft des Zeichens ausgegangen.
2. Zur Verkehrsgeltung:
Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, die Nichtigkeitsabteilung habe zu Unrecht die erworbene Unterscheidungskraft aufgrund Verkehrsgeltung verneint. Wegen der typischen Ortsgebundenheit eines Theaterbetriebs sei nämlich entgegen der Rechtsansicht der Nichtigkeitsabteilung nicht auf die Bekanntheit im gesamten Bundesgebiet, sondern nur auf jene in der Steiermark abzustellen. Das folge schon daraus, dass der Schutzzweck der Registrierung der Marke darin liege, die missbräuchliche Verwendung dieses Zeichens für konkurrierende Bühnenangebote in der Stadt Graz und allenfalls deren Umgebung zu unterbinden. Ausgehend davon hätte die Rechtsabteilung von einer „regionalen Verkehrsgeltung“ ausgehen müssen.
2.1. Allgemeine Grundsätze:
2.1.1. Eine Marke, der keine originäre Unterscheidungskraft zukommt, wird gemäß § 33 Abs 2 MSchG dennoch nicht gelöscht, wenn sie infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat. Das hat der belangte Markeninhaber im Löschungsverfahren nachzuweisen, wenn – wie hier – ein Zeichen ohne Hinweis auf einen Verkehrsgeltungsnachweis registriert wurde ( Mutz aaO Rz 10 mwN).
2.1.2. Ob eine Marke infolge Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, ist konkret anhand sämtlicher Gesichtspunkte zu prüfen, die zeigen können, dass die Marke die Eignung erlangt hat, die betreffende Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen. Diese Gesichtspunkte müssen sich auf eine Benutzung der Marke als Marke beziehen, das heißt auf eine Benutzung, die der Identifizierung der Ware oder Dienstleistung durch die beteiligten Verkehrskreise als von einem bestimmten Unternehmen stammend dient (EuGH C-217/13 und C-218/13, Oberbank , Rn 40-42, 44; EuGH C-215/14, Kitkat I, Rn 63; 4 Ob 101/20m, Farbmarke Orange ).
Verkehrsgeltung ist anzunehmen, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise im Zeichen einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erblickt (EuGH C-215/14, Kitkat I , Rn 58 ff; EuGH C-108/97, Chiemsee , Rn 46; EuGH C-299/99, Philips/Remington , Rn 61; EuGH C-353/03, Nestlé/Mars, Rn 30; RS0078751; 4 Ob 38/06a, Shopping City). Maßgeblich ist, dass die beteiligten Verkehrskreise an ein und dasselbe Unternehmen oder an die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen denken, wenn sie mit dem Zeichen konfrontiert werden (vgl RS0078751 [T7]). Die Verkehrsgeltung muss damit sowohl personen- als auch produktbezogen sein. Sie begründet die Eintragungsfähigkeit nur für denjenigen, zu dessen Gunsten die Verkehrsgeltung erworben wird, und sie muss für die Waren oder Dienstleistungen bestehen, für die die Eintragung der Marke beantragt wird (RS0113084; 4 Ob 325/99v, Manpower ).
An den Nachweis der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je höher das Freihaltebedürfnis ist (RS0078807). Bei einem glatt beschreibenden Zeichen ist eine nahezu einhellige Verkehrsbekanntheit erforderlich (BGH I ZR 257/00, Kinder;zustimmend 4 Ob 38/06a, Shopping City ; OLG Wien 133 R 37/17i, Waffelverpackung ; OLG Wien 133 R 23/17f, HAUSARZT ).
2.1.3.Generell gilt, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Marke im gesamten Bundesgebiet gegeben sein müssen, weil das MSchG kein Markenrecht kennt, das nur auf einen Teil des Staatsgebiets beschränkt wäre. Nur wenn die Ware oder Dienstleistung auf ein bestimmtes Verkehrsgebiet beschränkt ist, muss nicht der gesamte Geltungsbereich des Markenschutzgesetzes in Betracht gezogen werden (OM 11/89, Radio Tirol= PBl 1991, 138; RS0066690; OLG Wien 34 R 83/16z).
2.2. Zum konkreten Zeichen:
2.2.1. Entgegen den Berufungsausführungen lassen sich die Dienstleistungen des Betriebs eines Theaters, der Unterhaltung, der kulturellen Aktivitäten oder der öffentlichen Präsentation von Werken der Literatur für kulturelle Zwecke grundsätzlich überall anbieten oder erbringen; eine der Art und dem Wesen der Dienstleistungen eigentümliche räumliche Beschränkung gibt es hier nicht (vgl OLG Wien 34 R 83/16z [3.2]). Das zeigt sich schon darin, dass der Antragsgegner seine Theaterproduktionen nicht ausschließlich in Graz und der Steiermark, sondern nach den Feststellungen etwa auch im angrenzenden Burgenland, in Innsbruck oder in Baden bei Wien zur Aufführung gebracht hat. Zudem steht fest, dass der Antragsgegner etwa während der COVID 19 Pandemie Lesungen auch online und damit im gesamten Bundesgebiet abrufbar angeboten hat (Beschlussseite 31, vorletzter Absatz).
Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von jenem, welcher der in der Berufung zitierten Entscheidung 4 Ob 309/82, Egger Bier, zugrunde lag: Dort stand nämlich fest, dass das Verbreitungsgebiet des zu beurteilenden Bieres die Grenze des Bundeslandes nie überschritten hat. Zudem handelte es sich um kein markenrechtliches Löschungsverfahren, sondern um ein Unterlassungsverfahren nach dem UWG, in dem nicht primär die Verkehrsgeltung einer Marke zu beurteilen war, sondern der örtliche Umfang eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsgebots.
Es ist daher auch im vorliegenden Fall entgegen den Berufungsausführungen der Nachweis der Verkehrsgeltung im gesamten Bundesgebiet zu fordern; dass er diesen erbracht hätte, behauptet der Antragsgegner selbst nicht.
2.2.2. Selbst wenn man aber dem Argument des Antragsgegners folgte, wonach die Verkehrsgeltung nur regional bezogen auf das Bundesland Steiermark zu beurteilen sei, ist ihm der ihm obliegende Nachweis einer solchen Verkehrsgeltung nicht gelungen: Wie bereits dargelegt, muss ein erheblicher – da es sich, wie oben zu Punkt 1.2. ausgeführt, um ein rein beschreibendes Zeichen handelt, sogar ein nahezu einhelliger - Teil der Verkehrskreise die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen. Das lässt sich den getroffenen Feststellungen jedoch nicht entnehmen:
Die vom Antragsgegner vorgelegten Aussendungen lassen keine Rückschlüsse darauf zu, ob und inwieweit die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen zur Kenntnis genommen haben; zum Teil (etwa Beilagen ./23, ./24) enthalten sie auch nicht den konkreten Wortlaut der nunmehr angemeldeten Marke, sondern den Vereinsnamen des Antragsgegners „Kleine Komödie/Kammerspiele Graz“. Aus den vorgelegten Zeitungsberichten wiederum ergibt sich nur, dass verschiedene - überwiegend regionale - Medien im Laufe der Jahre regelmäßig über Veranstaltungen des Antragsgegners berichtet haben, was jedoch keinen Hinweis darauf liefert, dass tatsächlich eine beträchtliche Zahl der in der Steiermark lebenden Menschen im Zeichen „Kleine Komödie Graz“ einen Hinweis auf die Herkunft der damit beschriebenen Dienstleistungen sieht. Zudem wird in der Berichterstattung keine einheitliche Formulierung gewählt, indem teilweise von der „Kleinen Komödie Graz“, teilweise jedoch auch nur von der „Kleinen Komödie“ gesprochen wird (vgl Beilage ./E). Angaben zur Reichweite der Medien, aus der die Berichte stammen, fehlen ebenfalls (vgl zu alledem OLG Wien 33 R 129/23t, Alpenländischer Volksmusikwettbewerb mwN).
Angesichts einer gerichtsnotorischen Einwohnerzahl der Steiermark von rund 1,2 Mio führt auch die Aussendung von Foldern an maximal 14.000 Personen oder die Plakatierung von 150 größeren Plakaten in der gesamten Steiermark nicht zwingend dazu, dass ein erheblicher oder gar einhelliger Teil der angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen als Unternehmenshinweis ansieht.
Damit ist aber auch nicht von einer der Löschung der Marke entgegenstehenden Unterscheidungskraft wegen Verkehrsgeltung auszugehen.
3.Da nach dem Gesagten die Rechtsabteilung dem Löschungsbegehren schon auf Grundlage des § 33 MSchG zu Recht stattgegeben hat, war auf die weiters geltend gemachten Löschungsgründe der §§ 32 und 34 MSchG – und folglich auch auf die Beweisrüge des Antragstellers, die nur Auswirkungen auf die Beurteilung der Bösgläubigkeit des Antragsgegners hätte – nicht weiter einzugehen. Die Berufung musste damit erfolglos bleiben.
4.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO (iVm § 35 Abs 5 MSchG und §§ 122 Abs 1 PatG).
5.Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben ist gemäß § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO (iVm § 40 MSchG und § 141 Abs 2 PatG) auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000 übersteigt (vgl 4 Ob 66/18m ua).
6.Ob ein Begriff rein beschreibend ist und ein Zeichen Verkehrsgeltung erlangt hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (iVm § 42 MSchG und § 143 Abs 1 PatG) auf (vgl RS0121895; RS0121679). Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Oberlandesgericht Wien
1011 Wien, Schmerlingplatz 11
Abt. 33, 19. August 2025
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