Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Februar 2025, GZ **-28.1, nach der am 30. Juli 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider-Reich und des Richters Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seiner Verteidigerin Mag. Bükra Bastürk durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird Folgegegeben und die verhängte Freiheitsstrafe unter Ausschaltung bedingter Strafnachsicht nach § 43a Abs 3 StGB auf 30 Monate erhöht.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene bulgarische Staatsangehörige A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt und hiefür „unter Anwendung des § 39 Abs 1a StGB“ nach dem Strafsatz des § 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von 18 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 26. November 2023 (ON 2.7.2: in **) B* zu verletzen und dadurch eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung herbeizuführen versucht, indem er ihm, als er bereits am Boden lag, mehrfach wuchtige Faustschläge und Fußtritte versetzte.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht zwei einschlägige Vorstrafen erschwerend, mildernd hingegen, dass es beim Versuch blieb sowie die Enthemmung durch Alkohol.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 29), mit ON 37 fristgerecht zur Ausführung gelangte Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe mit dem Antrag auf schuld- und tatangemessene Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe, der Berechtigung zukommt.
Zunächst ist festzuhalten, dass mit dem dritten Gewaltschutzgesetz (BGBl I 2019/105) der Gesetzgeber die Tatumstände, die zur Anwendung des § 39a StGB und damit zu einer zwingenden Erhöhung der Strafuntergrenze führen, erheblich erweitert hat ( Flora , WK 2StGB § 39a Rz 4).
Begeht der Täter eine vorsätzliche strafbare Handlung unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung unter Einsatz eines außergewöhnlich hohen Ausmaßes an Gewalt, so kommt - wenn dieser Umstand nicht schon die Strafdrohung bestimmt - gemäß § 39a Abs 1 Z 3 erster Fall StGB zwingend die höhere Strafuntergrenze des § 39a Abs 2 StGB zur Anwendung.
Exzessive Gewalt im Sinne des § 39a Abs 1 Z 3 erster Fall StGB liegt bei Handlungsweisen vor, die von besonderer Intensität sind und solcherart auch ein erhöhtes Risiko für das Leben darstellen. Nach der Rechtsprechung kommen insbesondere Schläge und Tritte gegen Gesicht und Körper in Betracht (OGH 15 Os 141/19b, 12 Os 29/23s).
Nach den insoweit wesentlichen Feststellungen (US 4) schlug und trat der Angeklagte – kurz zusammengefasst - mehrfach und fortgesetzt wuchtig auf diese Körperpartien des am Boden liegenden Opfers ein (US 4: „erteilte ihm […] einen wuchtigen Fußtritt […] gegen dessen Oberkörper, sodass dieser am Boden eine Rolle rückwärts machte […]“, „schlug […] auf den am Boden liegenden B* mehrfach mit der Faust ein“, „weitere drei wuchtige Faustschläge, abwechselnd mit der rechten und linken Hand in Richtung Gesicht“, „danach drehte sich [der Angeklagte] erneut zu B* und trat diesem mit seinem rechten Fuß wuchtig gegen den Oberkörper“).
Die erheblichen mehrfachen stumpfmechanischen Gewalteinwirkungen gegen verletzungsanfällige Körperregionen stellen sich in Anbetracht der konkreten Tatsituation als besonders rücksichtslose und brutale Aggressionshandlungen gegen ein bereits am Boden liegendes Opfer dar ( Flora , WK 2StGB § 39a Rz 10). Darin liegt jene besondere Gewaltintensität, die bei erwachsenen Straftätern zwingend eine Änderung der Mindeststrafdrohung nach § 39a Abs 2 Z 3 iVm Abs 1 Z 3 StGB zur Folge hat, nachdem der Tatbestand des § 84 Abs 4 StGB keinen außergewöhnlich hohen Gewalteinsatz erfordert und ein solcher nicht dessen Strafdrohung bestimmt. Fallkonkret ist sohin von einem (nach §§ 39 Abs 1a, 39a Abs 2 Z 3 iVm Abs 1 Z 3 StGB erweiterten) Strafrahmen von einem bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.
Gemäß § 32 Abs 2 StGB hat bei Bemessung der Strafe – deren Grundlage gemäß Abs 1 leg cit die Schuld des Täters ist – das Gericht die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte.
Im allgemeinen ist die Strafe um so strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können (§ 32 Abs 3 StGB).
Die vom Erstgericht im Übrigen zutreffend aufgelisteten Strafzumessungsgründe sind zunächst mehrfach zum Nachteil des Angeklagten zu korrigieren. Denn aufgrund der geschilderten Aggressionsakte des Angeklagten, der dem Opfer besonders brutal, nämlich gefühllos und unbarmherzig, versuchte schwere Verletzungen zuzufügen, sind zusätzlich auch die besonderen Erschwerungsgründe des § 33 Abs 2 Z 5 StGB - ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (RIS-Justiz RS0130193; aA Flora, WK 2 StGB § 39aRz 15), handelt es sich bei § 39a StGB doch um eine reine, den Strafsatz nicht bestimmende Strafrahmenvorschrift ( Riffel , WK 2StGB § 32 Rz 54/4) - und des § 33 Abs 1 Z 6 StGB anzunehmen (vgl Riffel , aaO § 33 Rz 21 zum Begriff der Grausamkeit und Rz 34/5 zur gleichzeitigen Anwendung der in Rede stehenden Erschwerungsgründe).
Mit Blick darauf, dass der Angeklagte bereits in der Vergangenheit in alkoholisiertem Zustand gewalttätig wurde, so konsumierte er auch unmittelbar vor dem seiner Verurteilung zu AZ ** des Bezirksgerichts Donaustadt zugrunde liegenden Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB Alkohol (vgl dessen Angaben auf Seite 3 im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 29. November 2018), hat auch der Milderungsgrund der Enthemmung durch Alkohol zu entfallen. Denn wie die Berufungswerberin zutreffend ausführt, wusste der Angeklagte doch um seine gesteigerte Aggressionsbereitschaft im Falle dessen Konsums bzw musste zumindest um diese Wirkung wissen (vgl RIS-Justiz RS0090988, RS0091059).
Bei Abwägung der solcherart zum Nachteil des Angeklagten korrigierten Strafzumessungsparameter, der dargestellten allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und 3 StGB anzustellenden Überlegungen und spezial- und generalpräventiver Aspekte erweist sich die im untersten Bereich des maßgeblichen Strafrahmens von einem bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verhängte Sanktion jedoch als zu gering bemessen.
Zutreffend verweist die Staatsanwaltschaft nämlich auf den gegenständlich hohen Gesinnungs- und Handlungsunwert, hat der Angeklagte doch bereits in der Vergangenheit seinen Opfern einen bzw mehrere (Faust-)Schläge ins Gesicht versetzt, wodurch diese (in einem Fall sogar schwer) verletzt wurden (ON 21 und ON 22). Dennoch zeigte er fallaktuell erneut ein aggressives Verhalten, das er auch nachdem bereits andere Personen auf ihn einredeten sowie nach einer kurzen Pause, in welcher das Opfer beinahe regungslos am Boden lag, erneut fortsetzte, indem er auf dieses wuchtig eintrat. Befragt zum Grund für diesen neuerlichen Tritt gab er lediglich an, dass das Opfer noch bei Bewusstsein gewesen sei (PS 21).
Angesichts dieser Umstände ist schon aus spezialpräventiven Gründen eine Erhöhung der Freiheitsstrafe auf das spruchgemäße Ausmaß erforderlich, um ihm das Unrecht seiner Tat eindrucksvoll vor Augen führen zu können und ihn hinkünftig von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten sowie um (innerhalb der schuldadäquaten Strafe zu berücksichtigenden) Belangen der Generalprävention (vgl RIS-Justiz RS0090592 [insb auch T1], RS0090600) ausreichend Rechnung zu tragen.
Gerade die einschlägigen Vorstrafen sowie das nunmehr brutale Vorgehen zeigen eine offenkundige Gewaltgeneigtheit des Angeklagten sowie dessen Gleichgültigkeit gegenüber dem geschützten Rechtsgut von Leib und Leben. Eine Anwendung der – auf extreme Ausnahmefälle abzielenden (vgl RIS-Justiz RS0092050) – Bestimmung des § 43a Abs 4 StGB kommt folglich nicht in Betracht kommt.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft ist daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
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