Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Futterknecht, LL.M., BSc, und den Kommerzialrat Mag. Starsich in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren **, **, vertreten durch Mag. Christoph Brogyáni, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, dieser Vertreten durch Mag. Elisabeth Mace, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH, **, vertreten durch die Stefan Prochaska Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 836.088 samt Nebengebühren, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 11. November 2024, ** 29, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 5.775,42 (darin EUR 962,52 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt den Zuspruch von EUR 836.088 samt Zinsen und brachte dazu vor, er sei von der Beklagten, vertreten durch deren Partner Dr. C*, mit E Mail vom 30.4.2019 beauftragt worden, für deren Klientin D* im Zuge seines Inkassobüros offene Forderungen von insgesamt EUR 10.700.000 einbringlich zu machen. Er habe den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt. Die Beklagte habe aber die vereinbarte „Remuneration“ trotz Fälligkeit nicht bezahlt. Dr. C* und Mag. E* hätten für die Beklagte zugesagt, dass der Kläger die Provision bekomme.
Die Beklagte bestritt und brachte im Wesentlichen vor, sie habe im April und Mai 2019 als rechtliche Vertretung ihrer Mandantin D*, somit in Ausübung der Rechtsanwaltschaft, mit dem Kläger per E Mail kommuniziert und weder für ihre Mandantin noch im eigenen Namen einen Auftrag an den Kläger erteilt. Das von der Beklagten versandte E Mail vom 30.4.2019 sei eindeutig dahin zu verstehen, dass die Beklagte für ihre Klientin und nicht im eigenen Namen gehandelt habe.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab und verhielt den Kläger zum Kostenersatz. Ausgehend von den auf den Seiten 2 bis 4 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird, kam es in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, der Kläger habe das Anbot der Beklagten vom 30.4.2019 nicht angenommen, sondern am 1.5.2019 ein Gegenangebot übermittelt. Die Beklagte sei daher nicht mehr an ihre Offerte gebunden gewesen. Der Bevollmächtigungsvertrag zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Klienten habe die entgeltliche Besorgung von Geschäften in Vertretung des Klienten zum Gegenstand. Der Machthaber könne aber unmöglich aus Eigenem verpflichtet werden. Eine Zusage der Beklagten in Form eines Anerkenntnis oder eine Verwendungszusage sei nicht festgestellt worden.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1.1. Im Rahmen der Verfahrensrüge argumentiert der Berufungswerber, das erstinstanzliche Verfahren leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil das Erstgericht die von ihm beantragte Zeugin D* nicht einvernommen habe.
1.2. Aufgabe eines Zeugen ist es, seine Wahrnehmungen über konkrete Tatsachen zu bekunden, nicht aber, diese Tatsachen zu beurteilen oder aus ihnen Schlussfolgerungen abzuleiten (RS0040548).
1.3. Der Kläger beantragte in seinem aufgetragenen Schriftsatz vom 10.4.2024 die Einvernahme von D* zum Beweis dafür, dass der Kläger von der Beklagten vertreten durch Dr. C* mit E Mail vom 30.4.2019 beauftragt worden sei, für deren Klientin D* im Zuge seines Inkassobüros offene Forderungen von insgesamt EUR 10.700.000 einbringlich zu machen. Damit beantragte er die Einvernahme der Zeugin jedoch lediglich zum Inhalt des E-Mails vom 30.4.2019, dessen Inhalt von der Beklagten ohnehin nicht bestritten wurde.
1.4. In der der Tagsatzung vom 23.5.2024 brachte er zudem vor, die Zeugin werde auch zum Beweis dafür beantragt, „dass die Beklagte dem Kläger die geltend gemachte Forderung schulde“ . Dabei handelt es sich jedoch um eine Rechtsfrage, die einem Zeugenbeweis ebenfalls nicht zugänglich ist.
1.5. Ein Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Verfahrens liegt somit nicht vor.
2.1.1. In der Beweisrüge bekämpft der Berufungswerber zunächst die Feststellungen
„In weiterer Folge korrespondierte Dr. C*, der Rechtsvertreter von D*, für seine Mandantin mit dem Kläger, um mit ihm den Inhalt der hierfür erforderlichen Verträge auszuhandeln. [...] Daraufhin antwortete der Kläger Dr. C* am 1.5.2019 mit einem Gegenoffert (./3). Die Beklagte reagierte auf dieses Gegenoffert für Ihre Mandantin nicht.“
und begehrt stattdessen die Ersatzfeststellungen
„Tatsächlich wurde der Kläger von der Beklagten vertreten durch Herrn Dr. C* (Partner) mit E-Mail vom 30.4.2019 (Auftrag) beauftragt, für deren Klientin D* im Zuge seines Inkassobüros offene Forderungen von insgesamt EUR 10.700.000,00 einbringlich zu machen.
Am 31.5.2019 ist es dem Kläger gelungen, die Schuldner davon zu überzeugen, an Geldes statt alle Firmenanteile (Wert 10.000.000.-) der F* GmbH FN ** an die Mandantin der Beklagten zu übertragen, da diese Schuldner nicht in der Lage waren, die gewährten Darlehen zurückzuzahlen. Am 22.1.2020 wurde nach langwierigen, aufwendigen und schwierigen Bemühungen des Klägers ein Generalvergleich (Settlement agreement and general release) mit der Mandantin der Beklagten und anschließend am 3.4.2020 der Übergabevertrag notariell unterzeichnet.
Die Beklagte hat den Kläger zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass kein aufrechtes Vertragsverhältnis mit ihr besteht. Der Kläger durfte daher darauf vertrauen, dass die Beklagte die Provision für dessen verdienstliche Tätigkeiten vereinbarungsgemäß schuldet. Der Kläger wurde von der Beklagten direkt beauftragt, Forderungen für Frau D* einzutreiben.
Zwischen der Beklagten und dem Kläger kam es zu einem Vertrag, mit welchem der Kläger von der Beklagten mit der Eintreibung eines Darlehensbetrages für Frau D* beauftragt wurde. Die Beklagte hat dem Kläger die Bezahlung der klagsgegenständlichen Forderung zugesagt. Zudem wurde die klagsgegenständliche Rechnung des Klägers von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt zurückgewiesen.“
2.1.2. Zwischen der bekämpften und der ersatzweise begehrten Feststellung muss zwingend ein inhaltlicher Gegensatz (Widerspruch) bestehen; die eine Konstatierung muss die andere ausschließen (OLG Wien 4 R 47/24x, 4 R 62/24b, 4 R 151/24s uva). Ein derartiges Austauschverhältnis liegt nur dann vor, wenn sich die bekämpfte und die gewünschte Feststellung in einem solchen Alternativverhältnis darstellen, dass sie ohne inneren Widerspruch nicht nebeneinander bestehen können (OLG Wien 10 Rs 29/24v). Diesen Anforderungen wird die Beweisrüge nicht gerecht:
2.1.3 Bei dem ersten Absatz der begehrten Ersatzfeststellungen handelt es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine rechtliche Qualifikation. Die Verwendung einfacher Rechtsbegriffe (zB Kauf, Miete, etc) in einer Entscheidung kann zwar auch die Feststellung von Tatsachen beinhalten, weil sie in den allgemeinen Sprachgebrauch des täglichen Lebens übergegangen sind und vereinfachend für typische, immer wiederkehrende Tatsachenabläufe verwendet werden (RS0043593; 3 Ob 217/11z zu „vereinbart“). Da jedoch das Erstgericht ohnehin auszugsweise den Inhalt des (ohnehin unstrittigen) E-Mails vom 30.4.2019 feststellte, verbleibt kein Raum für die begehrte Feststellung von Rechtsbegriffen. Dies gilt auch für den letzten Satz des dritten Absatzes der begehrten Ersatzfeststellung ( „Der Kläger wurde von der Beklagten direkt beauftragt, Forderungen für Frau D* einzutreiben.“ ) sowie den ersten Satz des dritten Absatzes der begehren Ersatzfeststellungen ( „Zwischen der Beklagte und dem Kläger ...“ ).
2.1.4. Mit dem zweiten Absatz der begehrten Ersatzfeststellungen begehrt der Berufungswerber zusätzliche Feststellungen, welche jedoch als sekundärer Feststellungsmangel im Rahmen der Rechtsrüge geltend zu machen wären. In Vorwegnahme der Behandlung der Rechtsrüge ist jedoch bereits an dieser Stelle festzuhalten, dass mangels Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger die begehrten Feststellungen rechtlich nicht relevant sind.
2.1.5. Auch der erste Satz des dritten Absatzes der begehrten Ersatzfeststellung ist mangels einer allfälligen Verpflichtung der Beklagten, darauf hinzuweisen, dass mit ihr kein aufrechtes Vertragsverhältnis bestehe, nicht von rechtlicher Relevanz.
2.1.6. Bei der weiteren begehrten Ersatzfeststellung ( „Der Kläger durfte daher darauf vertrauen…“ ) handelt es sich um eine rechtliche Schlussfolgerung und um keine feststellbare Tatsache.
2.1.7. Die Ersatzfeststellung zur fehlenden Zurückweisung der Rechnung des Klägers hat ebenfalls keine rechtliche Relevanz.
2.1.8. Schließlich steht auch die Ersatzfeststellung, wonach die Beklagte dem Kläger die Bezahlung der klagsgegenständlichen Forderung zugesagt habe, nicht im Widerspruch zu der angefochtenen Feststellung bzw könnte neben ihr bestehen. Sie würde jedoch im Widerspruch zur den weiteren angefochtenen Feststellungen stehen, sodass darauf in Folge bei der nachstehenden Behandlung der Beweisrüge einzugehen ist.
2.2.1. Der Berufungswerber bekämpft weiters die Feststellungen
„D* besprach mit dem Kläger nicht, dass dieser den Darlehensbetrag gegenüber der G* eintreiben solle. Weder Dr. C* noch Mag. E* sagten dem Kläger zu, ein Honorar über 836.088 EUR zu erhalten. Trotz fehlenden Auftrags betreffend das Darlehen bot die Beklagte im Namen und auf Rechnung ihrer Mandantin „aus Kulanz“ für die Wohnung Top 15 um die bisherigen in Verbindung mit der bevorstehenden Abtretung von den an der F* GmbH gehaltenen Geschäftsanteilen erbrachten Dienstleistungen einen Betrag von 150.000 EUR an. Voraussetzung dafür war aber, dass der Kläger vorab das Original der Vollmacht vom 31.5.2019 betreffend den Verkauf der Wohnung Top 15 und das Original der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung, TZ **, per Post zukommen lässt (./C). Der Kläger ließ dieses Anbot unbeantwortet und übermittelte auch nicht das Original der Vollmacht.“
und begehrt die Ersatzfeststellungen
„D* besprach mit dem Kläger, dass dieser den Darlehensbetrag gegenüber der G* s.r.o. eintreiben solle. Sowohl Dr. C* als auch Mag. E* sagten dem Kläger zu, ein Honorar über EUR 836.088,00 zu erhalten. Aufgrund des bestehenden Auftrags betreffend das Darlehen bot die Beklagte dem Kläger im eigenen Namen aus Kulanz für die Wohnung Top 15 und die bisherigen in Verbindung mit der bevorstehenden Abtretung von den an der F* GmbH gehaltenen Geschäftsanteilen erbrachten Dienstleistungen einen Betrag von 150.000 EUR an. Der Kläger übermittelte das Original der Vollmacht.“
2.2.2. Die gesetzmäßige Ausführung der Beweisrüge erfordert, dass der Rechtsmittelwerber darlegt, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, aufgrund welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese zu treffen gewesen wäre. Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen somit eindeutig erkennen lassen, auf Grund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden ( A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 471 Rz 15 mwN; RS0041835 [T2]).
2.2.3. Die Ausführungen in der Berufung erschöpfen sich zunächst darin, die Beweiswürdigung des Erstgerichts und die nahezu gesamte Aussage des Klägers wiederzugeben. Die sodann monierte Widersprüchlichkeit der Aussagen von Dr. C* und Mag. E* liegt nicht vor:
Im Hinblick auf das E-Mail Beilage ./C gab Dr. C* an, Mag. E* habe direkt mit der Mandantschaft gesprochen und das E-Mail dann direkt aufgesetzt. Das Schreiben werde nicht abgezeichnet. Dass er grundsätzlich kein E-Mail ohne Zustimmung von Dr. C* an die Mandantschaft oder an Dritte versenden habe dürfen, steht damit nicht in Widerspruch, zumal er auch ausführte, er habe das E-Mail in Abstimmung mit Dr. C* und D* geschrieben. Dass das E-Mail vor dem Versand „abgezeichnet“ iS von explizit freigegeben worden sei, gab auch er nicht an. Auch die weiteren in der Berufung wiedergegebenen Angaben von Mag. E* lassen die gerügte Widersprüchlichkeit, Nebulosität bzw Vagheit nicht erkennen.
2.3. Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellung des Erstgerichts als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und liegt sie seiner Entscheidung zugrunde (§ 498 Abs 1 ZPO).
3.1. Der Berufungswerber argumentiert in der Rechtsrüge , er habe als redlicher Erklärungsempfänger davon ausgehen können, dass das ursprüngliche Angebot vom 30.4.2019 gültig sei und er auf dieser Basis seine durch die Beklagte beauftragten Leistungen erbracht hat.
3.2. Die Grundsätze von Treu und Glauben erfordern, dass derjenige, der nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter eines anderen Verträge abschließt, dies eindeutig zum Ausdruck bringt, wenn es den Vertragsteilen nicht ohne weiteres erkennbar ist (RS0019558). Wenngleich es im Hinblick auf den das Stellvertretungsrecht beherrschenden Offenlegungsgrundsatz in jedem Einzelfall, in dem ein ausdrückliches Handeln in fremdem Namen nicht vorliegt, einer sorgfältiger Prüfung bedarf, wie der Dritte - von seinem Erkenntnishorizont aus gesehen - das Auftreten des Handelnden verstehen musste (RS0019516), ist konkret zu beachten, dass aus der Formulierung des E-Mails vom 30.4.2019 ( „wir haben Ihr Angebot mit unserer Mandantin besprochen und sie möchte Ihre Dienstleistungen unter folgenden Bedingungen in Anspruch nehmen: […]“ ) eindeutig hervorgeht, dass das Anbot zwar durch die Beklagte, aber in deren Eigenschaft als Rechtsvertreter von und im Namen von D* erfolgte. Die rechtsgeschäftlicher Erklärung hat sich somit erkennbar auf einen Dritten, also den Vertretenen (konkret D*) bezogen. Auch aus dem E-Mail vom 26.7.2019 (Beilage ./G) ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagten selbst.
4. Der Berufung war somit insgesamt nicht Folge zu geben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
6. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität nicht zu beantworten waren.
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