Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Nigl und Mag. Zechmeister (Senat gemäß § 11a Abs 2 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* geboren am **, Arbeiter, **, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider die beklagte Partei B* e.U., ** , vertreten durch die Hintermeier Brandstätter Engelbrecht Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen EUR 14.006,65 brutto s.A. (hier wegen Wiedereinsetzung) über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 19.5.2025, **-11, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.018,86 (darin enthalten EUR 169,81 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Das Rekursgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Beschlusses für zutreffend. Damit genügt eine auf die für das Rekursverfahren wesentlichen Punkte beschränkte Begründung (§§ 2 Abs 1 ASGG, 500a 2. Satz, 526 Abs 3 ZPO).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der beklagten Partei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zum Einspruch gegen den bedingten Zahlungsbefehl vom 20.12.2024 im Verfahren vor dem Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits - und Sozialgericht zur GZ ** und den Antrag auf Aufhebung des Zahlungsbefehls vom 20.12.2024 ab. Es wies den Einspruch der beklagten Partei gegen den Zahlungsbefehl zurück und verpflichtete die beklagte Partei zum Kostenersatz.
Das Erstgericht nahm – nach Einvernahme des Klägers sowie der Zeugen C*, D* E* und E* - nachstehenden Sachverhalt als bescheinigt an:
Die an der Zustellbasis ** tätige Postzustellerin C* ist seit November 2024 für den Rayon eingeteilt, wo Poststücke für die ** zugestellt werden. Ein Kollege schulte C* im November 2024 auf diese Tour ein. Normalerweise fährt die Postzustellerin C* an fünf Tagen in der Woche diese Tour. An der Adresse ** sind die Unternehmen G* GmbH und B* e.U., die in diesem Verfahren beklagte Partei, situiert. Üblicherweise betritt die Zustellerin das Büro der beiden Unternehmen durch die Schiebetüren und folgt die Post den dort beschäftigten Mitarbeiterinnen aus.
Am 31.12.2024 gegen 9 Uhr versuchte die Postzustellerin C* in das Büro der beklagten Partei hineinzugehen, um der beklagten Partei den Zahlungsbefehl vom 20.12.2024 (ON 2) zuzustellen, aber die Schiebetüren gingen nicht auf, es war finster und niemand war da. Ein Hinweiszettel auf einen „Betriebsurlaub“ befand sich nicht an der Schiebetür. Die beklagte Partei hatte der Postzustellerin auch nichts von einem „Betriebsurlaub“ mitgeteilt. Dass die beklagte Partei vom 20.12.2024 bis 7.1.2025 auf „Betriebsurlaub“ war, kann nicht festgestellt werden. Die Postzustellerin hatte deshalb Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Die Postzustellerin füllte daraufhin die Hinterlegungsanzeige aus und warf diese in den Briefkasten der beklagten Partei, der sich neben der Tür befand. Sie nahm den Brief mit dem Zahlungsbefehl wieder mit an die Zustellbasis und gab ihn in die jeweilige Postpartnerkiste.
Der Zahlungsbefehl vom 20.12.2024 wurde der beklagten Partei durch Hinterlegung zur Abholung am 31.12.2024 zugestellt.
Rechtlich folgerte das Erstgericht zusammengefasst, dass der Zahlungsbefehl vom 20.12.2024 der beklagten Partei durch Hinterlegung zur Abholung ab 31.12.2024 zugestellt worden sei. Der Zustellvorgang sei rechtswirksam. Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis liege nicht vor.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten aus den Rekursgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, Verfahrensmängel und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung samt sekundärer Feststellungsmängel mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und dem Antrag auf Aufhebung des Zahlungsbefehls vom 20.12.2024 stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt dem Rekurs keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1.) Vorauszuschicken ist, dass der Rechtsmittelwerber die Rekursgründe teilweise nicht getrennt zur Darstellung bringt, sodass allfällige Unklarheiten zu seinen Lasten gehen.
2.) Soweit der Rechtsmittelwerber einzelne Feststellungen des Erstgerichts rügt und ersatzweise andere Feststellungen begehrt (Seiten 2 bis 6 des Rekurses) ist ihm zu entgegnen, dass nach herrschender Lehre und Rechtsprechung die Beweiswürdigung im Rekursverfahren jedenfalls dann nicht angefochten werden kann, wenn das Erstgericht die Beweise selbst unmittelbar aufgenommen hat (RS0040120; A. Kodek in Rechberger/Klicka 5 § 526 Rz 5 mwN). Da im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz Beweise nur dann ungewürdigt werden können, wenn sie von der Rechtsmittelinstanz in gleicher Weise aufgenommen wurden wie vom Erstgericht, eine Rekursverhandlung aber nicht vorgesehen ist, kann die Beweiswürdigung im Rekursverfahren nicht angefochten werden. Es ist somit dem Rekursgericht verwehrt, die Tatsachenrüge einer inhaltlichen Überprüfung zu unterziehen (OLG Wien * uva).
3.) Es ist völlig unklar, worauf der Rekurswerber mit seinen polemischen Ausführungen hinzielt, dass das Erstgericht sich einer „Scheinbegründung“ bedient, sich „vollkommen oberflächlich mit den jeweiligen Aussagen der Zeuginnen auseinandergesetzt“ und eine „fragwürdige Ansicht“ hätte sowie „den Anschein erwecke, es sich hier ‚leicht‘ machen zu wollen“.
Die Beweiswürdigung des Erstgerichts kann wie ausgeführt nicht angefochten werden. Dies gilt auch für die angenommene „Negativfeststellung“ (die im Übrigen keine Negativfeststellung ist). Auch bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen handelt es sich um Beweiswürdigung und nicht - wie der Rekurswerber möglicherweise meint - um eine rechtliche Beurteilung (es ist hier – Seite 5 oben des Rekurses – nicht ganz klar, was der Rekurswerber meint, wenn er ausführt, dass „es“ sich um eine rechtliche Beurteilung handle).
Eine mangelhafte Begründung wird weder substanziiert aufgezeigt, noch liegt sie vor. Welche primäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit „diesem Punkt“ geltend gemacht werden soll, ist wiederum unklar. Der Rekurswerber bringt vor, das Erstgericht „hätte sich in seiner Beweiswürdigung mit den Beweisergebnissen viel detaillierter und umfassender auseinandersetzten müssen, um sich dem Vorwurf eines Begründungsmangels entziehen zu können“. Entgegen der Behauptung des Rekurswerbers haftet dem angefochtenen Beschluss aber kein Begründungsmangel an. Das Erstgericht hat hinreichend dargelegt, aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen dazu es zu dem von ihm als bescheinigt angenommenen Sachverhalt gelangt ist. Dass für eine wesentliche Feststellung eine nachvollziehbare Begründung fehlt bzw sich das Gericht in seiner Beweiswürdigung mit großen Teilen der Beweisergebnisse nicht auseinandergesetzt hätte, sodass ein Verfahrensmangel verwirklicht sein könnte, wird nicht aufgezeigt. Letztlich argumentiert der Rekurswerber auch hier inhaltlich gegen die Beweiswürdigung, die er aber nicht anfechten kann.
4.) Auch sekundäre Feststellungsmängel liegen nicht vor.
Der Rekurswerber hat sich in seinem Antrag ausdrücklich darauf gestützt, dass er persönlich gemeinsam mit seiner Frau, F* E*, die Organisation des Unternehmens übernehme. Poststücke würden sorgfältig geprüft und unverzüglich behoben oder bearbeitet. Weder wurde zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags behauptet, dass sich „unzählige Poststücke im Briefkasten an der Abgabestelle befunden“ hätten, noch dass die Hinterlegungsanzeige unabsichtlich entsorgt oder mit Werbematerial weggeworfen hätte. Vielmehr wurde ein Fehler des Beklagten und der ihm zurechenbaren Personen kategorisch ausgeschlossen. Der Beklagte hat die von ihm beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - neben umfangreichen Erwägungen zur hier nicht relevanten Zustellung im elektronischen Weg – ausschließlich auf einen Fehler im Zustellvorgang oder des Zustellorgans gestützt.
Soweit er nun ein mögliches Versehen im Zusammenhang mit der Entgegennahme von Poststücken in seinen Betrieben ins Treffen führen möchte, steht dem damit das Neuerungsverbot, das auch im Rekursverfahren gilt (RS0042091, RS0108589), entgegen. Nach § 149 Abs 1 ZPO hat der Wiedereinsetzungswerber alle den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Umstände anzuführen; andere, nicht (näher) behauptete Umstände sind aufgrund der Eventualmaxime präkludiert ( Gitschthaler in Rechberger/Klicka 5, §§ 148-149 ZPO Rz 2). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung aufgrund ungenannt gebliebener Umstände ist ausgeschlossen (OLG Wien *).
Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 2 Abs 1 ASGG, §§ 50, 154 ZPO.
Gegen die Bestätigung der Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO; RS0105605 [T1]).
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