Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Richterin des Oberlandesgerichtes MMag. Pichler als Einzelrichter gemäß § 8a JN in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* als Masseverwalter im Konkursverfahren der B* GmbH , früher C* GmbH (D* des Handelsgerichtes Wien), **, vertreten durch Kosesnik-Wehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, wider die beklagte Partei Dr. E*, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkursverfahren der F* GmbH(G* des Landesgerichtes Wr. Neustadt), **, wegen Anfechtung nach der IO (Streitwert EUR 183.600,--), über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse EUR 5.041,--) gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 11.2.2025, **-50, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschl uss
gefasst:
A. Die mit dem Rekurs vorgelegten Beilagen ./J und ./L werden zurückgewiesen.
B. Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss wie folgt abgeändert :
„Die Gebühren des Sachverständigen Mag. H*, **, werden für die gesamte Tätigkeit im gegenständlichen Verfahren gemäß den Vorschriften des GebAG bestimmt mit EUR 3.774,-- (darin EUR 629,-- USt). “
Die Erlassung einer neuen Auszahlungsanordnung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Der Klägerbegehrte die Unwirksamkeit einer zwischen der B* GmbH und der Beklagten abgeschlossenen Verrechnungsübereinkunft, der darauf beruhenden Aufrechnung und des darin enthaltenen Anerkenntnisses der B* GmbH, und zwar gegenüber den Gläubigern im Konkurs über das Vermögen der B* GmbH, sowie die Zahlung von EUR 183.600,-- s.A. Er stützte seine Anfechtung auf § 28 Z 1, Z 2 respektive Z 3, § 30 Abs 1 Z 1 und Z 2 IO und § 31 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall respektive Abs 1 Z 2 erster und zweiter Fall sowie Z 3 IO, ferner auf § 82 GmbHG sowie auf Kollusion und die Unzulässigkeit des Insichgeschäfts.
Die ursprünglich noch nicht in Konkurs befindliche Beklagte bestritt die vom Kläger behaupteten Anfechtungstatbestände und wies insbesondere der Vorwurf zurück, sie hätte durch die angefochtenen Rechtshandlungen mit der B* GmbH in Benachteilungsabsicht und kollusiv zusammengewirkt. Die Beklagte habe keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der B* GmbH gehabt.
Mit Beschluss vom 10.3.2024 (ON 17) bestellte das Erstgericht Mag. H* zum Sachverständigen und beauftragte ihn binnen acht Wochen mit der Erstattung von Befund und Gutachten zu den Fragen, ob und wann eine materielle Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung im Sinne der IO) der Insolvenzschuldnerin B* GmbH eingetreten sei, und ob insbesondere im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung im Februar 2022 oder im August 2022 (Anfechtung der Verrechnungsübereinkunft) eine materielle Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung im Sinne der IO) der Insolvenzschuldnerin B* GmbH vorgelegen habe.
Am 12.3.2024 erstattete der Sachverständige eine Gebührenwarnung dahingehend, dass er von einem Zeitaufwand von 80 Stunden und voraussichtlichen Gebühren von in Summe EUR 17.856,-- ausgeht (ON 18).
Mit Beschluss vom 12.3.2024 wurde der Sachverständige daher angewiesen, bis zum Erhalt einer weiteren Weisung mit der seiner Tätigkeit innezuhalten (ON 19).
Nach Erlag des ergänzenden Kostenvorschusses wurde dem Sachverständigen mit Beschluss vom 28.3.2024 die Fortsetzung seiner Tätigkeit aufgetragen (ON 21).
Mit Beschluss vom 12.4.2024 wurde dem Sachverständigen die erneute Innehaltung aufgetragen, weil die Prozessparteien aufgrund der von der Beklagten beabsichtigten Insolvenzeröffnung aus prozessökonomischen Erwägungen darum ersuchten (ON 24). In die E-Mails ON 22 vom 10.4.2024 war der Sachverständige nicht eingebunden.
Mit Beschluss vom 4.6.2024 wurde dem Sachverständigen mangels Mitteilung der Eröffnung eines Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten die Fortsetzung seiner Tätigkeit aufgetragen (ON 27).
Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 7.6.2024, AZ G*, wurde über das Vermögen der Beklagten das Konkursverfahren eröffnet (vgl ON 30).
Mit Beschluss vom 10.6.2024 wurde daraufhin dem Sachverständigen erneut die Innehaltung aufgetragen (ON 31).
Am 23.1.2025 zeigten die Parteien an, ewiges Ruhen vereinbart zu haben (ON 41).
Der Sachverständige verzeichnete in seiner Gebührennote ON 44 EUR 65,10 für Aktenstudium und EUR 4.136,-- für Mühewaltung, wobei er einen Stundensatz von EUR 176,-- für 23,5 Stunden in Anschlag brachte, alles zuzüglich USt und somit in Summe EUR 5.041,--.
Beide Parteien erhoben Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigengebühren (ON 46 und 47).
In seiner Stellungnahme ON 49 schlüsselte der Sachverständige seinen Zeitaufwand näher auf.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11.2.2025 (ON 50) bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen Mag. H* mit EUR 5.041,-- und führte rechtlich aus, die vom Sachverständigen in seiner Stellungnahme ON 49 angeführte Chronologie der Beschlüsse zur Bestellung als Sachverständiger, zur Innehaltung mit der Tätigkeit bzw zur Fortsetzung mit der Tätigkeit sei korrekt. Da Sachverständige grundsätzlich angehalten seien, die an sie übermittelten Gerichtsaufträge möglichst zügig abzuarbeiten, seien die vom Sachverständigen verzeichneten 23,5 Stunden für Mühewaltung durchaus plausibel und auch nicht widerlegbar.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Gebührenanspruch des Sachverständigen angemessen, in eventu auf maximal EUR 2.400,-- brutto, herabzusetzen.
Die Beklagte und der Sachverständige beteiligten sich nicht am Rekursverfahren.
Der Rekurs ist teilweise berechtigt .
A. Zum Zurückweisungsbeschluss:
Durch die Vorlage der Beilagen ./J (E-Mail vom 8.4.2024) und ./L (erste Anforderungsliste) mit seinem Rekurs verstößt der Kläger gegen das auch im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot (vgl § 482 Abs 2 ZPO; RS0042091). Diese Urkunden waren daher zurückzuweisen. Die ebenfalls mit dem Rekurs vorgelegte Beilage ./K ist die Gebührennote des Sachverständigen ON 44, die somit keine unzulässige Neuerung darstellt.
B. Zum Rekurs:
1.Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 8a JN auch bei den Oberlandesgerichten ein Einzelrichter über einen Rekurs gegen die Gebühren eines Sachverständigen entscheidet. Diese Ausnahmeregelung kommt allerdings ausschließlich dann zur Anwendung, wenn in einem Rechtsmittel nur die Gebühren bekämpft werden, andernfalls gilt die Senatsbesetzung. Eine Auszahlungsanordnung sowie eine Entscheidung nach § 2 GEG betrifft die Kosten des Verfahrens, sodass über einen Rekurs, der (auch) derartige Kostenersatzfragen bekämpft, im Senat zu entscheiden ist (vgl Mayr in Rechberger/Klicka ZPO 5§ 8a JN Rz 2 mwN; OLG Wien 1 R 5/20t in RW0000721). Der Kläger wendet sich hier nur gegen die Sachverständigengebühren, sodass hier der Einzelrichter zu entscheiden hat.
2. Da der Kläger im Rekurs klarstellte, sich nicht gegen die für das Aktenstudium zugesprochene Gebühr von EUR 65,10 zu wenden (S 4), ist darauf nicht näher einzugehen.
3. Strittig ist die vom Sachverständigen für Mühewaltung verzeichnete Gebühr.
4.1. Der Sachverständige gab in seiner Stellungnahme an, dass für die Durchsicht des Akts am 10. und 11.3.2024 insgesamt 6,0 Stunden angefallen seien (ON 49). Es sei eine umgehende Durchsicht der Aktenlage erfolgt, um möglichst rasch eine Schätzung der Sachverständigengebühren vornehmen zu können.
4.2.Mit der Gebühr für das Aktenstudium gemäß § 36 GebAG wird die für das Lesen der Gerichtsakten aufgewendete Mühe abgegolten; damit soll nur eine erste Information über den Rechtsstreit, die Standpunkte der Parteien und den bisherigen Gang des Verfahrens honoriert werden. Die darüber hinausgehende ordnende, stoffsammelnde, konzeptive und ausarbeitende Vorbereitung des Gutachtens ist dagegen mit der Gebühr für Mühewaltung zu honorieren (vgl Krammer/Guggenbichler in Krammer/Guggenbichler/Schiller/Tanczos , Sachverständige und ihre Gutachten 4 Rz 8.81; Krammer/Guggenbichler/Mann-Kommenda, SDG - GebAG 4§ 36 GebAG Anm 1). Ebenso ist die Zusammenfassung des Sachverhaltes, das Erstellen eines Konzeptes oder von Fragenlisten Mühewaltung ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG 4§ 36 GebAG E 5 mwN). Auch die Aktenanalyse mit Notizanfertigung berechtigt die Honorierung als Mühewaltung (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG 4§ 34 GebAG E 7 mwN). In Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG 4§ 34 GebAG E 15 mwN wurde aber das Verfassen von Notizen noch als von der Gebühr für Aktenstudium umfasst angesehen und nur die Zusammenfassung des Sachverhaltes an Hand von Akten für das Gutachten, somit das Erarbeiten eines Konzeptes für die Gutachtenserstattung mit der Mühewaltungsgebühr abgegolten.
4.3. Aus den Angaben des Sachverständigen in ON 49 ergibt sich nicht, dass er sich in diesen sechs für die Durchsicht des Aktes benötigten Stunden auch mit konzeptiven Tätigkeiten befasst hätte. Dies führt dazu, dass dieser Zeitaufwand von sechs Stunden schon mit der Gebühr für das Aktenstudium abgegolten ist.
5.1. Hinsichtlich der weiteren vom Sachverständigen verzeichneten 17,5 Stunden kann der Rekurs jedoch nicht überzeugen.
5.2. Der Sachverständige gab in seiner Stellungnahme (ON 49) an, in welchem Zeitraum wie viele Stunden angefallen seien.
5.3.Das Ausmaß der bei der Mühewaltung aufgewendeten Zeit ist eine Tatfrage, für deren Beantwortung grundsätzlich von den Angaben des Sachverständigen auszugehen ist (RS0059243 [T1]). Dessen Angaben über seinen Zeitaufwand sind solange als wahr anzunehmen, als nicht das Gegenteil bewiesen wird (vgl RS0132212; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG 4§ 34 GebAG E 190 mwN).
Beim Zeitaufwand ist somit grundsätzlich von den vom Sachverständigen angegebenen Stunden auszugehen, das Gericht ist nur bei Bedenken zur Nachprüfung verpflichtet. Eine „Angemessenheitsprüfung“, ob es möglich gewesen wäre, die Leistungen in einem kürzeren Zeitraum zu erbringen, hat nicht stattzufinden ( Krammer/Guggenbichler/Mann-Kommenda, SDG - GebAG 4§ 34 GebAG Anm 2; vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG 4§ 34 GebAG E 188 mwN).
Sind die Angaben des Sachverständigen wegen des besonderen Ausmaßes der verzeichneten Stunden bedenklich, so ist das Gericht zur Nachprüfung verpflichtet. Im Sinne des jedes Gerichtsverfahren beherrschenden und für das vorliegende Verfahren auch aus § 39 Abs 1 dritter Satz GebAG hervorleuchtenden Grundsatzes des beiderseitigen Gehörs ist hiebei auch der Sachverständige zu hören. Seine Angaben können nur durch begründete Tatsachenfeststellungen widerlegt werden (RS0059212). Derartige Tatsachenfeststellungen wurden aber vom Erstgericht nicht getroffen, das die Zeitangaben des Sachverständigen für „ durchaus plausibel und auch nicht widerlegbar “ hielt.
5.4. Hier ist auch darauf hinzuweisen, dass die mehrfache Innehaltung dem Sachverständigen eine effiziente durchgehende Arbeitsweise erschwerte. Auch wenn dem Sachverständigen weder Buchhaltungsunterlagen übermittelt wurden, noch eine Besprechung mit den Parteien stattfand, ist es naheliegend, dass auf Basis der vorliegenden Urkunden (zB Anmeldeverzeichnis Beilage ./F, Zahlungserleichterungen von ÖGK und Finanzamt Beilagen ./3 und ./5 ff) und der öffentlich im Firmenbuch zugänglichen Unterlagen Vorerhebungen gemacht und ein Rohgerüst des Gutachtens erstellt wurde. Es darf auch nicht zu Lasten des Sachverständigen gehen, dass er, um fristgerecht das Gutachten erstellen zu können, Tätigkeiten vorzieht, während er auf Unterlagen von den Parteien wartet.
6.Dem Rekurs war daher teilweise Folge zu geben und die Gebühr des Sachverständigen auf in Summe EUR 3.774,12 (65,10 + 176 x 17,5 = 3.145,10 zzgl USt), abgerundet (§ 39 Abs 2 GebAG) auf EUR 3.744,-- (darin enthalten EUR 629,-- USt) zu kürzen. Dem Erstgericht war die Erlassung einer geänderten Auszahlungsanordnung aufzutragen.
7.Im Verfahren über die Bestimmung der Sachverständigengebühren findet weder ein Kostenersatz statt (§ 41 Abs 3 GebAG), noch ist ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zulässig (§ 528 Abs 2 Z 5 ZPO).
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