Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Fisher als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Reden und den Richter Dr. Pscheidl in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* B*, ** 2. C* B*, ** , 3. D* B*, **, 4. E* B*, **, alle vertreten durch BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1. F*, **, 2. G* KG, **, beide vertreten durch GIBEL ZIRM Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen insgesamt (zuletzt) EUR 2.744.473,55 sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23.1.2025, **–90, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien die mit insgesamt EUR 7.015,92 (darin EUR 1.169,32 USt) bestimmten Kosten der Kostenrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar der erstklagenden Partei EUR 2.338,65 und der zweit-, dritt- und viertklagenden Partei jeweils EUR 1.559,09.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung
Die Kläger sind Gesamtrechtsnachfolger der am 14.5.2018 verstorbenen H* B*, die dem Erstbeklagten 1992 ein Darlehen in Höhe von ATS 10 Millionen gewährt hatte, für dessen Rückzahlung die Zweitbeklagte als Bürge und Zahler haftet. Der schriftliche Darlehensvertrag enthält ua folgende Bestimmungen:
„Zweitens:
A) Die Darlehensgeberin gewährt dem Darlehensnehmer das Darlehen auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Alljährlich sind von dem Darlehensnehmer zumindest die der Darlehensgeberin gebührenden Zinsen sowie überdies ein Kapitalsbetrag von mindestens S 500.000,- zu bezahlen.
B) Der Darlehensgeberin gebühren Zinsen in der Höhe von 7 % p.a. Für den Fall des Verzuges ist der Darlehensnehmer überdies verpflichtet, der Darlehensgeberin Verzugszinsen in der Höhe von 10 % p.a. und Zinseszinsen in der Höhe von 7 % p.a. zu bezahlen.
C) Die Zinsen sind vierteljährlich zu errechnen und der Kapitalsschuld des Darlehensnehmers als weiteres Kapital hinzuzuschlagen.
D) Zahlungen des Darlehensnehmers sind zunächst zur Tilgung der bis zum jeweiligen Zahlungstag aufgelaufenen Zinsen und hernach zur Tilgung seiner Kapitalsschuld zu verwenden.“
Mit der am 17.8.2020 eingebrachten Klage begehrten die Kläger (zuletzt), die Beklagten schuldig zu erkennen, dem Erstkläger EUR 640.832,79 samt 17 % Zinsen und Verzugszinsen seit 30.9.2022 sowie Zinseszinsen im Betrag von EUR 273.991,92 und den Zweit- bis Viertklägern jeweils EUR 427.221,73 samt 17 % Zinsen und Verzugszinsen seit 30.9.2022 sowie Zinseszinsen im Betrag von EUR 182.661,28 zu bezahlen. Dazu brachten sie vor, dass trotz Fälligkeit und Mahnung seitens der Beklagten bislang keine Rückzahlung des Darlehens oder der Zinsen an die Kläger erfolgt sei. Die Klagsforderung schlüsselten die Kläger nach Kapital, Zinsen, Verzugszinsen und Zinseszinsen auf (S. 9 f in ON 7 und Beilage ./AS).
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendeten im Wesentlichen ein, dass das Darlehen an die Rechtsvorgängerin der Kläger zurückbezahlt worden sei. Weiters wendeten sie die Sittenwidrigkeit der Zinsenvereinbarung sowie Gegenforderungen von EUR 78.570,23 und EUR 300.721,82 kompensando gegen die Klagsforderung ein.
Mit Teilurteil vom 26.4.2023 erkannte das Erstgericht die Klagsforderung mit insgesamt EUR 2.744.473,55 als zu Recht bestehend und gab dem Zahlungsbegehren mit der Begründung statt, dass den Beklagten der Beweis der Rückzahlung des Darlehens nicht gelungen sei. Hinsichtlich der Zinsabrede hätten die Beklagten nur den Einwand der Sittenwidrigkeit erhoben, die Berechnung der Zinsen hingegen nicht bestritten. Eine Sittenwidrigkeit der Zinsenvereinbarung verneinte es (ON 44).
Der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 19.12.2023, 12 R 97/23g, nicht Folge. Dem Argument der Berufung, dass sich den Tatsachenfeststellungen nicht entnehmen lasse, wie sich der Klagsbetrag zusammensetze und errechne, sodass sich der zugesprochene Betrag aus dem Urteil nicht schlüssig ableiten lasse, entgegnete das Berufungsgericht, die Kläger hätten die Klagsforderung nach Kapital, Zinsen, Verzugszinsen und Zinseszinsen aufgeschlüsselt und die Beklagten ihr Bestreitungsvorbringen zur Höhe der Klagsforderung nur insoweit substanziiert, als sie die Tilgung des Darlehens und die Sittenwidrigkeit der vereinbarten Zinsen eingewendet hätten. Die rechnerische Richtigkeit der Zinsstaffel laut Schriftsatz ON 7 und Beilage ./AS sei hingegen nicht bestritten worden. Das Erstgericht habe daher die sich daraus ergebenden Beträge seinem Urteil zugrundelegen können, ohne dass es dazu weiterer Feststellungen bedurft hätte (ON 52).
Die dagegen von den Beklagten erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 9.4.2024, 5 Ob 28/24i, zurückgewiesen (ON 62).
Am 22.1.2025 beantragten die Beklagten, das Teilurteil vom 26.4.2023 dahin zu berichtigen, dass den Klägern insgesamt nur EUR 1.604.559,32 samt einer abweichenden Zinsstaffel zugesprochen werde. Dazu brachten sie zusammengefasst vor, das Teilurteil leide an einem berichtigungsfähigen Rechenfehler. Die Berechnung der Darlehensforderung durch die Kläger sei mit einem offenkundigen Rechenfehler behaftet, der bereits auf den ersten Blick erkannt werden könne. Dem Erstgericht könne nicht der Wille unterstellt werden, dass es einen offenkundig fehlerhaft errechneten und daher willkürlichen Betrag habe zusprechen wollen. Vielmehr sei offenkundig, dass es die festgestellte Darlehensvereinbarung für die Berechnung der zugesprochenen Klagsforderung zugrundelegen habe wollen. Aus diesem Grund weiche das im Teilurteil Erklärte wegen eines offenkundigen Rechenfehlers vom Willen des Gerichtes ab und sei daher gemäß § 419 ZPO zu berichtigen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Berichtigungsantrag zurück. Zur Begründung führte es aus, der aus dem Urteil klar erkennbare Entscheidungswille des Erstgerichts sei gewesen, die Berechnung der Zinsen im Klagebegehren mangels ausreichender Bestreitung durch die Beklagte ohne Prüfung der Berechnung dem Urteil zugrundezulegen. Dem Teilurteil sei gerade nicht zu entnehmen, dass das Gericht die Berechnung geprüft und ihm dabei ein Rechenfehler unterlaufen sei. Es wäre auch überraschend, wäre ein offenkundiger „rechnerisch absurder“ Rechenfehler in der Größenordnung einer Million Euro weder dem Oberlandesgericht Wien noch dem damaligen Beklagtenvertreter beim Verfassen der Berufung aufgefallen.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit einem auf Antragsstattgebung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Kläger beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Gemäß § 419 Abs 2 Satz 2 ZPO findet gegen den Beschluss, womit der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt. In den Fällen, in welchen gegen einen Beschluss ein abgesondertes Rechtsmittel versagt ist, können die Parteien ihre Beschwerden gegen diesen Beschluss (erst) mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel zur Geltung bringen (§ 515 ZPO). Ein (zunächst) vorbehaltener Rekurs kann aber nach herrschender Meinung selbständig erhoben werden, wenn nach Abschluss der Hauptsache eine weitere abgesondert anfechtbare Entscheidung nicht mehr ergehen wird (RS0043974, RS0035518; Sloboda in Fasching/Konecny 3§ 515 ZPO Rz 7f). In einem solchen Fall kann der an sich aufgeschobene Rekurs sofort eingebracht werden.
Ein solcher Fall liegt hier vor. Gegenstand des weiteren Verfahrens sind nur mehr die von den Beklagten eingewendeten Gegenforderungen. Der angefochtene Beschluss betrifft aber ausschließlich die Klagsforderung, über die mit dem Teilurteil vom 26.4.2023 abschließend entschieden wurde und worüber keine weitere abgesondert anfechtbare Entscheidung mehr ergehen wird.
Der Rekurs ist daher zulässig.
Er ist aber nicht berechtigt .
1. Gemäß § 419 Abs 1 ZPO kann das Gericht, das das Urteil gefällt hat, jederzeit Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbare Unrichtigkeit in dem Urteil oder in dessen Ausfertigungen oder Abweichungen der Ausfertigung von der gefällten Entscheidung berichtigen.
1.1. Die einer Berichtigung zugänglichen „offenbaren Unrichtigkeiten“ betreffen nicht den Inhalt des Entscheidungswillens, sondern nur die (unrichtige) Wiedergabe des zur Zeit der Entscheidung bestehenden Entscheidungswillens nach außen. § 419 ZPO soll dem Richter nur die Anpassung der Entscheidungserklärung an seinen Entscheidungswillen ermöglichen. Nicht der Inhalt des Entscheidungswillens, sondern nur Fehler bei der Wiedergabe des Entscheidungswillens sind berichtigungsfähig (7 Ob 125/12a). Für die Zulässigkeit einer Entscheidungsberichtigung ist somit maßgebend, dass durch die Berichtigung der wahre Entscheidungswille des Gerichts zum Ausdruck gebracht wird (RS0041519).
1.2. Befand sich das Gericht bei der Entscheidungsfindung im Irrtum, hatte aber einen der Entscheidung entsprechenden Entscheidungswillen, ist keine Urteilsberichtigung möglich (6 Ob 206/16m). Auch eine rechtlich unrichtige, aber so gewollte Entscheidung kann nicht berichtigt werden (RS0041362; 9 Ob 67/01w). Andernfalls würde mit einer Berichtigung in die Rechtskraft der Gerichtsentscheidung eingegriffen (2 Ob 251/00a; 4 Ob 291/01z).
1.3. Es können nur Fehler des Gerichts, nicht aber Fehler der Parteien berichtigt werden, mag auch die Entscheidung des Gerichts wegen eines Parteifehlers unrichtig geworden sein. Eine Urteilsberichtigung wegen eines Irrtums der Partei oder des Anwalts kommt somit nicht in Frage ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka 5§ 419 ZPO Rz 3). So kann etwa ein unrichtiger Kündigungstermin, den die Partei anzugeben hat, nicht Gegenstand einer Berichtigung sein ( M.Bydlinski in Fasching/Konecny 3§ 419 ZPO Rz 6f mwN).
1.4. Der Berichtigung zugängliche Fehler sind grundsätzlich nur Irrtümer des Gerichts, die offenkundig sind. Die zur Berichtigung berechtigende Diskrepanz zwischen Gewolltem und Erklärtem muss sich für Gericht und Parteien aus dem ganzen Zusammenhang der Entscheidung ohne weiteres ergeben. Aus dem Inhalt der Entscheidung muss offenkundig sein, dass das, was ausgesprochen wurde, nicht dem wahren Willen des Gerichtes entsprochen haben kann. Eine Unrichtigkeit ist in diesem Sinn offenbar, wenn sie sofort „ins Auge springt“. Sie muss somit (zumindest) dem Grunde nach offen zu Tage treten (RS0041362 [T9]).
2. Der Rekurs macht im Wesentlichen geltend, dass der Entscheidungswille des Erstgerichts nicht darauf gerichtet gewesen sei, einem mathematisch unrichtigen Rechenergebnis normativ Geltung zu verschaffen, sondern darauf, das als mathematisch richtig angenommene Rechenergebnis im Urteilsspruch wiederzugeben. Wenn es hiebei ein Rechenergebnis übernommen habe, das mathematisch inkorrekt sei, liege ein nach § 419 ZPO berichtigungsfähiger Rechenfehler vor. Der im Teilurteil ON 44 ausgedrückte Entscheidungswille sei auf Zuspruch der Forderung laut festgestellter Darlehensvereinbarung gerichtet gewesen. Diesem Entscheidungswillen habe das Gericht Ausdruck verliehen, indem es das von den Klägern angegebene Rechenergebnis, von dessen Richtigkeit es ausgegangen sei, übernommen und dieses im Urteilsspruch wiedergegeben habe. Das Rechenergebnis sei jedoch mathematisch inkorrekt und daher gemäß § 419 ZPO zu berichtigen. Dabei spiele es keine Rolle, ob ein Rechenfehler von einer Partei begangen und vom Gericht bloß übernommen werde oder vom Gericht begangen werde. In dem Moment, wo das Gericht den Rechenfehler übernehme und in seiner Entscheidung wiedergebe, sei die gerichtliche Entscheidung mit diesem Fehler behaftet und daher zu berichtigen. Bei einem Rechenfehler sei das Urteil in sich widersprüchlich, weil die Rechengrundlagen sich nicht mit dem Rechenergebnis decken würden. Es sei daher zu berichtigen.
3. Entgegen den Rekursausführungen liegt hier kein offenkundiger berichtigungsfähiger Gerichtsfehler vor. Der Entscheidungswille des Erstgerichts ging dahin, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben, was auch im Spruch zum Ausdruck kommt. Ein davon abweichender Entscheidungswille ergibt sich auch aus den Entscheidungsgründen nicht. Damit, ob die Berechnung der Klagsforderung laut der vorgelegten Zinsstaffel richtig war, hat sich das Erstgericht bewusst nicht auseinandergesetzt. Dass den Klägern dabei die im Berichtigungsantrag behaupteten Rechenfehler unterlaufen sein sollen, ändert nichts am Willen des Erstgerichts, den geltend gemachten Klagsbetrag zur Gänze zuzusprechen. Die behaupteten Rechenfehler springen im Übrigen auch nicht „ins Auge“. Sie sind auch aus dem Gesamtzusammenhang heraus nicht offenkundig.
Ein berichtigungsfähiger Gerichtsfehler im Sinne einer ohne weiteres erkennbaren Diskrepanz zwischen Gewolltem und Erklärtem liegt sohin nicht vor. In Wahrheit streben die Beklagten mit ihrem Antrag keine Berichtigung von Fehlern im Sinn des § 419 ZPO, sondern eine inhaltliche Korrektur des Teilurteils vom 26.4.2023 an. Dieses ist aber in Rechtskraft erwachsen.
Dem unzulässigen Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 41, 46 Abs 1 und 50 ZPO.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.
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