Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Nigl, LL.M., und den Richter Mag. Jelinek im Konkurs über das Vermögen der A* GmbH , FN **, **, vertreten durch Mag. Rainer Mauritz, Rechtsanwalt in Wien, Masseverwalterin Mag. B*, Rechtsanwältin in **, über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 9.12.2024, **-1, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung
Die A* GmbH ( Schuldnerin ) ist seit 20.7.2021 zu FN ** im Firmenbuch eingetragen. Ihr Geschäftszweig lautet auf „ Handel mit Computern und Computersystemen “. Selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer und Gesellschafter (voll geleistete Stammeinlage von EUR 8.750,-) ist C* D*. Mehrheitsgesellschafterin ist E* D*-F* (voll geleistete Stammeinlage von EUR 26.250,-).
Am 21.5.2024 beantragte die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK , Antragstellerin ) zu ** die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Diese schulde ihr laut dem angeschlossenen Rückstandsausweis vom selben Tag EUR 1.313,83 samt Zinsen aus dem Beitrag für 09/2023. Die Zahlungsunfähigkeit werde mit dem Zeitraum des rückständigen Beitrags glaubhaft gemacht.
Mit Beschluss vom 27.5.2024 (ON 3) forderte das Erstgericht die Schuldnerin zur Äußerung zum Insolvenzeröffnungsantrag und zur Übermittlung eines ausgefüllten und unterschriebenen Vermögensverzeichnisses binnen drei Wochen auf. Diesem Beschluss waren ein Fragebogen, ein Vermögensverzeichnis und mehrere Informationsblätter angeschlossen. Die Zustellung dieses Beschlusses an die Schuldnerin erfolgte am 4.6.2024.
Am 29.6.2024 teilte die Antragstellerin mit, dass nunmehr EUR 883,39 (restlicher Beitrag für 09/2023; Rückstandsausweis vom 28.6.2024, ON 4) auf dem Beitragskonto der Schuldnerin unberichtigt aushaften würden. Eine Zahlungsvereinbarung bestehe nicht. Dienstnehmer seien zur Sozialversicherung nicht angemeldet.
Das Erstgericht forderte daraufhin mit Beschluss vom 1.7.2024 (ON 5) die Schuldnerin auf, bis 24.7.2024 die Bezahlung oder Regelung der Forderung der Antragstellerin nachzuweisen.
Das Finanzamt Österreich gab am 2.7.2024 (ON 6) einen ungeregelten Abgabenrückstand von EUR 8.145,59 (davon EUR 5.771,02 in Vollstreckung) bekannt. Zahlungen seien in den letzten Monaten nicht geleistet worden.
Am 24.7.2024 langte beim Erstgericht eine Buchungsbestätigung über eine Zahlung von EUR 883,39 vom Konto des Geschäftsführers an die Antragstellerin ein (ON 7). Die Antragstellerin bestätigte die Zahlung am 26.7.2024 (ON 8). Es würden nur noch EUR 11,- gesetzliche Verzugszinsen unberichtigt aushaften.
Mit Beschluss vom 3.9.2024 (ON 10) forderte das Erstgericht die Schuldnerin zum Nachweis der Bezahlung oder sonstigen Regelung der Forderungen der G*, die jüngst einen Kontokorrentkredit von EUR 200.000,- fällig gestellt und klageweise geltend gemacht habe, und des Finanzamts Österreich sowie zur Beantwortung der im Beschluss vom 27.5.2024 genannten Fragen und zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses bis 8.10.2024 auf. Auch dieser Aufforderung kam die Schuldnerin nicht nach.
Die vom Erstgericht am 15.10.2024 durchgeführte Abfrage im Exekutionsregister verlief negativ (ON 11).
Mit dem angefochtenen Beschluss eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte Mag. B* zur Masseverwalterin. Das Ende der Anmeldefrist bestimmte es mit 5.2.2025, die Gläubigerversammlung, Berichtstagsatzung und allgemeine Prüfungstagsatzung beraumte es für den 19.2.2025 an. Zwar sei die Forderung der Antragstellerin geregelt worden, im Insolvenzeröffnungsverfahren sei aber eine teils bereits in Zwangsvollstreckung befindliche überfällige Abgabenforderung des Finanzamts Österreich hervorgekommen. Die G* habe jüngst einen Kontokorrentkredit von EUR 200.000,- fällig gestellt und klageweise geltend gemacht. Diese ungeregelten Verbindlichkeiten seien trotz Befriedigung der Antragstellerin amtswegig zu berücksichtigen. Die Schuldnerin habe sich trotz Aufforderung und Einräumung einer langen Nachfrist nicht geäußert. Kostendeckung sei aufgrund des Bestehens eines lebenden Unternehmens und aufgrund aussichtsreicher Anfechtungsansprüche gegeben.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Schuldnerin mit dem Antrag, ihn aufzuheben. Sie sei nicht zahlungsunfähig und nicht überschuldet. Es seien keine Exekutionsverfahren anhängig, titulierte Forderungen würden nicht vorliegen.
Die Antragstellerin beantragte in ihrer Rekursbeantwortung eine Entscheidung im Sinne der Gesetze. Am Tag der Insolvenzeröffnung habe auf dem Beitragskonto kein Rückstand bestanden.
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1.Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung hat und der Schuldner zahlungsunfähig ist. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich die dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald beschaffen kann (RS0064528). Bei Personengesellschaften, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, bei juristischen Personen und Verlassenschaften findet die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch bei Überschuldung statt (§ 67 Abs 1 IO).
2. Die Antragstellerin hat mit der Vorlage des vollstreckbaren Rückstandsausweises sowohl den Bestand ihrer Forderung als auch aufgrund der Dauer des Rückstandes (09/2023) die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ausreichend bescheinigt. Die Nichtzahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen und Abgaben ist ein ausreichendes Indiz für das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit, weil es sich bei diesen um Betriebsführungskosten handelt. Diese werden von den zuständigen Behörden und Institutionen bekanntlich so rasch in Exekution gezogen, dass sich ein Zuwarten mit ihrer Zahlung bei vernünftigem wirtschaftlichem Vorgehen verbietet und im Allgemeinen nur aus einem Zahlungsunvermögen erklärbar ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 66 KO Rz 69; Mohr, IO 11 § 70 E 70, E 74).
3. Wird vom Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit fürs Erste bescheinigt, liegt es am Schuldner, die Gegenbescheinigung zu erbringen, dass er zahlungsfähig ist. Um die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften, ist der Nachweis erforderlich, dass die Forderungen sämtlicher Gläubiger – einschließlich der Antragstellerin – bezahlt werden konnten oder zumindest mit allen Gläubigern Zahlungsvereinbarungen getroffen wurden, die der Schuldner auch einzuhalten im Stande ist.
Bei der Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist nicht zu berücksichtigen, dass der Gläubiger den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zurückgezogen hat oder dass die Forderung des Gläubigers nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befriedigt worden ist. Wenn der Schuldner eine solche Befriedigung oder das Vorliegen einer Stundungsvereinbarung mit dem Gläubiger bescheinigt, so reicht dies allein nicht aus, um das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften (§ 70 Abs 4 IO).
4.Bei der Beurteilung der Frage, ob die Insolvenzvoraussetzungen vorliegen, ist im Rechtsmittelverfahren wegen der Neuerungserlaubnis des § 260 Abs 2 IO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz - hier der 9.12.2024 – und die Bescheinigungslageim Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (RS0065013 [T1]; 8 Ob 19/17b ua).
Grundsätzlich gilt im Insolvenzverfahren für die Rekursausführungen kein Neuerungsverbot (RS0043943; Erlerin KLS², § 260 Rz 33). Die Neuerungserlaubnis findet jedoch ihre Grenze in § 259 Abs 2 IO, wonach Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden können (RS0115313; RS0110967 [T6] = 8 Ob 36/04h).
Hier wurde der Schuldnerin – zulässigerweise ( Schumacher in KLS 2 § 70 Rz 43; derselbe in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 70 KO Rz 68; Übertsroider in Konecny, InsG § 70 IO Rz 117; OLG Wien 28 R 402/14i = ZIK 2015, 228 uva) - auf schriftlichem Weg Gehör gewährt. Dies bedeutet, dass ihr die Neuerungserlaubnis uneingeschränkt offengestanden wäre.
5. Der Rekurs beschränkt sich auf die bloße Bestreitung der Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung.
Zuzustimmen ist der Schuldnerin zwar darin, dass die Forderung der G* nicht tituliert ist und aktuell keine Exekutionsverfahren gegen sie anhängig sind. Auf die vom Finanzamt Österreich im Eröffnungsverfahren bekanntgegebene und vom Erstgericht der Schuldnerin auch vorgehaltene Forderung geht die Schuldnerin in ihrem Rekurs aber in keiner Weise ein.
Erhebungen des Rekursgerichts (§ 254 Abs 5 IO; RS0064997, RS0065221) beim Finanzamt Österreich ergaben, dass am 9.12.2024 – also am Tag der Beschlussfassung in erster Instanz - auf dem Abgabenkonto der Schuldnerin ein Abgabenrückstand von EUR 12.491,28 (fällig EUR 12.491,28, in Vollstreckung EUR 5.381,71) bestand. Die älteste Abgabenschuld betraf die mit 15.11.2023 fälligen Abgaben (L 10/23; DB 10/23; DZ 10/23 und K 10-12/23). Das Abgabenkonto weist seit dem 10.10.2023 durchgehend einen Rückstand auf.
Dieser Forderung des Finanzamts Österreich setzt der Rekurs nichts entgegen.
6. Die Gegenbescheinigung ihrer Zahlungsfähigkeit ist der Schuldnerin damit nicht gelungen.
7. Bislang meldete die H* Aktiengesellschaft eine Forderung von EUR 25.696,23 aus einem bereits im Sommer 2024 beendeten Leasingvertrag im Insolvenzverfahren an (ON 1 rot).
8.In ihrem ersten Bericht (ON 4) vom 17.12.2024 teilte die Masseverwalterin mit, der Geschäftsführer sei für sie nicht erreichbar. Der Schuldnervertreter, Mag. Rainer Mauritz, habe sie kontaktiert und mitgeteilt, der Bruder des Geschäftsführers zu sein. Kontaktdaten des Geschäftsführers habe er ihr nicht nennen können. In weiterer Folge habe auch er nicht auf E-Mails der Masseverwalterin reagiert. Neben dem Antrag auf Schließung des Unternehmens zeigte die Masseverwalterin auch die Masseunzulänglichkeit gemäß § 124a IO an. Barmittel seien nicht vorhanden, werthaltiges Inventar sei bislang keines zum Vorschein gekommen. Auch in ihrem zweiten Bericht (ON 10) vom 7.1.2025 hielt die Masseverwalterin fest, weder der Geschäftsführer noch die Mehrheitsgesellschafterin hätten bislang mit ihr Kontakt aufgenommen. Der Massekontostand betrage EUR 0,-.
9.Die Annahme der weiteren Konkursvoraussetzung des Vorliegens von kostendeckendem Vermögen (§ 71 IO) durch das Erstgericht wurde im Rekurs nicht bekämpft.
10. Das Erstgericht hat daher zu Recht den Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet, weswegen der Rekurs ohne Erfolg bleibt.
11.Der Revisionsrekurs ist gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
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