Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende sowie Dr. Dieter Weiß und Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Pensionistin, **straße, **, vertreten durch Dr. Nina Letocha-Ortner, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch ihren Angestellten Dr. B*, Landesstelle **, wegen Entziehung von Pflegegeld , über den Rekurs der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. Juli 2025, Cgs* 25, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Kostenrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Mit Bescheid vom 10. August 2022 wurde ausgehend von einem Pflegebedarf von 75 Stunden ein Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld der Stufe 1 anerkannt. Dieses Pflegegeld wurde mit Bescheid vom 1. August 2024 entzogen, da die Beklagte von einer Reduzierung des Pflegebedarfs auf 40 Stunden ausging.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Pflegegeld „im gesetzlichen Ausmaß“ gerichtete Klage vom 31. Oktober 2024 mit der Behauptung, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich verschlechtert und ihr Pflegebedarf sukzessive erhöht. Seit Dezember 2023 würden Synkopen mit einem kurzzeitigen Bewusstseinsverlust auftreten, was Stürze zur Folge habe. Neben weiteren aufgelisteten Erkrankungen wurde auch auf ein lumbales Schmerzsyndrom hingewiesen. Ihre seit Geburt bestehende Einäugigkeit hätte zu einer Erhebung der Sehkraft am gesunden Auge führen müssen, da bei einer hochgradigen Sehbehinderung eine diagnosebezogene Mindesteinstufung zu erfolgen habe.
Die Beklagte verwies in ihrer Klagebeantwortung auf Besserungen beim An- und Auskleiden, beim An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe, bei der Mobilitätshilfe im engeren Sinn und beim Waschen der Wäsche.
Mit ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 11. Dezember 2024 (ON 5) wiederholte die Klägerin im Wesentlichen ihr Klagsvorbringen („wie in meiner Klage bereits ausgeführt“, „wie in der Klagsschrift bereits erwähnt“) und listete sodann auf, in welchen Bereichen ihrer Meinung nach Pflegebedarf bestehe. Außerdem wurden zahlreiche Urkunden vorgelegt.
Der unfallchirurgisch-orthopädische Sachverständige gelangte zu einem Unterschreiten einzelner Mindest- und Richtwerte. Durch den ermittelten Bedarf an Teilhilfen ergab sich zusammen mit den Fixwerten ein Pflegebedarf von 75 Stunden (ON 7). Rechtlich folgte daraus ein nach wie vor bestehender Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 1.
Nach einem Antrag der Beklagtenseite auf schriftliche Gutachtensergänzung – ihrem Standpunkt nach ist ja eine Besserung eingetreten – beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. März 2025 (ON 12) vorab die Einholung eines augenfachärztlichen Gutachtens und im Anschluss daran die Erörterung des unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachtens. Zwar bestehe funktionsbezogen ein Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 1, eine diagnosebezogene Einstufung führe aber zu Pflegegeld der Stufe 3, wenn nicht Stufe 4, sodass die hochgradige Sehbehinderung als Vorfrage zuerst abgeklärt werden müsse. Der Schriftsatz enthält auch vier kurze Fragen an den unfallchirurgisch-orthopädischen Sachverständigen.
Das Erstgericht holte ein (keine Besserung ergebendes) Ergänzungsgutachten ein (ON 14) und ein (keine hochgradige Sehbehinderung ergebendes) augenfachärztliches Gutachten (ON 19). Daraufhin bot die Beklagte vergleichsweise die Weitergewährung von Pflegegeld der Stufe 1 an (ON 22), was aber die Klägerin in der nachfolgenden Tagsatzung vom 18. Juli 2025 ablehnte. Trotz Erörterung, dass im Entziehungsverfahren kein höheres Pflegegeld als jenes nach Stufe 1 möglich sei, beharrte die Klägerin auf einer Abarbeitung ihrer Fragenliste und hielt aus „kostenökonomischen Gründen“ an ihrer Rechtsansicht fest (ON 23.3 S 2).
Für die beiden Schriftsätze ON 5 und ON 12 verzeichnete die Klägerin jeweils TP 3A RATG. Dagegen erhob die Beklagte Einwendungen und führte aus, es stünden Kosten nur nach TP 2 RATG zu, weil die Schriftsätze vom Gericht nicht aufgetragen worden seien.
Das Erstgerichtsprach der Klägerin Pflegegeld der Stufe 1 zu, wies das Mehrbegehren ab und verpflichtete die Beklagte zur Bezahlung der Prozesskosten von EUR 1.180,76 (darin EUR 196,80 USt). Nach TP 3A RATG seien nur vorbereitende Schriftsätze zu entlohnen, die nach § 257 Abs 3 ZPO zulässig oder vom Gericht aufgetragen worden seien. Im Hinblick auf die Einwendungen stünde für die beiden Schriftsätze nur jeweils TP 2 RATG zu; das Vorbringen des Schriftsatzes ON 5 hätte schon in der Klage erstattet werden können.
Gegen die Reduzierung der Kosten für die Schriftsätze ON 5 und ON 12 von TP 3A auf TP 2 RATG richtet sich der Kostenrekurs der Klägerin , mit welchem sie einen weiteren Kostenzuspruch von EUR 333,32 (zweimal die Differenz von EUR 166,66) anstrebt.
Die Beklagte beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Der Kostenrekurs ist nicht berechtigt .
1Zum vorbereitenden Schriftsatz vom 11. Dezember 2024 (ON 5) macht die Klägerin geltend, dieser sei gemäß § 257 Abs 3 ZPO zulässig und diene dazu, in der Klage noch nicht enthaltene Anträge und Behauptungen dem Gegner mitzuteilen. Es handle sich nicht bloß um Wiederholungen; zudem sei Voraussetzung für eine Entlohnung nach TP 3A RATG nicht, dass das Vorbringen nicht schon in der Klage erstattet werden hätte können.
2.1Mangels einer abweichenden Bestimmung im ASGG sind vorbereitende Schriftsätze nach § 257 Abs 3 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren zulässig.
Da der strittige Schriftsatz rechtzeitig vor Beginn der mündlichen Streitverhandlung eingebracht wurde und im Verfahren in Sozialrechtssachen keine Eventualmaxime gilt, ist auch eine Honorierung nach TP 3A RATG nicht von vornherein ausgeschlossen.
2.2Ein Kostenersatz gegenüber dem Sozialversicherungsträger ist aber nach § 77 Abs 1 Z 2 ASGG (ebenso wie im Zivilprozess nach § 41 ZPO) nur für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten vorgesehen. Auch nach § 257 Abs 3 ZPO zulässige Schriftsätze sind daher nur dann zu honorieren, wenn sie diesem Kriterium entsprechen.
Zweckentsprechend ist jeder Verfahrensschritt, der zur Erreichung des prozessualen Ziels der Partei geeignet ist; notwendig ist jede Aktion, deren Zweck mit geringerem Aufwand nicht erreicht werden kann ( Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 41 Rz 5). Besteht die Möglichkeit, kostensparendere Handlungen vorzunehmen, die zu dem gleichen sachlichen oder formellen Ergebnis führen, dann kann die Partei nur jene Kosten beanspruchen, die den gleichen Zweck mit geringerem Aufwand erreicht hätten ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3§ 41 ZPO Rz 20). Die Notwendigkeit von Kosten ist unter Anlegung eines objektiven Maßstabs vom Standpunkt ex ante, also für den Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung, zu beurteilen (RIS-Justiz RS0036038 [T1]). Diese Beurteilung hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.
2.3 Daraus folgt, dass ein vorbereitender Schriftsatz dann nicht zu honorieren ist, wenn sein Inhalt bereits früher vorgetragen werden hätte können oder sein Inhalt zwar einen Neuheitswert hat, die neuen Tatsachen aber ohne nennenswerte Schwierigkeiten in der nächsten Tagsatzung nachgetragen werden können ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 3.60). Auch darf das für eine vollständige Klage erforderliche Vorbringen nicht auf die Klage und einen nachfolgenden Schriftsatz aufgeteilt werden ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 3.56).
2.4Entgegen der Ansicht der Klägerin gebühren daher für einen nach § 257 Abs 3 ZPO rechtzeitig eingebrachten vorbereitenden Schriftsatzes nicht jedenfalls Kosten nach TP 3A RATG. Die Voraussetzungen des § 41 Abs 1 ZPO sind zusätzlich zu prüfen.
Ein Bescheid tritt mit der Klagserhebung außer Kraft und das Gericht prüft selbständig und amtswegig unter Beiziehung eines Sachverständigen den Anspruch auf Pflegegeld (vgl RIS-Justiz RS0085839, RS0106394). Entscheidend für die erfolgversprechende Bekämpfung eines Pflegegeld-Bescheids ist somit der konkrete Pflegebedarf, im Fall der Klägerin ein solcher, der über die Einschätzung durch die Beklagte mit 40 Stunden hinausgeht. Im vorbereitenden Schriftsatz steht zum Pflegebedarf der Klägerin nichts, was sie nicht schon in der Klage vorbringen hätte können, etwa inwieweit sie Unterstützung bei der Körperpflege, bei der Zubereitung von Mahlzeiten oder beim An- und Auskleiden benötigt.
Warum sich die Klage auf die Darstellung der Leiden der Klägerin ohne Eingehen auf die erforderlichen Pflegeverrichtungen beschränkt, ist nicht ersichtlich. Ebensowenig ist es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, im vorbereitenden Schriftsatz die bereits in der Klage aufgelisteten körperlichen Einschränkungen der Klägerin – dreimal ausdrücklich unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Klage – zu wiederholen.
2.5Für den Schriftsatz ON 5 stehen daher der Klägerin nicht mehr als die von der Beklagten zugestandenen Kosten nach TP 2 RATG zu.
3Bezüglich des Schriftsatzes vom 10. März 2025 (ON 12) meint die Klägern, es handle sich um einen Beweisantrag und ein solcher könne naturgemäß nicht vom Gericht aufgetragen werden. Da der Schriftsatz nicht nur Anträge auf Einholung eines weiteren bzw Ergänzung des vorhandenen Gutachtens enthalte, sondern auch einen Fragenkatalog, sei eine Honorierung nach TP 2 RATG unangemessen. Die Antragstellung sei zur Abklärung einer diagnosebezogenen Einstufung auch erforderlich gewesen.
4.1Bei einem aufgetragenen Fragenkatalog anerkennt der Oberste Gerichtshof in Einzelfällen Kosten für einen aufgetragenen Schriftsatz nach TP 3A RATG (vgl OGH 2 Ob 82/23g, 7 Ob 212/22k; aA mit beachtlichen Argumenten Obermaier, Kostenhandbuch 4Rz 3.65; OLG Linz 4 R 31/23s, 6 R 20/25s mwN). Wie die Klägerin auch erkennt, lag kein aufgetragener Schriftsatz vor. Ansonsten sind aber Gutachtenserörterungsanträge selbst mit Fragenliste nach TP 2 RATG zu entlohnen (OGH 9 Ob 98/24p, 7 Ob 12/21x; Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 3.65 mwN).
4.2Die Beklagte anerkennt Kosten nach TP 2 RATG und zu Recht hat daher das Erstgericht für den Schriftsatz ON 12 Kosten in dieser Höhe zugesprochen.
Die Zweckmäßigkeit, in einem Verfahren über den Entzug von Pflegegeld der Stufe 1, in dem der Sachverständige bereits einen Pflegebedarf in einem für die Weitergewährung von Stufe 1 ausreichendem Stundenausmaß festgestellt hat, auf Klagsseite eine Erörterung des Gutachtens bzw – zum Nachweis eines noch höheren Pflegegelds – die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu beantragen, braucht nicht näher erörtert zu werden. In einem solchen Verfahren kann sich nämlich die Klage nur gegen den Entzug richten und nicht mehr als die Weitergewährung von Stufe 1 erlangt werden ( Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld 4 Rz 8.83)
5 Der Kostenrekurs ist jedenfalls nicht berechtigt.
6Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Für einen Kostenersatz nach Billigkeit trotz Unterliegens fehlt es schon an den rechtlichen Schwierigkeiten des Rekursverfahrens.
6Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.
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