Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache des Klägers Dr. A* , geboren am **, Anästhesist, **straße **, ** vertreten durch die Metzler Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die Beklagten 1) B* AG C*, FN **, **straße **, **, 2) D* E* , und 3) F* E* , geboren am **, Maschinenbautechniker, beide H*weg**, **, alle vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, wegen (zuletzt) EUR 55.416,00 sA und Feststellung (Streitwert: EUR 5.500,00) , über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 30. Juni 2025, Cg*-17, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird keine Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit EUR 4.317,35 (darin enthalten EUR 719,56 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Am 20. Juni 2023 ereignete sich gegen 06:10 Uhr in G* an der Kreuzung der H* Bundesstraße B ** mit dem H*weg ein Verkehrsunfall zwischen dem Kläger und dem Drittbeklagten. Der Kläger war auf seinem E-Bike der Marke Simplon Chenoa Nosch CX am parallel zur B ** verlaufenden Radweg von I* kommend in Richtung J* unterwegs, während der Drittbeklagte mit seinem LKW am H*weg in Richtung der B ** fuhr. In weiterer Folge kam es zum Zusammenstoß zwischen dem Kläger und dem nach rechts abbiegenden LKW des Drittbeklagten. Der LKW, dessen Halter der Zweitbeklagte ist, ist bei der Erstbeklagten haftpflichtversichert.
Der Klägerbegehrt Schadenersatz von insgesamt EUR 55.416,00 sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden. Er brachte im Wesentlichen vor, er sei zunächst mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h unterwegs gewesen und habe in Annäherung an die Kreuzung seine Geschwindigkeit auf 10 km/h reduziert. Vor der Kreuzung habe er sich vergewissert, dass er diese ungehindert passieren könne. Der Drittbeklagte sei aber mit seinem LKW plötzlich und für den Kläger nicht erkennbar am H*weg in Richtung der B ** gefahren, um nach rechts in diese einzubiegen. Er habe den Kläger übersehen und ihn niedergestoßen, sodass er vor dem rechten Vorderreifen des LKW zum Liegen gekommen sei. Trotz des Zusammenstoßes habe der Drittbeklagte seine Fahrt fortgesetzt und dabei das E-Bike und die Beine Klägers überrollt. Erst danach habe er den LKW angehalten. Den Drittbeklagten treffe daher das Alleinverschulden am Verkehrsunfall, weshalb die Beklagten zur ungeteilten Hand für die (in der Klage im Einzelnen aufgeschlüsselten) Schäden des Klägers hafteten. Insoweit stütze sich der Kläger auf die „einschlägigen Bestimmungen des ABGB (insbesondere die §§ 1295 ff ABGB) und des EKHG iVm § 26 KHVG“. Aufgrund der Verletzungen des Klägers seien Spät- und Dauerfolgen nicht auszuschließen, weshalb er ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten habe.
Die Beklagtenbestritten, beantragten Klagsabweisung und brachten – soweit für das Berufungsverfahren noch relevant – vor, der Radweg ende vor der Kreuzung, weshalb der Kläger gegenüber dem LKW benachrangt gewesen sei. Bei entsprechender Aufmerksamkeit und Reduktion seiner Geschwindigkeit vor dem Verlassen der Radfahranlage hätte der Kläger ohne Weiteres den LKW erkennen, anhalten und dadurch den Unfall verhindern können. Demgegenüber habe der Drittbeklagte keine Möglichkeit gehabt, auf das Verhalten des Klägers zu reagieren. Den Kläger treffe daher das Alleinverschulden am Unfall. Die Beklagten hafteten weder aus Verschulden, noch nach dem EKHG. Abgesehen davon seien die Forderungen des Klägers überhöht. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten bestehe nicht.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgerichtdie Klage ab. Seiner Entscheidung legte es den auf den Seiten vier bis acht des Urteils wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde, worauf gemäß § 500a ZPO verwiesen werden kann. Für das Berufungsverfahren wesentlich sind folgende Feststellungen (wobei die vom Kläger bekämpften Feststellungen kursiv hervorgehoben sind):
Der H*weg weist eine Breite von etwa 5,5 m auf. Aus Richtung H*weg kommend befindet sich vor dem Radweg, gegenüber der Randlinie der B ** etwa 9 m zurückversetzt, das Vorrangzeichen „Vorrang geben“ mit der Zusatztafel „Querstraße ist eine Vorrangstraße“. Das Gefälle des H*wegs beträgt im letzten Bereich etwa 5 %. Aus Sicht der beiden Fahrzeuglenker waren kurveninnenseitig im Unfallzeitpunkt sichteinschränkend Strauchbewuchs bzw Bestockung und ein Telegraphenmast vorhanden.
Der Kläger und der Drittbeklagte befahren diese Strecke regelmäßig und sind mit der Beschilderung vertraut. Der Kläger ging damals davon aus, dass der LKW Vorrang hat, dies nahm auch der Drittbeklagte an.
Am Unfalltag bei Schönwetter fuhr der Drittbeklagte den H*weg zunächst mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h entlang, der Kläger war mit 20 km/h unterwegs. Der gegenständlichen Kreuzung näherten sich beide Fahrzeuge dann mit etwa 10 km/h an, der Drittbeklagte verlangsamte dann auf Schrittgeschwindigkeit und fuhr in korrekter Fahrlinie auf der rechten Seite, aber zur Mitte ausgerichtet, Richtung Kreuzung, wobei er im Pendelblick abwechselnd nach rechts und links blickte; im Kollisionsaugenblick waren beide Fahrzeuge in Bewegung. Der LKW hat keinen Abbiegeassistenten.
Der Drittbeklagte wollte nach rechts in die B ** (70 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung) abbiegen, wobei er einen Bogen von ca 130 Grad durchfahren hätte müssen. Während der Drittbeklagte, als beide Fahrstreifen der B ** frei waren, ansetzte, in einem nicht zu beanstandenden Radius nach rechts abzubiegen, kollidierte der Kläger seitlich vorne im rechten Bereich mit dem LKW und kam dadurch zu Sturz, sodass ein Teil seiner Füße und sein Fahrrad beim fortgesetzten Abbiegevorgang des LKW überrollt wurden. Die genaue Kollisionsstelle kann nicht festgestellt werden, der Erstkontakt ereignete sich aber im Bereich des verlängert gedachten Radwegs noch vor dem Erreichen der Randlinie der B ** seitens des LKWs.
Der Drittbeklagte hat den Kläger vor der Kollision nicht gesehen. Nach dem ersten Anprall des Klägers, den der Drittbeklagte nicht wahrgenommen hat, hätte dieser ein solches Überrollen nicht mehr verhindern können. Als der Drittbeklagte den Kläger dann wahrgenommen hat, hat er sofort gebremst. Der Kläger nahm den LKW erst unmittelbar vor der Kollision wahr und kollidierte mit diesem trotz sofortiger Bremsung seinerseits.
Dem Kläger wäre es bei seiner Annäherung an die Kreuzung möglich gewesen, sich aufgrund der Sichteinschränkung auf der linken Seite beim Einfahren so zu verhalten, dass er praktisch bremsbereit gefahren wäre und mit entsprechender Vorsicht, allenfalls anhaltend, einem herannahenden Querverkehr kommend vom H*weg das Vorbeifahren ermöglicht hätte. Etwa sechs Meter vor der Kollisionsstelle hätte der Kläger, wenn er seinen Blick nicht nur bis auf einen Meter oberhalb des Fahrbahnniveaus beschränkt hätte, den LKW wahrnehmen und noch vor dem Einfahren in dessen Fahrkanal anhalten können. Einen solchen Blick hat der Kläger nicht gesetzt. Im Fall einer Vorrangsituation des Drittbeklagten hatte dieser keine Möglichkeit, den Unfall zu verhindern , im Fall einer Vorrangsituation des Klägers hätte dagegen der Drittbeklagte eine Unfallverhinderungsmöglichkeit gehabt, wenn er sich in Richtung des verlängerten Radwegs herangetastet hätte, um einem allenfalls herannahenden Radverkehr das Passieren zu ermöglichen.
In rechtlicher Hinsichtgelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass ein Radfahrer, der eine Radfahranlage verlässt, anderen Fahrzeugen im Fließverkehr den Vorrang zu geben habe. Der LKW des Beklagten sei ein solches Fahrzeug gewesen, woran der Umstand, dass am H*weg das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ gemäß § 52 lit b Z 23 StVO (samt Zusatztafel „Querstraße ist eine Vorrangstraße“) kundgemacht sei, nichts ändere. Der Kläger, dem die „Vorrangsituation“ bekannt gewesen sei, hätte bei gehöriger Sorgfalt den LKW erkennen und die Kollision vermeiden können. Demgegenüber habe der Drittbeklagte, dessen „Fahr- und/oder Blickverhalten“ keinen Sorgfaltsverstoß darstelle, keine Möglichkeit gehabt, den Unfall zu verhindern. Den Kläger treffe daher das Alleinverschulden. Insoweit liege auch ein für den Drittbeklagten unabwendbares Ereignis im Sinn des § 9 EKHG vor, weshalb die Erst- bzw der Zweitbeklagte auch nicht nach dem EKHG hafteten.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen Verfahrensmängeln, unrichtiger Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das Urteil dahin abzuändern, dass der Klage in vollem Umfang stattgegeben werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Beklagten beantragen in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Zur Mängelrüge:
Mit der Mängelrüge macht der Kläger – auf das Wesentliche zusammengefasst – geltend, dass das verkehrstechnische Gutachten „den inhaltlichen Anforderungen nicht genüge“, entscheidungsrelevante Punkte nicht berücksichtige, die erstellte „4D-Simulation“ nur eine einzige Unfalldarstellung zeige und auch die Sicht des Kläger außer Acht lasse. Das Erstgericht habe in seiner Beweiswürdigung lediglich auf das vom Sachverständigen behauptete „Sicht-Zeitfenster“ von 1,5 Sekunden verwiesen, die diesbezüglichen Aussagen des Drittbeklagten, insbesondere was die von diesem selbst angegebene Schrittgeschwindigkeit bei der Annäherung angehe, aber nicht gewürdigt. Andernfalls wäre das Erstgericht im Zusammenhalt mit „denklogischen Schlüssen aus verkehrstechnischer Sicht“ zum Ergebnis gelangt, dass der Drittbeklagte kollisionsfrei vor dem Kläger anhalten hätte können. Ein solches kollisionsfreies Anhalten vor dem Kläger wäre dem Drittbeklagten jedenfalls möglich gewesen, wenn das „Sicht-Zeitfenster“ größer gewesen wäre, der LKW mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet gewesen wäre oder sich der Drittbeklagte beim Rechtsabbiegevorgang eines Einweisers bedient hätte. Dazu wäre er „aufgrund der Kreuzungssituation“ verpflichtet gewesen wäre (Pkt 2 der Berufung).
1.1. Dazu ist vorauszuschicken, dass sich der Kläger im Verfahren erster Instanz gar nicht darauf gestützt hat, dass der LKW mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet sein und/oder der Drittbeklagte einen Einweiser heranziehen hätte müssen. Somit macht er nunmehr andere bzw weitere Sorgfaltsverstöße und damit eine andere Anspruchsgrundlage geltend. Dabei handelt es sich aber um im Berufungsverfahren gemäß § 482 ZPO unzulässige Neuerungen, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist. Abgesehen davon trifft beides ohnehin nicht zu.
1.2. Die Beurteilung, ob ein Sachverständigengutachten vollständig und schlüssig ist oder ob die Notwendigkeit einer Ergänzung oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO besteht, fällt nach ständiger Rechtsprechung in den Bereich der Beweiswürdigung (RS0113643, RS0040588 [T3]). Eine unrichtige oder unvollständige Bezeichnung der Rechtsmittelgründe gereicht dem Rechtsmittelwerber zwar nicht zum Schaden (RS0041851). Selbst bei Umdeutung in eine Tatsachenrüge sind die Ausführungen des Klägers – ungeachtet der Frage, ob diese überhaupt gesetzmäßig ausgeführt wäre – jedoch nicht zielführend.
Seiner Argumentation liegt nämlich die Prämisse zugrunde, dass der Drittbeklagte – wie von diesem angegeben – mit Schrittgeschwindigkeit gefahren ist. Das Erstgericht hat aber – vom Kläger weder in der Mängelrüge, noch in der Tatsachenrüge bekämpft – festgestellt, dass der Drittbeklagte zunächst 30 km/h fuhr, sich dann mit 10 km/h der Kreuzung näherte und schließlich auf Schrittgeschwindigkeit verlangsamte. Daher steht dessen Geschwindigkeit fest, sodass davon abweichende ergänzende Feststellungen, auf die die Mängelrüge abzielt, gar nicht getroffen werden können. Denn daraus resultierte ein in sich widersprüchlicher Sachverhalt, der keiner rechtlichen Beurteilung unterzogen werden könnte (vgl Pochmarski/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO 5 , S 198).
Abgesehen davon geht aus den eher vagen Ausführungen der Mängelrüge gar nicht näher hervor, ab welchem genauen Zeitpunkt der Drittbeklagte nach der Ansicht des Klägers nur mehr mit Schrittgeschwindigkeit gefahren sein soll. Damit lässt sich aber bereits nicht beurteilen, ob eine Gutachtensergänzung überhaupt zu einem anderem Ergebnis geführt hätte, weshalb die Mängelrüge mangels Angabe hinreichend bestimmt bezeichneter Feststellungen, die bei Durchführung der Beweisaufnahme erzielt worden wären, auch nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043039).
Die weiteren Argumente (bezüglich des „größeren Zeitfensters für ein kollisionsfreies Anhalten“) sind dann schon deshalb nicht mehr stichhaltig, weil diesen als Ausgangsbasis zugrunde liegt, dass der Drittbeklagte längere Zeit mit Schrittgeschwindigkeit gefahren sein soll, wovon aber – wie ausgeführt – nicht ausgegangen werden kann.
Daher stellt sich auch nicht mehr die Frage, ob der Kläger, der im Verfahren erster Instanz gar kein Vorgehen nach § 362 Abs 2 ZPO beantragt hat, die Unterlassung eines solchen im Berufungsverfahren überhaupt noch als Verfahrensmangel geltend machen kann.
Zusammengefasst kommt der Mängelrüge daher keine Berechtigung zu.
2. Zur Tatsachenrüge:
Der Behandlung der Tatsachenrüge ist vorauszuschicken, dass die bekämpften Feststellungen bzw begehrten Ersatzfeststellungen überhaupt nur dann entscheidungsrelevant wären, wenn der Kläger gegenüber dem Drittbeklagten bevorrangt gewesen wäre. Da das jedoch – wie bei der Behandlung der Rechtsrüge zu zeigen sein wird – entgegen der Ansicht des Klägers nicht der Fall ist, müsste auf die Tatsachenrüge gar nicht eingegangen werden. Dennoch wird diese – der Vollständigkeit halber – kurz behandelt, wobei grundsätzlich auf die plausiblen beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts verwiesen werden kann (§ 500a ZPO).
Anlässlich einer Tatsachenrüge hat das Berufungsgericht nur zu überprüfen, ob das Erstgericht die ihm vorliegenden Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat, jedoch nicht, ob seine Feststellungen mit der objektiven Wirklichkeit tatsächlich übereinstimmen. Gemäß § 272 ZPO obliegt die Beweiswürdigung primär dem erkennenden Gericht. Dieses hat nach sorgfältiger Überzeugung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht. Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass in den Akten einzelne Beweisergebnisse existieren, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht im Allgemeinen noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung mit dem Ergebnis aufzuzeigen, dass die erstinstanzlichen Feststellungen abgeändert werden müssen. Die Beweisrüge muss also überzeugend darlegen, dass die getroffenen Feststellungen entweder überhaupt zwingend unrichtig sind oder wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen (RI0100099).
Das gelingt dem Kläger – wie zu zeigen sein wird – jedoch nicht.
2.1. Zunächst bekämpft er folgende Feststellung (Pkte 3.2 bis 3.6 der Berufung):
„Dem Kläger wäre es bei seiner Annäherung an die Kreuzung möglich gewesen, sich aufgrund der Sichteinschränkung auf der linken Seite beim Einfahren so zu verhalten, dass er praktisch bremsbereit gefahren wäre und mit entsprechender Vorsicht, allenfalls anhaltend, einem herannahenden Querverkehr kommend vom H*weg das Vorbeifahren ermöglicht hätte“.
Stattdessen strebt er folgende Ersatzfeststellung an:
„Der Kläger hat sich bremsbereit mit beiden Händen auf den Bremsen der Kreuzung genähert. Er hat die Schuhe aus den Klick-Pedalen gelöst. Als er den aus dem links gelegenen H*weg fahrenden LKW sah, machte der Kläger sofort eine Vollbremsung. Trotz dieser Vollbremsung stieß der LKW seitlich-frontal gegen den Kläger. Dem Kläger war bei seiner Annäherung an die Kreuzung aufgrund der Sichteinschränkung nicht möglich, den herannahenden LKW als Gefahr zu erkennen.“
Die Begründung des Klägers erschöpft sich jedoch in einem Hinweis auf seine „glaubwürdigen“ Angaben, insbesondere zu seiner vorsichtigen Fahrweise (Lösen der „Klick-Pedale“ und Verringerung der Geschwindigkeit vor der Kreuzung), die er aufgrund seiner Kenntnisse von den Gefahren für Radfahrer im Straßenverkehr gewählt habe. All das genügt jedoch vor dem Hintergrund des eingangs dargestellten Prüfungsmaßstabs nicht, begründete Bedenken gegen die bekämpften Feststellungen hervorzurufen. Eine überzeugende Begründung, warum die Angaben des Klägers zuverlässig sein sollen, bietet die Berufung nämlich nicht. Gleiches gilt für die weiters ins Treffen geführten Sicht- bzw Reaktionsmöglichkeiten, bei denen es sich im Wesentlichen um bloße Gegenbehauptungen ohne stichhaltige Begründung handelt.
2.2. Weiters wendet sich der Kläger gegen folgende Feststellung (Pkte 3.7 bis 3.14 der Berufung):
„Etwa sechs Meter vor der Kollisionsstelle hätte der Kläger, wenn er seinen Blick nicht nur bis auf einen Meter oberhalb des Fahrbahnniveaus beschränkt hätte, den LKW wahrnehmen und noch vor dem Einfahren in dessen Fahrkanal anhalten können. Einen solchen Blick hat der Kläger nicht gesetzt“.
Stattdessen soll festgestellt werden:
„Selbst wenn der Kläger seinen Blick etwa sechs Meter vor der Kollisionsstelle des Fahrbahnniveaus nach oben gewandt hätte, auf den Bereich oberhalb der Hecke, hätte der Kläger den LKW aufgrund der erheblichen Sichtbehinderung durch den Strauchbewuchs und den Telegraphenmast nicht wahrnehmen können. Der Kläger hätte nicht unfallvermeidend reagieren können.“
Soweit der Kläger gutachterliche Schlussfolgerungen des Sachverständigen zitiert und im Anschluss meint, es sei unerklärlich, wie das Erstgericht zur bekämpften Feststellung gelangt sei, ist das nicht nachvollziehbar. Aus den Ausführungen des Sachverständigen lässt sich die getroffene Feststellung nämlich durchaus schlüssig ableiten. Wenn der Kläger auf dem Standpunkt steht, er hätte bei entsprechender „Blickzuwendung“ nach oben in Kauf nehmen müssen, andere Verkehrsteilnehmer zu übersehen, ist das nicht zielführend, weil schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ersichtlich ist, wieso einem Radfahrer kein weiter nach vorne bzw oben gerichteter Blick möglich sein soll.
Was die Sichtmöglichkeit bzw Wahrnehmbarkeit betrifft, kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Sachverständige sowohl die (damalige) Situation vor Ort („Strauchbewuchs“ und „Bestockung“ bzw Kontrastverhältnisse) als auch die grundsätzliche Fahrposition eines Radfahrers berücksichtigt hat. Insbesondere hat er ausdrücklich auf jene „Lichtbilder im Strafakt“ verwiesen (S 4/ON 12.3), auf die sich der Kläger nunmehr in der Berufung bezieht (S 24 ff in Beil ./1). Davon abgesehen hat das Erstgericht zu den Sichtverhältnissen ohnehin – vom Kläger gar nicht bekämpfte – Feststellungen getroffen. Somit kann der Kläger – auch wenn er seine Schilderungen zur ersten Sicht auf den LKW ins Treffen führt – nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass (und warum) die Schlussfolgerungen des Sachverständigen falsch sein sollen.
2.3. Schließlich bekämpft der Kläger auch noch folgende Feststellung (Pkte 3.15 bis 3.19 der Berufung):
„Im Fall einer Vorrangsituation des Drittbeklagten hatte dieser keine Möglichkeit, den Unfall zu verhindern ...“.
Stattdessen strebt er folgende „Ersatzfeststellung“ an:
„Auch im Fall einer Vorrangsituation des Drittbeklagten hätte dieser die Möglichkeit gehabt, den Unfall zu verhindern, wenn er sich in Richtung des verlängerten Radwegs herangetastet hätte, um einem allenfalls herannahenden Radverkehr das Passieren zu ermöglichen. Er wusste schließlich, dass an dieser Stelle Radfahrer die Kreuzung queren. Er wäre daher zu einer besonderen Vorsicht angehalten gewesen.“
Insoweit ist die Tatsachenrüge jedoch schon deshalb nicht erfolgversprechend, weil damit einerseits Tatsachen- und Rechtsfragen vermengt werden und andererseits selbst mit der Ersatzfeststellung für den Kläger nichts gewonnen wäre. Die Frage, ob einer der Beteiligten einen Unfall irgendwie verhindern hätte können, ist für sich alleine nicht ausschlaggebend. Denn das wäre beispielsweise auch der Fall, wenn der Drittbeklagte den LKW überhaupt nicht in Betrieb genommen hätte oder eine andere Strecke gefahren wäre. Entscheidend ist (in rechtlicher Hinsicht) vielmehr, ob der Beteiligte zu einem bestimmten unfallvermeidenden Verhalten auch verpflichtet gewesen wäre. Auf die nach Ansicht des Klägers festzustellende Verhinderungsmöglichkeit des Drittbeklagten durch Herantasten oder durch „besondere Vorsicht“ kommt es hingegen nicht an, weil er dazu – wie die Behandlung der Rechtsrüge zeigen wird – als bevorrangter Verkehrsteilnehmer keinen Anlass hatte. Genau das haben im Übrigen der Sachverständige mit seinen Ausführungen bzw das Erstgericht mit der dementsprechenden Feststellung auszudrücken versucht.
Soweit der Kläger festgestellt haben möchte, dass der Drittbeklagte wusste, dass an dieser Stelle Radfahrer queren, begehrt er eine ergänzende Feststellung, weil die bekämpfte Feststellung darüber nichts aussagt. Er macht damit der Sache nach einen sekundären Feststellungsmangel geltend, der jedoch unter den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung fällt. Darauf ist daher im Zuge der Behandlung der Rechtsrüge zurückzukommen.
2.4. Zuletzt wendet sich der Kläger noch gegen folgende Feststellung (Pkte 3.20 bis 3.24 der Berufung):
Der Kläger ging damals davon aus, dass der LKW Vorrang hat, dies nahm auch der Drittbeklagte an.
Ersatzweise soll festgestellt werden:
Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Kläger von einem Vorrang zugunsten des Drittbeklagten ausgegangen ist.
Zur Begründung führt der Kläger aus, er habe bei seiner Vernehmung zunächst bloß aufgrund eines Irrtums angegeben, dass er der Meinung gewesen sei, der Drittbeklagte habe Vorrang gehabt. Das habe er dann jedoch „glaubwürdig revidiert“. Soweit nachvollziehbar, argumentiert die Berufung, der Kläger sei nur aufgrund des „rechtswidrig am Asphalt angebrachten Vorrangzeichens“ vom Vorrang seines Unfallgegners ausgegangen. Dass aber der Umstand, dass der Kläger im Nachhinein von seiner Rechtsvertretung oder von wem auch immer darüber aufgeklärt wurde, dass dem Vorrangzeichen keine entsprechende Verordnung zugrunde liegt, nichts an seinen Vorstellung vor dem bzw im Unfallzeitpunkt ändern kann, liegt auf der Hand. Die Ausführungen in der Berufung sprechen daher nicht gegen die getroffene Feststellung, sondern stützen sie geradezu. Im Übrigen hat sich das Erstgericht mit dem diesbezüglichen, mäandernden Aussageverhalten des Klägers auseinandergesetzt (US 8, drittletzter Absatz; § 500a ZPO), was auch im Lichte der Ausführungen in der Tatsachenrüge nicht zu beanstanden ist. Triftige Gründe, insoweit nur eine non-liquet-Feststellung zu treffen, kann die Berufung nicht einmal ansatzweise aufzeigen.
Zusammengefasst bleibt daher auch die Tatsachenrüge erfolglos.
3. Zur Rechtsrüge:
Das Berufungsgericht hält die (weitwendigen) Rechtsausführungen in der Berufung für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpfte rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils für im Wesentlichen zutreffend, weshalb eine kurze Begründung genügt (§ 500a ZPO).
3.1. Wie bereits das Erstgericht richtig ausgeführt hat, hat der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 135/15i entschieden, dass Fahrzeuge, die sich einer Kreuzung nähern, an der (nur) das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ gemäß § 52 lit c Z 23 StVO kundgemacht ist, nicht jedenfalls anhalten müssten und daher als im Fließverkehr befindlich anzusehen seien (anders als beim Vorschriftszeichen „Halt“ gemäß § 52 lit c Z 24 StVO). Daher habe es in solchen Fällen bei der Regel des § 19 Abs 6a StVO zu bleiben, wonach Radfahrer, die – wie hier – die Radfahranlage verlassen, anderen Fahrzeugen im Fließverkehr den Vorrang zu geben haben (RS0122776; vgl auch 2 Ob 239/12d, wonach selbst ein zunächst vor einem Schutzweg anhaltendes Fahrzeug zum Fließverkehr zählt und demnach – solange nicht von einem Vorrangverzicht auszugehen ist – bevorrangt ist).
3.2. Warum sich der vorliegende Sachverhalt von der dieser höchstgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangslage derart unterscheiden soll, dass „diese Erwägungen nicht unverändert übernommen werden könnten“ (Pkt 4.5 der Berufung), vermag die Berufung nicht nachvollziehbar aufzuzeigen. Das gilt insbesondere für die vom Kläger in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Unfallvermeidungsmöglichkeiten. Es steht nämlich fest, dass der Kläger bei entsprechender Aufmerksamkeit auf das Herannahen des LKW reagieren und den Unfall verhindern hätte können.
3.3. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ hier mit der Zusatztafel „Querstraße ist eine Vorrangstraße“ (§ 54 Abs 5 lit d StVO) versehen ist. Höchstgerichtlichen Entscheidungen lässt sich entnehmen, dass es bei der Interpretation solcher Zusatztafeln auf das Verständnis eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers ankommt (vgl RS0075268, RS0075263 [T1]). Von einem durchschnittlich sorgfältigen Verkehrsteilnehmer kann diese in der gegebenen Situation nur so verstanden werden, dass sie sich auf die danach folgende B ** als höherrangige Straße bezieht, nicht aber auf den Radweg. Der Argumentation des Klägers, auch der Radweg sei eine Straße im Sinn der StVO und daher vom Zusatzschild erfasst, vermag sich das Berufungsgericht nicht anzuschließen, zumal Radwege – jedenfalls nach allgemeinem Verständnis von Verkehrsteilnehmern – keine „Vorrangstraßen“ im eigentlichen Sinn sind. Dafür spricht auch, dass § 2 Abs 1 Z 1 StVO „Straßen“ als (nur) für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landflächen definiert, während ein Radweg eigens in § 2 Abs 1 Z 8 StVO als ein für den Verkehr mit Fahrrädern bestimmter und als solcher gekennzeichneter Weg umschrieben wird.
3.4. Inwieweit die seit der oa Entscheidung erfolgten Novellen der Straßenverkehrsordnung an der diesbezüglichen Vorrangregel etwas geändert haben sollen, kann die Berufung nicht aufzeigen, zumal der Kläger selbst erkennt, dass sich die Änderung des § 19 Abs 6a StVO auf den hier vorliegenden Fall nicht auswirkt. Es geht hier nämlich nicht um einen parallel einmündenden Radweg innerhalb des Ortsgebietes. Gleiches gilt, soweit der Kläger versucht, aus vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Bestrebungen bzw Zielsetzungen, „sanfte Mobilität“ zu fördern und die Verkehrssicherheit zu steigern, etwas zu gewinnen. Es sollte einleuchten, dass derart allgemein gehaltene Erwägungen nichts an konkreten Vorrangregelungen ändern können. Selbst nach den Ausführungen des Klägers bliebe im Übrigen unklar, wo dann die Grenze für Radfahrern noch erlaubtes Verhalten läge.
3.5. Schließlich kommt es auch auf die fehlende Verordnung für die Bodenmarkierung nicht an. Dass der Radweg vor der Kreuzung endet und daher Radfahrer benachrangt sind, ergibt sich bereits aus den übrigen Verkehrszeichen, sodass das am Boden aufgemalte Vorrangzeichen nur einen zusätzlichen (im Übrigen auch sinnvollen) Hinweis darstellt. Deshalb hätte dem Kläger – unabhängig davon, ob es dafür eine Verordnung gab oder nicht – nur umso mehr klar sein müssen, dass er benachrangt ist und daher Acht zu geben hat. Auch diese Ausführungen des Klägers verfehlen daher ihr Ziel.
3.6. Vor dem Hintergrund, dass der Drittbeklagte vorschriftsmäßig abgebogen ist und ihm auch kein Beobachtungsfehler unterlief, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht von einem Alleinverschulden des Klägers ausgeht. Entgegen der Ansicht des Klägers verlangt die von einem bevorrangten Fahrzeuglenker zu erwartende Sorgfalt an der gegenständlichen Stelle kein langsames „Herantasten im Sinne eines Stop-and-Go“ an die Kreuzung. Das gilt auch, wenn dieser weiß, dass Radfahrer queren, diese aber benachrangt sind. Daher kommt es auf die vom Kläger in der Tatsachenrüge begehrte ergänzende Feststellung (siehe oben Pkt 2.3) ebenso wenig an, wie auf den in der Rechtsrüge geltend gemachten sekundären Feststellungsmangel (Pkt 5 der Berufung).
3.7. Ob ein für den Drittbeklagten unabwendbares Ereignis im Sinn des § 9 Abs 4 EKHG vorliegt, kann dahingestellt bleiben. Die gewöhnliche Betriebsgefahr wird durch das Verschulden des Schädigers als Unfallursache in der Regel nämlich ganz zurückgedrängt; eine Ausgleichungspflicht nach § 11 EKHG kommt nur dann in Betracht, wenn der Schaden auf eine besondere Betriebsgefahr zurückzuführen ist (RS0058551). Erhöhte Betriebsgefahr kann nur dann angenommen werden, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon in dem Betrieb gegebener Umstände vergrößert werden; das bedeutet lediglich, dass solche Besonderheiten beim Abwägen der beiderseits ursächlichen Umstände zu berücksichtigen sind (RS0058586). Ob und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise im Einzelfall doch eine erhöhte Betriebsgefahr gegenüber dem Verschulden zu berücksichtigen ist, kann nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RS0058551 [T10]; OLG Linz 4 R 104/25d).
Die bloße Tatsache, dass es sich beim Beklagtenfahrzeug um einen LKW handelt, stellt noch keine hier zu berücksichtigende höhere Betriebsgefahr dar. Eine solche wird auch nicht durch ein ordnungsgemäßes Einbiegen nach rechts in eine Kreuzung mit einer relativ geringen Geschwindigkeit begründet. Es liegen daher keine zu einer Haftung führenden gefahrenerhöhenden Umstände vor.
Daher war der Berufung ein Erfolg zu versagen. Auf die in der Berufungsbeantwortung enthaltene Feststellungsrüge gemäß § 468 Abs 2 ZPO (S 9/ON 20) war mangels rechtlicher Relevanz nicht einzugehen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 50 iVm 41 ZPO. Was die in der Berufungsbeantwortung relevierte „Neubewertung des Feststellungsinteresses“ betrifft, übersehen die Beklagten, dass sie selbst dessen Streitwert bemängelt haben und dieser infolgedessen schließlich – im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen (§ 7 Abs 2 RATG) – „parteieneinvernehmlich“ (!) festgesetzt wurde (S 2/ON 12.3). Die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufungsbeantwortung sind daher nicht nachvollziehbar. Folglich haben die Beklagten die Kosten ihrer Berufungsbeantwortung überhöht verzeichnet.
Ein Ausspruch über den Wert des Streitgegenstands erübrigte sich, weil bereits das Zahlungsbegehren EUR 30.000,00 übersteigt.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen waren, sondern die Entscheidung von den Umständen des Einzelfalls abhing.
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