Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Mag. Christine Mayrhofer und Dr. Gert Schernthanner in der Insolvenzsache der Schuldnerin A*, geboren am **, Hausbetreuerin und Händlerin, **straße **, **, vertreten durch die Karre Rechtsanwalts GmbH in 5710 Kaprun, (Insolvenzverwalterin Dr. Andrea Fruhstorfer, Rechtsanwältin in Salzburg), über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 6. August 2025, S*-2, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (kurz: SVS) stellte am 5. Juni 2025 den Antrag, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu eröffnen. Diese sei nämlich mit Sozialversicherungsbeiträgen (für den Zeitraum vom 1. Februar 2018 bis 30. November 2019) von insgesamt EUR 40.356,87 zuzüglich Verzugszinsen im Zahlungsrückstand, laufend nach dem GSVG pflichtversichert, habe seit über einem Jahr keinen Kontakt mit ihr aufgenommen und zuletzt am 20. April 2022 EUR 1.000,00 bezahlt. Auf ihre Konkursandrohung vom 25. April 2025 sei keine Zahlung erfolgt und auch ein Ratenansuchen sei nicht gestellt worden. Vor dem BG Zell am See habe die Schuldnerin zu E1* ein Vermögensverzeichnis abgelegt; sie sei zahlungsunfähig.
Die Ersterhebungen des Insolvenzgerichts ergaben, dass die Schuldnerin Besitzerin eines erstmals 2017 zugelassenen Zentralachsanhängers und (mit ihrem Gatten) Eigentümerin einer Wohnung und zweier PKW-Abstellplätze (je EZ ** KG **) sowie eines im Wohnungseigentum stehenden Lagers (EZ ** KG **) ist. Das Exekutionsregister zeigte seit 2021 vier Exekutionsverfahren gegen die Schuldnerin, von denen eines im Mai 2022 und eines im September 2024 eingestellt worden waren. Die Abfrage im Gewerbeinformationssystem Austria ergab zwei aufrechte Gewerbeberechtigungen (Hausbetreung und Handelsgewerbe).
Der für den 2. Juli 2025 vom Bezirksgericht Zell am See als Rechtshilfegericht anberaumten Vernehmungstagsatzung blieb die Antragsgegnerin unentschuldigt fern; die Zustellung der Ladung ist durch elektronische Hinterlegung am 20.6.2025 ausgewiesen.
Mit Beschluss vom 7. Juli 2025 teilte das Erstgericht der Schuldnerin mit, dass Erhebungen im Konkurseröffnungsverfahren keine Anhaltspunkte für ein kostendeckendes Vermögen iSd § 71ff IO ergeben hätten und forderte sie zum Erlag eines Kostenvorschusses auf. Auch diese Entscheidung blieb bei ordnungsgemäßer Zustellung (elektronische Hinterlegung am 15.7.2025) ohne Reaktion. Über Anfrage des Erstgerichts gab die Antragstellerin am 5. August 2025 den aktuellen Rückstand mit EUR 42.006,83 bekannt. Die letzte Zahlung sei unverändert am 20. April 2022 erfolgt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. August 2025 eröffnete das Erstgericht das Konkursverfahren über das Vermögen der Schuldnerin.
Es erachtete die ursprünglich mit Rückstandsausweis nachgewiesene Beitragsforderung der Antragsstellerin als ausreichend glaubhaft gemacht und ging von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin aus, weil diese auch während des laufenden Verfahrens die Beitragsschuld nicht beglichen habe. Kostendeckendes Vermögen sei durch den Besitz eines Zentralachsanhängers (Erstzulassung 2017) und Liegenschaftseigentum vorhanden. Im Zweifel über das Vorhandensein kostendeckenden Vermögens sei der Konkurs zu eröffnen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Schuldnerin aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, den Antrag auf Konkurseröffnung abzuweisen.
Die Schuldnerin macht zusammengefasst geltend, das Erstgericht habe ihre Zahlungsunfähigkeit mangels ausreichender Erhebungen zu Unrecht bloß auf die Nichtzahlung der Verbindlichkeit aus dem Rückstandsausweis gestützt. Sie sei aber seit 2019 nicht mehr selbständig erwerbstätig, weshalb die Forderungen der SVS nicht zu Recht bestehen könnten. Mahnungen oder Verständigungen der Antragstellerin habe sie nie bekommen, exekutive Maßnahmen seien dem Antrag nicht vorausgegangen. Nach dem Rückstandsausweis bezögen sich die Forderungen auf einen Beitragszeitraum vom 1.2.2018 bis 30.11.2019; das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjähre aber nach § 68 ASVG binnen dreier Jahre, weshalb die Antragstellerin wegen offensichtlicher Verjährung ihre Forderung nicht glaubhaft gemacht habe. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, allfällige Forderungen der Antragstellerin zu prüfen und zu bekämpfen; ihren Zahlungsverpflichtungen komme sie regelmäßig und zeitgerecht nach.
Die SVS trat mit ihrer Rekursbeantwortung dem Rekursantrag entgegen. Die Masseverwalterin erstattete eine Stellungnahme zum Rekurs, die keinen konkreten Antrag enthält.
Dem Rekurs kommt keine Berechtigung zu.
1. Zunächst ist auf das Vorbringen einzugehen, die Schuldnerin sei seit 2019 nicht mehr selbständig erwerbstätig. Betreibt der Schuldner zum Zeitpunkt der Antragstellung kein Unternehmen (mehr), so ist gemäß § 182 IO zuständiges Insolvenzgericht das zum Zeitpunkt der Antragstellung örtlich zuständige Bezirksgericht. Ist ein anderes als das angerufene Gericht sachlich zuständig, so hat letzteres gemäß § 182 Abs 2 IO seine Unzuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen oder auf Antrag durch Beschluss auszusprechen und die Sache an das sachlich zuständige Gericht zu überweisen. Nach § 41 Abs 3 JN hat das Gericht von Amts wegen die für die Zuständigkeit maßgebenden Verhältnisse zu ermitteln; es ist nicht an die Angaben zur Zuständigkeit im Eröffnungsantrag gebunden. Hat das Erstgericht aber - wie hier - mit der Konkurseröffnung eine Sachentscheidung getroffen und damit schlüssig seine sachliche Zuständigkeit bejaht, so ist es nach § 45 JN iVm § 252 IO dem Rekursgericht verwehrt, die zweifelhafte Zuständigkeit des Erstgerichts zu prüfen (vgl. 8 Ob 73/22a; OLG Innsbruck 1 R 191/23g). Auf die Zuständigkeit des Erstgerichts hat das Rekursvorbringen daher keinen Einfluss.
2. Die Behauptung, sie komme ihren Zahlungsverpflichtungen zeitgerecht nach, weshalb sie nicht zahlungsunfähig sei, kann hier schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil es sich dabei um eine unzulässige Neuerung handelt. § 260 Abs 2 IO ermöglicht es zwar, bei der insolvenzgerichtlichen Beschlussfassung erster Instanz bereits vorhanden, aber noch nicht aktenkundig gewesene Tatsachen (nova reperta) im Rekurs nachzutragen und zu ihrem Nachweis auch neue Beweismittel zu führen. Von dieser grundsätzlichen Neuerungserlaubnis nimmt allerdings § 259 Abs 2 IO bestimmte Fälle aus, sodass Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden können. Demnach ist es dem Schuldner verwehrt, im Rekurs gegen die Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag Neuerungen – insbesondere solche betreffend die Tatfrage seiner Zahlungs(un)fähigkeit – vorzubringen, wenn er der Ladung zur Tagsatzung über den Konkursantrag bzw zu seiner Vernehmung keine Folge geleistet hat (RIS Justiz RS0110967 [T6] und RS0115313; OLG Linz zuletzt etwa 2 R 53/25i mwN).
3. Das Argument, die im Rückstandsausweis erfasste Verbindlichkeit bestehe tatsächlich gar nicht (mehr), kann der Schuldnerin ebensowenig zum Erfolg verhelfen. Gemäß § 70 Abs 1 IO ist auf Antrag eines Gläubigers das Insolvenzverfahren unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung oder Forderung aus einer Eigenkapital ersetzenden Leistung hat und, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist.
Der die Insolvenzeröffnung beantragende Gläubiger hat damit seine Forderung lediglich zu bescheinigen; ein Exekutionstitel für die Forderung oder eine Exekutionsführung ist nicht erforderlich (RS0064986). Die Anforderungen an die Bescheinigung sind gestaffelt: Stützt der Antragsteller seinen Insolvenzeröffnungsantrag auf eine nicht titulierte Forderung, ist an die Behauptung und die Bescheinigung der Forderung ein strenger Maßstab anzulegen. Demgegenüber wird ein wenngleich noch nicht rechtskräftiges Urteil zur Bescheinigung des Bestehens einer Insolvenzforderung als ausreichend angesehen (RS0064986 [T4]). Umso mehr ist das Bestehen einer Forderung des Antragstellers bescheinigt, wenn dieser über einen rechtskräftigen Titel verfügt, und erst recht, wenn er zu dessen Durchsetzung die Exekution bewilligt erhielt. Der Schuldner hat die Möglichkeit, durch geeignete Gegenbescheinigungen, die stichhaltige Zweifel an den Insolvenzvoraussetzungen erwecken, die Insolvenzeröffnung abzuwenden (RS0064986 [T7]). In Hinsicht auf das Bestehen einer Insolvenzforderung des Antragstellers sind an die Gegenbescheinigung umso strengere Anforderungen zu stellen, umso stärker die Forderung des Antragstellers bescheinigt ist (vgl. insbes. 8 Ob 129/24i).
Ein vom zuständigen Rechtsträger erlassener Rückstandsausweis stellt einen Exekutionstitel nach § 1 Abs 1 Z 13 EO dar, aufgrund dessen – ohne Prüfung seiner Gesetzmäßigkeit und Richtigkeit (RIS Justiz RS0000082, RS0000192) - die Exekution zu bewilligen ist. Den Versuch einer Gegenbescheinigung hat die Schuldnerin nicht angetreten, bezeichnete sie die behauptete Verjährung doch bloß als offensichtlich, ohne inhaltlich darauf einzugehen.
Die Beurteilung zum Beschlusszeitpunkt des Erstgerichts trifft insgesamt zu, zumal die letzte Zahlung der Schuldnerin an die SVS trotz bedeutenden Rückstands im April 2022 erfolgte. Auch danach wurden noch Exekutionsverfahren eingeleitet; erst im Februar 2022 hatte die Schuldnerin ein Vermögensbekenntnis abgelegt, in dem sie ihre Einkommens- und Vermögenslosigkeit behauptete. Woraus daher Verbindlichkeiten in – wie die Forderung der Antragstellerin zeigt – erheblicher Höhe zeitgerecht beglichen werden könnten, ist nicht zu sehen. Dass gerade Sozialversicherungsbeiträge und eine – geringe - Verwaltungsstrafe (E2*) in Exekution gezogen werden mussten, bildet ein weiteres Indiz für die Zahlungsunfähigkeit. Von einer bloßen vorübergehenden Zahlungsstockung kann bei einer insgesamt derart langen Zeitspanne keine Rede mehr sein (vgl. RIS Justiz RS0126561).
Der Rekurs bleibt daher ohne Erfolg.
Der Revisionsrekurs ist gemäß §§ 252 IO, 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
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