Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen Mag. a Zeiler-Wlasich (Vorsitz) und Dr. in Jost-Draxl sowie den Richter Mag. Schellnegger in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Pensionistin, **, vertreten durch die Prutsch-Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei AUVA Allgemeine Unfallversicherungsanstalt , **, vertreten durch Dr. Peter Schaden und andere, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 112.589,48 und Feststellung (Interesse EUR 5.100,00), über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 112.589,48 und Feststellung) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. Mai 2025, **-22, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit EUR 3.967,62 (darin EUR 661.27 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Thema des Verfahrens ist die Frage, ob die Klägerin am 3. Juli 2023 im Unfallkrankenhaus B* (idF UKH) lege artis behandelt wurde. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde (soweit von der Klägerin bekämpft kursiv dargestellt):
Die Klägerin stürzte am 2. Juli 2023 gegen 16.00 Uhr, als sie ihr Fahrrad in den Keller trug, und zog sich dabei unter anderem eine Schürfwunde am linken Schienbein zu. Dabei geriet die Wunde mit Streptococcus pyogenes in Kontakt, die sich im Organismus der Klägerin einnisteten. Nach dem Sturz versorgte die Klägerin selbst die Wunde am Schienbein in ihrer Wohnung, indem sie die Wunde desinfizierte und steril verband. Am 3. Juli 2023 nahm die Klägerin wahr, dass helles Sekret aus der Wunde austrat, weshalb sie sich entschloss, das Unfallkrankenhaus B* aufzusuchen.
Die Klägerin wurde am 3. Juli 2023 gegen 8:27 Uhr im UKH vorstellig und im Laufe des Vormittags behandelt. Es wurde ein Röntgen angefertigt, zudem wurde sie von Dr. C* untersucht. Diese diagnostizierte eine nicht mehr blutende, längsgestellte, etwa einen Zentimeter große Hautabschürfung am unter Drittel des linken Schienbeins, wobei eine massive Druckempfindlichkeit im gesamten Bereich des Schienbeins vorlag. Bei der Klägerin lagen im Zeitpunkt der Behandlung im UKH keinerlei Entzündungszeichen vor, weder nässte die Wunde übermäßig stark, noch war die Wunde gerötet, erwärmt oder stark geschwollen. Die Klägerin schilderte gegenüber der behandelnden Ärztin nicht, dass sie starke Schmerzen habe, die Wunde bereits seit dem Vortag stark nässen würde und die Verbände vor dem Besuch im UKH komplett durchnässt gewesen seien. [ F 1 ]
Die Behandlung am 3. Juli 2023 im UKH erfolgte entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst und jener Sorgfalt, die nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung erforderlich ist. Im Zuge der Behandlung waren keine weiteren diagnostischen Maßnahmen vorzunehmen und hätten keine weiteren Therapieempfehlungen ausgesprochen werden müssen. Als die Klägerin im UKH behandelt wurde, lag kein Zustand vor, welcher eine Infektion bzw eine fortschreitende Entzündung vermuten lassen würde und somit weitere diagnostische Schritte erforderlich gemacht hätte. [ F 2 ]
Selbst wenn die Wunde der Klägerin bei ihrer Behandlung im UKH stärker genässt haben sollte, wäre keine weitere diagnostische Abklärung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlich gewesen, weil es bei einer Schürfwunde Teil der Heilung ist, dass die Wunde zu Beginn nässt, bis sich eine trockene Kruste bildet.
Die Klägerin begehrt Schadenersatz in Höhe von EUR 112.589,48 samt Zinsen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden, die aus der Behandlung vom 3. Juli 2023 resultierten. Die behandelnde Ärztin habe am 3. Juli 2023 trotz einer nässenden Wunde sowie des geschwollenen und gewärmten Beins keine weiterführende Untersuchung zur Erhebung von Entzündungszeichen, wie etwa eine Fiebermessung oder eine Blutabnahme, durchgeführt. Sie habe die Ärztin darauf hingewiesen, dass sie vor 13 Jahren das letzte Mal eine Tetanus-Impfung erhalten habe, eine nicht auszuschließende Infektion bestehe und sie aufgrund der von ihr bemerkten lokalen Infektzeichen eine Auffrischung dieser Impfung begehre. Die behandelnde Ärztin habe diese Impfung verabreicht und eine nicht frische Prellung und Abschürfung des linken Unterschenkels diagnostiziert. Sie habe zur weiteren Behandlung nur das Hochlagern des Beins sowie Kühlung, Schonung und Betaisodona-Spray empfohlen. Auch trotz ausdrücklicher Mitteilung, dass es ihr klinisch sehr schlecht gehe, sei keine Wiederbestellung, keine Fiebermessung oder ein CRP-Schnelltest erfolgt. Bereits am darauffolgenden Tag, am 4. Juli 2023, habe sich ihr Zustand gravierend verschlechtert. Sie sei mit dem Notarzt in das LKH D* überstellt worden, wo eine nekrotisierende Fasziitis des linken Unterschenkels diagnostiziert worden sei. Sie sei auf die Intensivstation verlegt worden und habe ab diesem Zeitpunkt keine Erinnerung mehr, weil sie für zwei Wochen in den künstlichen Tiefschlaf versetzt worden sei und mehrere Operationen sowie ein Organversagen habe erleiden müssen. Unter anderem sei ihr zunächst der Unterschenkel und letztlich auch der Oberschenkel links amputiert worden, wodurch sie weitere zahlreiche Gesundheitsschäden erlitten habe. In der Tagsatzung vom 3. Juli 2023 brachte die Klägerin nach Vorliegen des unfallchirurgischen Gutachtens schließlich vor, dass die Hygienevorschriften im Rahmen der Behandlung am 3. Juli 2023 nicht eingehalten worden seien. Aus diesem Grund sei der Staphylokokken-Keim in ihre Wunde gelangt, woraus sich die Sepsis entwickelt habe.
Die Beklagte wendet ein, dass die Behandlung der Klägerin entsprechend den Regeln der medizinischen Wissenschaft erfolgt sei. Die Hygienevorschriften seien eingehalten worden; viel wahrscheinlicher sei es, dass sich die Klägerin den Keim im Zuge des Unfalls bzw im häuslichen Bereich „eingefangen“ habe. Die Klägerin habe auch keinen konkreten Verstoß gegen Hygienevorschriften vorgebracht.
Mit der angefochtenen Entscheidung weist das Erstgericht die Klagebegehren ab . Es trifft die in den Urteilsseiten 3 bis 4 ersichtlichen Feststellungen.
Rechtlich führt es aus, dass eine Haftung der Beklagten mangels Vorliegens eines Behandlungsfehlers nicht gegeben sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt, das Urteil dahin abzuändern, dass ihrem Klagebegehren stattgegeben werde; in eventu stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Beklagte erstattet eine Berufungsbeantwortung .
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt .
I. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:
1.1. Die Klägerin rügt die Nichtbeiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der klinischen Mikrobiologie und Hygiene bzw der Infektiologie . Der beigezogene Sachverständige aus dem Fachgebiet der Unfallchirurgie Univ.-Prof. Dr. E* habe in Überschreitung seines Fachgebiets ausgeführt, dass ex ante keine weiteren Untersuchungen und Behandlungen indiziert gewesen wären, sowie dass eine frühere Einleitung einer oralen Antibiose die Sepsis nicht gestoppt und den katastrophalen Krankheitsverlauf nicht hätte verhindern können. Die entscheidungswesentliche Frage zum Zeitpunkt der objektiven Erkennbarkeit eines infektiösen Geschehens falle jedoch in den Fachbereich eines Sachverständigen für klinische Mikrobiologie und Hygiene, welcher auch von Amts wegen hätte beigezogen werden müssen, weil das Gutachten in diesem Punkt unvollständig geblieben sei.
1.2. Die Klägerin beantragte nach dem mündlichen Gutachten des unfallchirurgischen Sachverständigen in der Tagsatzung vom 28. Mai 2025 die Beiziehung eines Sachverständigen „aus dem Bereich der Hygiene und Mikrobiologie“ zum Beweis dafür, dass „ die Beklagte die Hygienevorschriften im Rahmen der Behandlung am 3. Juli 2023 nicht eingehalten habe, und zwar in dem Sinne, dass im Zuge der Untersuchung bzw des Verbandwechsels der Staphylokokken-Keim in die Wunde der Klägerin eingebracht wurde, woraus sich schlussendlich die Sepsis entwickelt habe “.
1.3. Das Erstgericht befragte zu diesem Vorwurf noch in der Verhandlung die Klägerin, welche erklärte, sich an die Behandlung durch die Ärztin im UKH nicht mehr wirklich erinnern zu können und nicht mehr sagen zu können, ob diese Handschuhe angehabt habe oder nicht. Sie wisse auch nicht mehr, ob die Ärztin oder die Krankenschwester den Verband gewechselt habe. Im UKH habe sie einen frischen Verband bekommen. Der unfallchirurgische Sachverständige wurde sodann ergänzend befragt und führte zusammengefasst aus, dass die Keimbesiedelung sowohl im Rahmen des Unfalls, als auch auch im Nachhinein nach der Verletzung am Weg in die Wohnung, beim ersten Verbandswechsel, bei den weiteren Verbandswechseln oder auch im Krankenhaus hätte erfolgen können. Weder das eine noch das andere könne ausgeschlossen werden. Wäre - entsprechend den Angaben der Klägerin - bereits bei der ersten Behandlung im UKH eine infizierte, gerötete und nässende Wunde vorhanden gewesen, so stünde dies im Widerspruch zum Vorbringen, dass im Rahmen des Verbandswechsels im UKH erst ein pathogener Keim eingebracht worden sei. Aufgrund seiner eigenen Erfahrung, dass derartige Verbandswechsel routinemäßig täglich hundertmale durchgeführt würden, gehe er davon aus, dass die Keimbesiedelung im Rahmen der initialen Wunde verursacht worden sei. Mit absoluter Sicherheit könne diese Frage aber nicht beantwortet werden. Das Erstgericht wies daraufhin die noch offenen Beweisanträge nach § 276 Abs 1 ZPO zurück.
1.4. Die Auswahl des Sachverständigen ist im Ergebnis eine Ermessensentscheidung des Gerichts, dass hierüber weder an die Vorschläge der Partei noch an konkrete gesetzliche Vorgaben verbunden ist (RIS-Justiz RS0040607; RS0040566; 2 Ob 8/06z), insbesondere nicht an die Verpflichtung, nur solche Personen heranzuziehen, die zur Erstattung von Gutachten über ein bestimmtes Thema öffentlich bestellt sind (2 Ob 8/06z mwN). Die Eintragung in die Sachverständigenliste hat nur Indizwirkung, dass der Sachverständige gerade auf diesem Gebiet eine besondere Fachkunde aufweist (Sach 1991/2,23; Schneider in Fasching/Konecny³ III/1 § 351 Rz 10 [Stand 1.8.2017, rdb.at]). Auch bei bei der Bestimmung der Zahl der Sachverständigen ist das Gericht frei; im Normalfall wird mit einem Sachverständigen das Auslangen zu finden sein ( Schneider aaO Rz 13).
1.5. Die Voraussetzungen für die Begutachtung durch einen weiteren Sachverständigen sind in § 362 Abs 2 ZPO normiert (RS0040639; RS0040588). Danach kommt die Einholung eines weiteren Gutachtens nur dann in Betracht, wenn dies zur Behebung von Mängeln, also bei Unklarheit, Unschlüssigkeit, Widersprüchen oder Unvollständigkeit des Gutachtens notwendig ist (3 Ob 77/10k; RS0040604; RS0040588). Liegt zu den behaupteten Tatsachen ein vollständiges und widerspruchsfreies Gutachten vor, so ist es Sache der Beweiswürdigung des Gerichts, daraus abzuleiten, ob der Beweis hergestellt ist. Indem das Gericht von einer weiteren Begutachtung Abstand nimmt, setzt es damit lediglich einen Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung (SVSlg 62.257; RS0043320; RS0043163 [T15]; SchneideraaO § 362 ZPO Rz 6). Bereits an dieser Stelle sei jedoch ausgeführt:
1.6 Bei der Frage, ob ein haftungsbegründendes Fehlverhalten der Ärztin bei der Betreuung der Patientin vorliegt, kommt es auf die übliche Sorgfalt einer ordentlichen pflichtgetreuen Durchschnittsärztin in der konkreten Situation an (RS0038202).
1.7. Die Klägerin wurde in einem Unfallkrankenhaus behandelt, sodass das Verhalten einer dort bei der Wundversorgung tätigen ordentlichen pflichtgetreuen Durchschnittsärztin zu beurteilen ist. Der beigezogene unfallchirurgische Sachverständige hat ein widerspruchsfreies, schlüssiges und vollständiges Gutachten erstattet. Die Klägerin hat kein konkretes Verhalten des Personals der Beklagten im Rahmen ihrer Behandlung behauptet, welches auf eine Verletzung von Hygienevorschriften hätte hinweisen können. Auch aus der Aussage der Klägerin ist Derartiges nicht zu entnehmen. Der beigezogene Sachverständige hat schlüssig all jene Situationen dargestellt, in denen der Keim in die Wunde der Klägerin gekommen sein könnte. Er hat sämtliche Fragen im Zusammenhang mit jenem Beweisthema, zu dem die Klägerin den Sachverständigen aus dem Bereich der Hygiene und Mikrobiologie geführt hatte, widerspruchsfrei und vollständig beantwortet. Er führte aus, dass sich im Nachhinein nicht mehr feststellen lasse, woher der Keim gekommen sei und sich aus der Krankengeschichte kein Hinweis ersehen lasse, dass die Hygienevorschriften nicht eingehalten worden seien.
1.8. Wenn die Berufung ausführt, der Hygienesachverständige hätte zur Frage beigezogen werden müssen, wann das infektiöse Geschehen objektiv erkennbar gewesen sei, so entspricht dies zunächst nicht dem in erster Instanz gestellten Beweisantrag.
Der beigezogene Sachverständige hat zudem ausführlich zur Erkennbarkeit des infektiösen Geschehens Stellung genommen. Es gebe auch unter Kenntnis des nachfolgenden Verlaufs mit septischem Zustandsbild objektiv keinen Hinweis dafür, dass zum Zeitpunkt der Behandlung ein Zustand vorgelegen sei, welcher eine Infektion bzw eine fortschreitende Entzündung vermuten lasse. Gehe man davon aus, dass zum Zeitpunkt der Behandlung im UKH eine stark nässende gerötete Wunde mit deutlicher lokaler Schwellung und Druckempfindlichkeit vorhanden gewesen sei, so hätte eine weitere Abklärung erfolgen müssen. Aus dem ambulanten Befundbericht ergebe sich aber kein Hinweis auf ein pathologisch entzündliches Geschehen. Üblicherweise werde in Unfallkrankenhäusern eine Ersteinschätzung vorgenommen und in der Krankengeschichte so etwas dokumentiert und unter Berücksichtigung der Angaben der Patienten eine Priorität in der Behandlung vorgenommen. Bei einer oberflächlichen Wunde wie die im Befund dokumentierte Hautabschürfung, wäre initial ein Nässen dieser Wunde als normal anzusehen, insbesondere dann, wenn sonst keinerlei Entzündungszeichen vorliegen. Bei nässenden Wunden würden Verbände in Abhängigkeit der Sekretion gewechselt. Aufgrund der rasch fortschreitenden Entzündung gehe er davon aus, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Gabe eines oralen Antibiotikums keinen wesentlichen Einfluss auf die Erkrankung genommen hätte.
1.9. Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass es beweiswürdigend auf die Frage ankommt, in welchem Zustand die Wunde war, als die Klägerin sich in die Behandlung im UKH begab. Hierzu gibt es Aussagen der behandelnden Ärztin und der Klägerin, welche vom Erstgericht zu würdigen waren. Die in der Berufung erstmals vorgetragenen Argumente zielen auf einen Kontrollbeweis ab, dessen Unterlassung keinen Verfahrensmangel begründet (vgl RS0043163 [T 6]; RS0043406 insbesondere [T 1]; RS0040246 insbesondere [T 2, T 3, T 5]).
2.1. Die Klägerin macht weiters als Verfahrensmangel geltend, dass kein schriftliches Gutachten eingeholt worden sei. Im Sinne eines fairen Verfahrens hätte man ihr die Möglichkeit einräumen müssen, die gutachterlichen Ausführungen in Form eines schriftlichen Gutachtens binnen angemessener Frist zu prüfen und allenfalls unter Beiziehung eines eigenen Sachverständigen im Rahmen einer umfassenden Gutachtenserörterung nach Erarbeitung eines Fragenkatalogs zu erörtern. In dem Fall hätte sie die Ausführungen des Sachverständigen über Vorhalt der Krankenunterlagen in Zweifel ziehen können, zumal die Schwere des weiteren Verlaufs zu seinem Gutachten in Widerspruch stünde.
2.2. Die ZPO geht im Sinne des Unmittelbarkeitsgrundsatzes davon aus, dass Befund und Gutachten des Sachverständigen grundsätzlich mündlich zu erstatten sind, erlaubt jedoch ausnahmsweise aus Praktikabilitätsgründen auch die schriftliche Begutachtung. Die Entscheidung, ob schriftliche oder mündliche Begutachtung verlangt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, das den Sachverständigen bestellt ( SchneideraaO § 357 ZPO Rz 2). Aus dem Leitbild der mündlichen Verhandlung folgt, dass gerade die mündliche Verhandlung dazu dient, in ihrem Rahmen zu Beweisergebnissen vorzubringen. Um das rechtliche Gehör zu wahren, kann die Partei nicht verlangen, die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung nachträglich schriftlich kommentieren zu dürfen (16 Ok 8/10).
2.3. Bei komplexen Sachverhalten, aufwändigen wissenschaftlichen Untersuchungen oder komplizierten Berechnungen hat die Praxis das vom Gesetz vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt (vgl Schneider aaO § 357 Rz 2). Auch im wissenschaftlichen Diskurs wird zur Vorsicht beim Abfassen mündlicher Gutachten gemahnt (vgl Deixler-Hübner , Fortschreitender Einsatz von Sachverständigen, Rz 1992, 251ff; Tanczos in Krammer/Schiller/Schmidt, Sachverständige und ihre Gutachten 3, 87). Diese Vorbehalte führen aber nicht dazu, dass die Erstattung eines mündlichen Gutachtens zu einem Verfahrensverstoß nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO führt. Das mündliche Gutachten hat den Vorteil der Unmittelbarkeit und der Prozessbeschleunigung (und ist etwa bei Verkehrsunfallrekonstruktionen ungeachtet deren technischer Komplexität unmittelbar im Anschluss an die Befragung der beteiligten Personen durchaus üblich). Demgegenüber ist das schriftliche Gutachten präziser und bietet den Parteien mehr Gelegenheit, sich darauf einzustellen und gezielt Fragen vorzubereiten ( Deixler-Hübner aaO) . Letztlich bleibt es im Ermessen des Gerichts, welche Vorgehensweise ihm als die geeignetere erscheint.
2.4. Der zu beurteilende Behandlungsvorgang der Klägerin am 3. Juli 2023 ist - ungeachtet des dramatischen weiteren Verlaufs für die Klägerin - kein komplexer Sachverhalt, der eine komplexe wissenschaftliche medizinische Auseinandersetzung erfordern würde. Die Aussagen des Sachverständigen waren klar verständlich; zuletzt erklärten beide Parteien, keine weiteren Fragen zu haben. Die Klägerin kann auch in der Berufung – nach hinreichender Zeit für die Überprüfung des Gutachtens - nicht darlegen, welche Fragen sie bei weiterer Überlegungszeit an den Sachverständigen noch gerne gestellt und inwiefern deren Beantwortung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Weshalb der dramatische spätere Verlauf bei einer schnell fortschreitenden bakteriellen Infektion im Widerspruch zum Gutachten stehen sollte, ist nicht erkennbar.
3. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt zusammengefasst nicht vor.
II. Zur Tatsachenrüge:
1. Die Klägerin bekämpft die Feststellungen [ F 1 ] und [ F 2 ] und begehrt stattdessen die Ersatzfeststellungen:
Bei der Klägerin lagen im Zeitpunkt der Behandlung im UKH Entzündungszeichen - insbesondere in Form einer stark nässenden sowie geröteten und erwärmten bzw geschwollenen - Wunde vor. Die Klägerin schilderte gegenüber der behandelnden Ärztin, dass sie Schmerzen habe und nicht wegen einer „harmlosen Schürfwunde und Prellung“ ins Krankenhaus fahren würde, sondern die Wunde bereits seit dem Vortag stark nässe und sie aufgrund der Sorge einer Infektion auch eine Tetanus-Impfung erhalten möchte.
Die Behandlung am 3. Juli 2023 im UKH B* entsprach nicht den Regeln der ärztlichen Kunst, da die vorliegende Infektion nicht diagnostiziert und behandelt wurde. Als die Klägerin im UKH behandelt wurde, lag ein Zustand vor, welcher eine Infektion bzw eine fortschreitende Entzündung vermuten ließ und somit weitere diagnostische Schritte erforderlich gemacht hätte.
2. Das Erstgericht hat im Rahmen seiner ausführlichen Beweiswürdigung das Ergebnis seines Meinungsbildungsprozesses im Sinn des im § 272 ZPO verankerten Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ebenso sorgfältig zur Darstellung gebracht, wie die Gründe, die im Einzelfall für die Annahme der bekämpften Feststellungen trotz der zum Teil divergierenden Aussage der Klägerin maßgebend waren. Der bloße Umstand, dass die Beweisergebnisse möglicherweise auch andere als die vom Erstgericht gezogenen Schlussfolgerungen zugelassen hätten, kann nicht zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Tatsachenfeststellungen führen (RS0043175; A. Kodekin Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 482 Rz 6).
3. Die Klägerin selbst gesteht zu, dass ihr rückwirkendes Erinnerungsvermögen aufgrund der Sepsis und der dramatischen Ereignisse getrübt ist und sie sich an die Behandlung durch die Ärztin im UKH nicht mehr wirklich erinnern könne, weshalb es nachvollziehbar ist, wenn das Erstgerichts das Erinnerungsvermögen der Klägerin an wörtliche Äußerungen nicht für zuverlässig hält. Das Verlangen nach einer Tetanus-Impfung nach einer Hausabschürfung im Rahmen eines Sturzes in möglicherweise bakterienbelasteter Umgebung ist unabhängig von bereits vorliegenden Entzündungszeichen ein sinnvolles Behandlungsbegehren. Eine gewisse Sekretabgabe an der Wunde ist auch ohne entzündlichen Prozess möglich. Der Umstand, dass die Klägerin Krankenschwester war, spricht ebenfalls nicht zwingend gegen die erstrichterlichen Feststellungen, ist doch bereits der Wunsch nach einer Tetanus-Spritze und einer vorsorglichen Untersuchung der Wunde ein hinreichender Grund, im UKH vorstellig zu werden. Tatsächlich erscheint es unplausibel, weshalb die behandelnde Ärztin bei vorliegenden Entzündungszeichen diese nicht im Befund (der ansonsten durchaus detailreich das Wundgebiet beschreibt) festgehalten hätte.
4. Auch der dramatische Verlauf ab dem 4. Juli 2023, welcher dem Sachverständigen ebenso wie die vorliegende Krankengeschichte (Beilagen ./B bis ./S) bekannt war, spricht nicht gegen die erstrichterlichen Feststellungen. Die Klägerin erlitt eine nekrotisierende Fasziitis und somit eine lebensbedrohliche bakterielle Infektion, die derart schnell fortschritt, dass der Sachverständige davon ausging, dass selbst eine sofortige Antibiotikagabe mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen wesentlichen Einfluss mehr auf die Erkrankung genommen hätte.
5. Das Berufungsgericht übernimmt aus den angeführten Gründen die erstgerichtlichen Feststellungen und legt sie gemäß § 498 Abs 1 ZPO seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde.
III. Zur Rechtsrüge:
1. Die Klägerin macht einen sekundären Feststellungsmangel geltend und begehrt die ergänzende Feststellung, dass sie am 3. Juli 2023 eine Auffrischung ihrer Tetanus-Impfung verlangt habe.
2. Da diese Feststellung für die rechtliche Beurteilung nicht wesentlich ist (zu dieser Voraussetzung für das Vorliegen eines sekundären Feststellungsmangels siehe RS0053317), ist die Feststellungsgrundlage nicht mangelhaft.
3. Auch der Rechtsrüge kommt kein Erfolg zu, weshalb der Berufung keine Folge zu geben war.
IV. Kosten, Zulassung:
1. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat der Beklagten die richtig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
2. Da keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen war, kam die Zulassung der ordentlichen Revision nicht in Betracht.
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