Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr. in Steindl-Neumayr und Mag. a Binder in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. am **, Arbeiterin, **, vertreten durch Mag. Michael Friedrich Haiden, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wider die beklagte Partei Dr. B* , geb. am **, Arzt, **, vertreten durch MMag. Dr. Elisa Florina Ozegovic, LL.M., Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen EUR 21.889,00 und Feststellung (Streitwert: EUR 5.000,00) , über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 26.889,00) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 01.07.2025, ** - 29, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.875,92 (darin EUR 479,32 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Bei der Klägerin wurde am 04.12.2023 im Klinikum C* eine Sigmadivertikulitis mit Perforation (ein Darmdurchbruch) festgestellt und eine Operation durchgeführt.
Gegenstand des Verfahrens ist ein Schadenersatzanspruch der Klägerin, den sie auf eine – für ihre Schmerzen und die Folgen dieser Operation kausale – ärztliche Fehlbehandlung des Beklagten im November 2023 und am 03.12.2023 stützt.
Die Klägerin suchte am 30.10.2023 die Ordination des Beklagten auf. Sie schilderte ihm die typischen Beschwerden einer Blasenentzündung (Brennen beim Harnlassen), jedoch keine gürtelförmigen Abdominalschmerzen. Der Beklagte veranlasste einen Harnstreifentest und nahm eine körperliche Untersuchung bei der Klägerin vor. Er untersuchte den Bauch, tastete ihn ab und untersuchte die Nierenlager. Der Laborbefund des Harnstreifentests vom 30.10.2023 deutete aufgrund der Werte auf einen Harnwegsinfekt hin. Der Beklagte verordnete der Klägerin ein Breitbandantibiotikum. Aufgrund der von der Klägerin ebenso geschilderten chronischen Rückenschmerzen schlug der Beklagte eine Kur vor und „schrieb“ sie für mehrere Tage „krank“.
Am 02.11.2023 wurde die Klägerin erneut beim Beklagten vorstellig. Sie klagte über Durchfall, nicht aber über Bauchschmerzen oder gürtelförmige Abdominalschmerzen. Der Beklagte nahm erneut eine körperliche Untersuchung vor, bei der sich die Nierenlager leicht klopfdolent zeigten. Er veranlasste eine Laboruntersuchung, wobei er sowohl die Blut- als auch die Harnwerte überprüfen ließ. Die Laborwerte zeigten keine erhöhten Entzündungswerte. Der Beklagte setzte das Antibiotikum ab, weil die Laborwerte zeigten, dass der Harnwegsinfekt abgeklungen war. Er verschrieb der Klägerin ein Medikament gegen akuten Durchfall.
Die Klägerin suchte den Beklagten am 03.12.2023, einem Sonntag mit Bereitschaftsdienst des Beklagten, abermals auf. Sie schilderte ihm, seit zwei Tagen unter Bauchschmerzen und Durchfall zu leiden. Die Klägerin hatte kein Fieber. Bei der körperlichen Untersuchung der Klägerin untersuchte der Beklagte die Nierenlager und ihren Bauch, den er abtastete. Er stellte beim rechten Nierenlager einen leichten Klopfschmerz fest und nahm einen diffusen Druckschmerz im Bauchbereich wahr. Die Klägerin hatte kein hartes Abdomen. Zur Linderung der Schmerzen verabreichte der Beklagte der Klägerin eine Schmerzinfusion. Danach erklärte die Klägerin, dass die Schmerzen nun verschwunden seien. Der Beklagte entließ die Klägerin daher ohne weitere Behandlung. Er sagte aber zu ihr, dass sie spätestens am nächsten Tag ihren Hausarzt zur weiteren Abklärung ihrer Symptomatik und sofort die Zentrale Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen solle, falls die Schmerzen wieder auftreten sollten.
Die Klägerin suchte am 04.12.2023 ihren Hausarzt auf, der ihre Einlieferung ins Krankenhaus veranlasste. Sie wurde noch am 04.12.2023 operiert. Die Behandlung der Klägerin durch den Beklagten erfolgte an allen drei Terminen entsprechend dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Weitere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen waren nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht erforderlich. Bei der Klägerin lag weder am 30.10.2023 noch am 02.11.2023 bereits eine Divertikulitis vor.
Die Klägerin fordert vom Beklagten EUR 21.889,00 (EUR 15.000,00 Schmerzengeld, EUR 3.150,00 fiktive Pflegekosten, EUR 961,00 Medikamentenkosten, Ersatz des Verdienstentgangs im Zeitraum von Dezember 2023 bis inklusive September 2024 von EUR 2.778,00) samt Zinsen und begehrt die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle zukünftigen Dauer- und/oder Spätfolgen, die sie infolge der am 04.12.2023 durchgeführten Notoperation zur Sanierung ihres Darmdurchbruchs erleiden muss. Zur Haftung des Beklagten dem Grunde nach bringt sie im Wesentlichen vor, er hafte ihr für die durch die Operation erlittenen Beeinträchtigungen, weil er es trotz Kenntnis ihrer Schmerzsymptomatik unterlassen habe, eine diagnostische Abklärung der möglichen Ursachen zu veranlassen. Schon bei der ersten Ordination wäre nicht nur dem Verdacht auf eine Blasenentzündung nachzugehen gewesen, sondern hätte er weitere diagnostische Maßnahmen zur Abklärung der Schmerzsymptomatik ergreifen müssen. Der Beklagte hätte sie spätestens beim zweiten Kontakt ins Klinikum einweisen oder eine ambulante diagnostische Abklärung der Schmerzsymptomatik veranlassen müssen. Wäre eine diagnostische Abklärung rechtzeitig durchgeführt worden, hätte die für die Schmerzen ursächliche Darmentzündung erkannt und allenfalls noch medikamentös behandelt werden können. Ihr wäre die Notoperation mit den negativen Folgen erspart geblieben.
Die Beklagte beantragt die Klageabweisung und wendet ein, er habe die Klägerin lege artis behandelt. Nach einer erfolgreichen antibiotischen Behandlung einer Blasenentzündung sei die Klägerin einen Monat später, am 03.12.2023, erneut bei ihm vorstellig geworden. Sie habe Bauchschmerzen und Durchfall seit zwei Tagen ohne Fieber geschildert. Nach einer Infusion habe nahezu Schmerzfreiheit herbeigeführt werden können. Er habe der Klägerin geraten, bei stärkeren oder anhaltenden Schmerzen unverzüglich das Klinikum C* aufzusuchen, oder spätestens am Folgetag bei ihrem Hausarzt vorstellig zu werden. Dass es in weiterer Folge zu einem bedauerlichen Krankheitsverlauf kam und sie eine Darmperforation erlitt, sei auf keinen von ihm zu verantwortenden Behandlungsfehler zurückzuführen. Die von der Klägerin geschilderten Beschwerden hätten keinen Rückschluss auf eine Darmentzündung oder einen Darmdurchbruch zugelassen und seien ordnungsgemäß behandelt worden.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Es traf neben den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen die in den Urteilsseiten 3 bis 4 enthaltenen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht verweist. Rechtlich folgerte es, dass sich daraus kein Behandlungsfehler ableiten lasse, weil sämtliche Behandlungen des Beklagten an der Klägerin entsprechend dem Stand der medizinischen Wissenschaft durchgeführt wurden und keine weitergehenden Behandlungen oder diagnostischen Maßnahmen erforderlich gewesen wären. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Tatsachenfeststellung erhobene Berufung der Klägerin mit dem auf Klagestattgebung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Der Beklagte beantragt in seiner Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt .
A) Zur Mangelrüge
1.Die Klägerin moniert, dass das Erstgericht ihrem im Schriftsatz vom 23.04.2025 (ON 24, Seite 2) gestellten Antrag auf Erteilung eines Auftrags an den Beklagten zur Vorlage der Beilage ./1 (Dokumentation ihrer Krankengeschichte) im Original nicht entsprochen hat. Die gesetzmäßige Ausführung des Berufungsgrundes der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erfordert, dass der Berufungswerber die für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen anführt, die bei Unterbleiben des Verfahrensmangels zu treffen gewesen wären (RS0043039). Der Rechtsmittelwerber muss somit nachvollziehbar und zweifelsfrei aufzeigen, in welcher Hinsicht sich bei Unterbleiben des behaupteten Verfahrensfehlers eine von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichende Sachverhaltsgrundlage ergeben hätte (RS0043039 [T5]). Diesem Erfordernis genügt die Mangelrüge der Klägerin nicht, weil sie nicht angibt, welche konkreten entscheidungswesentlichen Tatsachen auf Basis der im Original vorgelegten Beilage ./1 vom Erstgericht festzustellen gewesen wären, die (rechtlich) zu einer für sie günstigeren Entscheidung geführt hätten. Der Berufungsgrund ist nicht gesetzmäßig ausgeführt.
2.Mit dem Vorwurf einer fehlenden Begründung des Urteils und einer fehlenden nachvollziehbaren Erläuterung in der Beweiswürdigung des Erstgerichts stützt sich die Klägerin im Ansatz auf einen Begründungsmangel des Urteils. Ein Begründungsmangel liegt nur vor, wenn eine Tatsachenfeststellung nicht im Sinne des § 272 Abs 3 ZPO begründet wird, wenn also die Umstände und Erwägungen, die für die Überzeugung des Gerichts maßgebend waren, nicht angegeben werden. Einen Begründungsmangel des Urteils durch Verstoß des Erstgerichts gegen seine Begründungspflicht nach §§ 272, 417 ZPO zeigt die Beklagte nicht (gesetzmäßig) auf. Sie macht weder geltend, dass die im Urteil getroffenen Feststellungen und die diesen zugrunde liegende Beweiswürdigung, also das subjektive Werturteil des Erstrichters, objektiv nicht überprüfbar seien (vgl Rechberger in Fasching/Konecny 3III/1 § 272 ZPO Rz 7 mwN; RS0040165 [T1]; RS0111146; RS0102004; RS0041860; RS0040122) noch legt sie dar, welche konkreten Feststellungen ohne einen (vermeintlichen) Begründungsmangel vom Erstgericht zu treffen gewesen wären. Bloße Zweifel an der Richtig- und Vollständigkeit der vom Erstgericht den Feststellungen zugrunde gelegten Beilage ./1 oder deren Übereinstimmung mit dem Original können unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht geltend gemacht werden.
3.Zusammenfassend zeigt die Klägerin eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO nicht (gesetzmäßig) auf.
B) Zur Tatsachen-/Beweisrüge
1. Die Klägerin erklärt unter Verweis auf ihre Ausführungen zur Mangelrüge, „sämtliche Feststellungen“ anzufechten, die „im Rahmen der Feststellungen bzw der erstgerichtlichen Beweiswürdigung auf die Beilage ./1 verweisen“. Sie begehrt stattdessen „zu sämtlichen dieser Feststellungen eine Negativfeststellung im Sinne des Vorbringens der Klägerin“ zu treffen, die sie nicht näher konkretisiert.
2.Die Geltendmachung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung erfordert die bestimmte Angabe, welche Beweise der Erstrichter unrichtig gewürdigt hat, aus welchen Erwägungen sich dies ergibt und welche Tatsachenfeststellungen bei richtiger Beweiswürdigung zu treffen gewesen wären (RS0041835). Eine ordnungsgemäße Beweisrüge liegt nur dann vor, wenn klar ersichtlich ist, durch welche Tatsachen sich der Berufungswerber für beschwert erachtet, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurden, welche Feststellungen stattdessen begehrt werden und auf Grund welcher Beweismittel die begehrten Feststellungen getroffen werden könnten (RS0041835 [T4, T5]). Diesen Anforderungen genügt die Tatsachenrüge nicht, weil die Klägerin nicht bestimmt und damit zweifelsfrei angibt, welche konkreten Feststellungen sie bekämpft. Es darf nicht dem Berufungsgericht überlassen werden, herauszufiltern, durch welche konkreten Feststellungen sich die Klägerin beschwert erachten könnte. Mit der oben wiedergegebenen allgemeinen Erklärung wird § 467 Z 3 ZPO für die Beweisrüge nicht Genüge getan. Eine Überprüfung der im unbestimmten Umfang bekämpften Feststellungen hat daher zu unterbleiben.
3.Im Ergebnis ist aufgrund der nicht gesetzmäßig ausgeführten Tatsachenrüge der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt zu übernehmen (§ 498 Abs 1 ZPO).
Da die Klägerin keine Rechtsrüge ausführt, hat eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts zu unterbleiben.
4. Der Berufung muss aus den genannten Gründen ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat dem Beklagten die tarifmäßig richtig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Der aus einem Leistungs- und Feststellungsbegehren bestehende Entscheidungsgegenstand im Berufungsverfahren macht gemäß § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO eine Bewertung notwendig. Der Berufungssenat sieht sich nach der Aktenlage nicht dazu veranlasst, von der in erster Instanz vorgenommenen Bewertung des Feststellungsbegehrens in der Klage (mit EUR 5.000,00) abzugehen. Es war daher auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00 übersteigt.
Der Ausspruch über die (Nicht-)Zulässigkeit der ordentlichen Revision beruht darauf, dass keine Rechtsfragen des materiellen oder Verfahrensrechts im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten waren.
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