Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Dezember 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. SetzHummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi PMM in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strubreiter in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5. März 2025, GZ 9 Hv 3/24y 175, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallsausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Mit seiner gegen den Verfallsausspruch gerichteten Berufung wird der Angeklagte auf die Urteilsaufhebung verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufung im Übrigen kommt vorerst dem Oberlandesgericht Graz zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (I./) und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in P* und an anderen Orten
I./ teils in einverständlichem Zusammenwirken mit * Sch* gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige Vorgabe, vereinnahmte Geldbeträge in „Sondergenussrechte“ der A* A* V* GmbH sicher und gewinnbringend zu veranlagen (I./1./ bis 5./) und sicher und gewinnbringend in M*-Fonds zu veranlagen (I./6./ bis 18./), zu Handlungen, nämlich zur Übergabe von Geldbeträgen verleitet, die diese in einem 300.000 Euro übersteigenden Wert in Höhe von 555.100 Euro am Vermögen schädigten, und zwar:
1./ G* O*
a./ am 12. April 2006 zur Übergabe von 10.000 Euro,
b./ am 12. April 2006 zur Übergabe von 30.000 Euro,
c./ am 13. März 2007 zur Übergabe von 10.000 Euro,
d./ am 8. Februar 2008 zur Übergabe von 15.000 Euro,
e./ am 14. Februar 2008 zur Übergabe von 7.000 Euro,
f./ am 26. Juni 2008 zur Übergabe von 10.000 Euro,
g./ am 26. Juni 2008 zur Übergabe von 30.000 Euro,
2./ J* F* „über G* O*“
a./ am 13. März 2007 zur Übergabe von 12.000 Euro,
b./ am 13. März 2007 zur Übergabe von 30.000 Euro,
c./ am 30. Jänner 2008 zur Übergabe von 10.000 Euro,
d./ am 8. Februar 2008 zur Übergabe von 4.000 Euro,
3./ K* P* „über G* O*“ am 26. Juni 2008 zur Übergabe von 4.100 Euro,
4./ Mag. C* O* am 12. April 2006 zur Übergabe von 8.000 Euro,
5. Mag. D* M*
a./ am 12. April 2006 zur Übergabe von 25.000 Euro,
b./ am 13. März 2007 zur Übergabe von 15.000 Euro,
c./ am 5. September 2008 zur Übergabe von 20.000 Euro,
d./ am 6. August 2009 zur Übergabe von 15.000 Euro,
6./ R* M* im Zeitraum 2012 bis 2014 in mehreren Angriffen zur Übergabe eines Bargeldbetrags in Gesamthöhe von 20.400 Euro,
7./ A* M* im Jahr 2012 zur Übergabe von 10.400 Euro,
8./ J* M* im Jahr 2012 zur Übergabe von 15.500 Euro,
9./ H* D* vom 30. November 2010 bis Frühsommer 2011 zur Übergabe von 10.000 Euro,
10./ M* K*
a./ am 21. Juni 2010 zur Übergabe von 26.375 Euro,
b./ am 9. Juli 2010 zur Übergabe von 16.500 Euro,
c./ im März 2012 zur Übergabe von 10.600 Euro,
11./ S* S* im Mai 2010 zur Übergabe von 15.825 Euro,
12./ I* M* am 14. September 2011 zur Übergabe von 20.000 Euro,
13./ F* M* am 21. Dezember 2012 zur Übergabe von zumindest 30.000 Euro,
14./ M* F* im Jahr 2011 zur Übergabe von zumindest 8.280 Euro,
15./ M* S*,
a./ am 31. Juli 2013 zur Übergabe von 18.000 Euro,
b./ am 15. September 2014 zur Überweisung von 313,50 Euro,
c./ am 15. Oktober 2014 zur Überweisung von 313,50 Euro,
d./ am 15. November 2014 zur Überweisung von 313,50 Euro,
16./ M* S*
a./ im September 2012 zur Übergabe von 10.550 Euro,
b./ im November 2012 zur Übergabe von 31.650 Euro,
17./ T* K* am 5. Juli 2011 zur Übergabe von 30.000 Euro,
18./ J* K* am 2. Juni 2014 zur Übergabe von 32.000 Euro;
II./ ihm anvertraute Güter in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert von 49.171 Euro sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:
1./ im April 2017 einen Bargeldbetrag von 17.171 Euro, indem er die Beteiligungen der * S* (nunmehr D*) an der M* GmbH Co Fonds 8 KG (M* 8 Fonds) an R* W* verkaufte und den Barerlös abzüglich erfolgter Ausschüttungen und Gebühren für private Zwecke verwendete,
2./ im Frühjahr 2017 einen Bargeldbetrag von zumindest 32.000 Euro, indem er die Beteiligungen des T* K* an der M* GmbH Co Fonds 6 KG (M* 6 Fonds) an T* A* verkaufte und den Barerlös bis zum 10. Dezember 2019 für private Zwecke verwendete.
[3]Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.
Zu den Fakten I./1./ bis 5./
[4]Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet zu diesen Tathandlungen tätige Reue (§ 167 StGB), wobei sie sich jedoch prozessordnungswidrig (RISJustiz RS0099810) gegen die Feststellungen (US 18 f) wendet, wonach sämtliche Fakten laut Schuldspruch I./1./ bis 18./ auf konkreter Planung und einem einheitlichen Willensentschluss des Angeklagten beruhten (RISJustiz RS0117252, RS0090642 ua; Michel Kwapinski/Oshidari, StGB 15 § 167 Rz 13; Kirchbacher/Ifsits in WK 2StGB § 167 Rz 69 mwN). Deshalb käme tätige Reue nur bei (hier nicht erfolgter) Gutmachung des Schadens aus allen Einzelakten in Betracht.
Zum Faktum I./15./a./
[5] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Ablehnung des – im Übrigen ohne Beweisthema (vgl aber RISJustiz RS0099301) – gestellten Antrags auf abermalige Vernehmung des Zeugen S* (ON 174 S 6) Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt (zu den Anforderungen an einen prozessförmigen Beweisantrag auf neuerliche Vernehmung vgl RISJustiz RS0098117).
[6] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter ohnedies mit der Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt, wonach mit dem Zeugen S* die Umstellung seines beantragten „M*Fonds“ 12 und 13 in einen „M* Fonds“ 8 vereinbart wurde, diesen Umstand aber nicht zugunsten der leugnenden Einlassung des Angeklagten gewertet (US 40 ff). Damit musste sich der Schöffensenat nicht mehr damit befassen, dass die obenstehende Vereinbarung auch schriftlich verfasst wurde.
[7]Der Verantwortung des Angeklagten vermochte das Schöffengericht insgesamt nicht zu folgen (US 40). Entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war das Gericht nicht verhalten, alle Details seiner Depositionen (hier: zur Frage der Umschichtung des Anlagebetrags idHv 18.000 Euro) im Einzelnen zu erörtern.
[8] Die Feststellungen zum Schuldspruch I./15./a./ finden sich – von der Rüge (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) prozessordnungswidrig übergangen (RISJustiz RS0099810) – auf US 17 bis 19 iVm US 40.
[9] Diese Konstatierungen vernachlässigt die Beschwerde gleichermaßen mit ihrer Behauptung, der Angeklagte habe den Anlagebetrag bloß für den Auftraggeber „verwahrt und ihm letztendlich wegen nicht erfolgreicher Verkäufersuche zurückgegeben“.
Zum Faktum II./1./
[10] Nach den wesentlichen Feststellungen (US 20) verkaufte der Angeklagte im März 2017 Fondsanteile der Zeugin B* S* über deren Ersuchen an R* W* um 24.250 Euro. Den (unter Berücksichtigung von Provisionsansprüchen und Honoraren erzielten) Verkaufserlös von 17.170 Euro behielt er ein und verwendete diesen für andere Zwecke.
[11] Der dagegen gerichteten Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall, nominell auch Z 5 fünfter Fall und Z 5a) zuwider ist es nicht entscheidend, ob dem Angeklagten – wie von den Tatrichtern angenommen (US 46) – vom Käufer R* W* der gesamte Kaufpreis oder nur ein Teilbetrag von 10.000 Euro zur Weiterleitung an B* S* übergeben wurde. Mit den darauf bezogenen Depositionen des Zeugen W* musste sich der Schöffensenat daher nicht befassen.
[12] Mit dem Einwand, dass eine Übergabe der erwähnten Teilzahlung von 10.000 Euro an die Verkäuferin nicht in Betracht gekommen wäre, weil dem Käufer mangels Bekanntgabe der erfolgten Ausschüttungen an die Verkäuferin ein vertragliches Rücktrittsrecht zugekommen wäre, stellt die Beschwerde bloß die konstatierte Zueignung in subjektiver Hinsicht sowie seinen Bereicherungsvorsatz (US 21) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unbeachtlichen Schuldberufung in Frage.
Zum Faktum II./2./
[13] Nach den hierzu maßgeblichen Konstatierungen (US 20) bevollmächtigte T* K* den Angeklagten, über ihn veranlagte Fondsanteile zu verkaufen. Im März 2017 übertrug der Angeklagte diese Anteile an T* A* zum Kaufpreis von insgesamt 33.200 Euro. Der Angeklagte verwendete diesen Betrag für eigene Veranlagungszwecke. Am 10. Dezember 2019 erhielt T* K* über heftiges Drängen einen Teilbetrag von 32.000 Euro zurück.
[14] In der Hauptverhandlung am 3. Juli 2024 stellte der Angeklagte den Antrag auf „Ladung und Einvernahme des Zeugen A* R*, p.A. *, zum Beweis dafür, dass der bereits im November 2016 übergebene Betrag von 30.000 Euro (…) erst im Herbst 2019 umgewidmet worden ist auf die in Schwebe befindliche Übertragung T* K*“. Zur Person des A* R* führte der Verteidiger aus, „dass es sich um einen M*-6-Kunden handelt, der auch einen M*-Fonds verkaufen wollte, aber sich im Herbst 2019 im Zuge des Scheidungsverfahrens entschieden hat, seinen M*-6-Fonds doch nicht zu verkaufen, und dann einvernehmlich auf den Interessenten T* K* umgewidmet wurde“ (ON 158 S 23).
[15] Einem Beweisantrag muss neben Beweismittel und Beweisthema stets zu entnehmen sein, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für die Schuldfrage und die Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (RISJustiz RS0118444). An diesem Erfordernis ging das erwähnte Beweisbegehren vorbei, weil das Beweisthema jeglichen Bezug vermissen ließ, ob und inwieweit eine Involvierung des beantragten Zeugen in das in Rede stehende Investmentgeschäft für die Tatbeurteilung eine Rolle spielen könnte. Zudem blieb offen, über welche Wahrnehmungen die Beweisperson hätte berichten können.
[16]Hinsichtlich des in der Hauptverhandlung am 5. März 2025 (ON 174 S 6) unter bloßem Hinweis auf den Schriftsatz (ON 167) gestellten weiteren Antrags auf „Ladung des A* R*“ mangelt es an einer aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO relevanten Antragstellung. Denn die Geltendmachung des genannten Nichtigkeitsgrundes setzt voraus, dass über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinn des Antragstellers entschieden wurde. Wurde der Beweisantrag nur in einem (hier:) außerhalb der Hauptverhandlung eingebrachten schriftlichen Beweisantrag, nicht aber in der Verhandlung selbst gestellt, kann sich der Beschwerdeführer nicht erfolgreich auf den genannten Nichtigkeitsgrund berufen (RISJustiz RS0099178). Der Verweis auf einen vor der Hauptverhandlung eingebrachten Schriftsatz vermag eine der Verfahrensordnung entsprechende Antragstellung in der Hauptverhandlung nicht zu ersetzen (vgl RISJustiz RS0099178 [T13], RS0099511 [T5]).
[17] Das im Rechtsmittel nachgetragene Vorbringen unterliegt dem Neuerungsverbot und ist daher ohne Relevanz (RISJustiz RS0099618). Ebenso wenig beachtlich ist die Kritik an der Begründung des den Beweisantrag ablehnenden Beschlusses (RISJustiz RS0116749).
Zur Sanktionsrüge (Z 11):
[18] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstieß das Schöffengericht mit der aggravierenden Wertung des die Wertgrenze um nahezu das Doppelte übersteigenden Schadens (US 2 iVm US 51) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (RISJustiz RS0099961 [insb T6, T8, T11]).
[19]Hingegen zeigt die weitere Rüge im Ergebnis zutreffend Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) des Verfallsausspruchs auf. Auch vermögensrechtliche Anordnungen unterliegen dem Günstigkeitsvergleich (§§ 1, 61 StGB), der (wie hier) bei Realkonkurrenz (selbst im Fall von Subsumtionseinheiten nach § 29 StGB) für jede Tat gesondert vorzunehmen ist (RISJustiz RS0119545 [insb T7, T10]). Für den Zeitraum vor In-Kraft-Treten der Bestimmungen über den Verfall in der vom Erstgericht angewandten Fassung des strafrechtlichen Kompetenzpakets (sKp) mit 1. Jänner 2011 sah das Gesetz als vergleichbare vermögensrechtliche Maßnahme die nach dem Nettoprinzip zu ermittelnde Abschöpfung der Bereicherung vor, welche zudem nach § 20a Abs 1 StGB aF ausgeschlossen war, soweit der Bereicherte zivilrechtliche Ansprüche aus der Tat befriedigt oder sich dazu in vollstreckbarer Form vertraglich verpflichtet hatte, er dazu verurteilt worden war oder zugleich verurteilt oder die Bereicherung durch andere rechtliche Maßnahmen beseitigt wurde. Der vom Erstgericht vorgenommene Ausspruch des Verfalls eines Geldbetrags (§ 20 Abs 3 StGB), der nicht nach vor und nach Inkrafttreten des sKp erlangten Vermögenswerten differenziert, war daher verfehlt.
[20]In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ist Aufhebung des Verfallsausspruchs die Folge (§ 285e StPO), worauf der Angeklagte mit seiner darauf gerichteten Berufung zu verweisen war. Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[21]Dem Oberlandesgericht kommt vorerst die Entscheidung über die Berufung im Übrigen zu (§ 285i StPO).
[22]Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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