Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. mj M* B*, und 2. R* Y*, beide vertreten durch die Lawpoint Hütthaler Brandauer Akyürek Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch die Emberger Molzbichler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.) 37.966,67 EUR sA und 2.) 19.062,50 EUR sA sowie jeweils Feststellung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 2025, GZ 16 R 103/25x 49, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26. März 2025, GZ 14 Cg 28/23z 44, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die erstklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.936,51 EUR (darin enthalten 322,75 EUR USt) und die zweitklagenden Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.042,74 EUR (darin enthalten 173,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist Betreiberin der Klinik, in der die Zweitklägerin am 12. 1. 2022 den Erstkläger gebar. Bei der Geburt kam es zu einer Schulterdystokie, wodurch der Erstkläger eine totale Plexusparese rechts sowie das Horner Syndrom am rechten Auge erlitt.
[2] Die Kläger begehrten insgesamt Zahlung von 57.029,17 EUR sA sowie jeweils die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden aus dem Fehlverhalten deren Mitarbeiter bei der Geburt des Erstklägers. Es liege ein Behandlungsfehler vor, überdies sei die Aufklärung der Zweitklägerin nicht ausreichend gewesen.
[3] Die Beklagte bestritt das Vorliegen einer Fehlbehandlung und eine mangelnde Aufklärung.
[4] Die Vorinstanzen verneinten sowohl das Vorliegen einer Fehlbehandlung als auch eine mangelnde Aufklärung.
[5] Gegen diese Entscheidungen richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, diese dahin abzuändern, dass den Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
[6] In der Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.
[7]Da die Kläger in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermögen, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Kunstfehler
[8]Ob ein ärztlicher Kunstfehler vorliegt, ist eine Tatfrage (RS0026418) und damit nicht revisibel (RS0026418 [T2]).
[9]Die Revision argumentiert, die Erhöhung des Risikos für einer Schulterdystokie auf 5 % aufgrund der Verabreichung des Wehenstimulationsmittels Oxytocin begründe einen Kunstfehler. Es steht aber fest, dass die niedrig dosierte Verabreichung von Oxytocin über kurze Zeit bei einer Drittgebärenden zur Stimulation unter den hier vorliegenden Umständen auch in Anbetracht der sonstigen Faktoren lege artis war. Die Risikoerhöhung wurde daher bei der Abwägung, ob die Verabreichung kunstgerecht erfolgte, bereits mitberücksichtigt. Damit ist den Klägern der Nachweis eines Kunstfehlers nicht gelungen (vgl RS0026209), sodass die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht korrekturbedürftig sind.
[10]Beweislastfragen in Zusammenhang mit der Kausalität eines Behandlungsfehlers (vgl RS0038222 [T24]) stellen sich daher nicht. Somit liegen auch die von der Revision behaupteten sekundären Feststellungsmängel nicht vor.
2. Verletzung der Aufklärungspflicht
[11]2.1. Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[12]2.2. Die Grundlage für eine Haftung des Arztes oder des Krankenhausträgers wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht, ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch den ärztlichen Eingriff eingegriffen wird. Der Patient muss in die jeweilige konkrete Behandlungsmaßnahme einwilligen, Voraussetzung für eine sachgerechte Entscheidung des Patienten ist eine entsprechende Aufklärung durch den Arzt (RS0118355). Die Aufklärungspflicht gilt nicht nur bei operativen Eingriffen, sondern auch bei medikamentöser Heilbehandlung (RS0026529 [T7]).
[13]Die Pflicht des Arztes zur Aufklärung über die Möglichkeit schädlicher Folgen eines Eingriffs ist umso weitgehender, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten vordringlich oder geboten erscheint. Ist der Eingriff medizinisch empfohlen, aber nicht eilig, so ist grundsätzlich eine umfassende Aufklärung notwendig (RS0026772). Der Arzt muss aber nicht auf alle nur denkbaren Folgen der Behandlung hinweisen (RS0026529). Eine Aufklärung ist nicht geboten, wenn dem Patienten eine derartige Fülle von Informationen gegeben werden müsste, dass ihm die Einschätzung der Lage dadurch nicht ermöglicht, sondern sogar erschwert würde (RS0026529 [T32]).
[14]Der konkrete Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist eine Frage des Einzelfalls. Diese hängt von den jeweiligen Umständen ab und stellt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (RS0026529 [T18, T20, T21, T30]).
[15] 2.3. Es wäre eine Überspannung der Aufklärungspflicht, würde man von den Mitarbeitern der Beklagten verlangen, der Zweitklägerin inmitten der Wehen rund eine halbe Stunde vor der Geburt des Kopfes des Erstklägers sämtliche Risiken der Verabreichung und Nichtverabreichung des Wehenstimulationsmittels Oxytocin zu erläutern, insbesondere dass sich durch die Verabreichung des Medikaments das Risiko einer Schulterdystokie geringfügig auf 5 % erhöht, worum es sich bei einer Schulterdystokie handelt und welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen das Kind dadurch erleiden kann, welche Vorteile die medikamentöse Wehenstimulation hat und welche Nachteile bei deren Unterlassung drohen könnten. Damit müsste der werdenden Mutter in einer Extremsituation kurz vor der Geburt des Kindes eine derartige Fülle an Informationen gegeben werden, dass ihr die Einschätzung der Lage mehr erschwert als erleichtert würde. Wenn die Vorinstanzen in dieser besonderen Konstellation zum Ergebnis kamen, die Beklagte habe keine Verletzung der Aufklärungspflicht zu verantworten, bedarf dies keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.
3. Ergebnis und Kosten
[16] 3.1. Die Revision ist daher nicht zulässig.
[17]3.2. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 46, 50 ZPO. Die Kläger sind formelle Streitgenossen (vgl 8 Ob 98/20z), sie haben daher entsprechend ihren Anteilen am Gesamtstreitwert der siegreichen Beklagten die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen (RS0125635; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.346).
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