Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin X*, Volksrepublik China, vertreten durch Dr. Stefan Nenning und Mag. Jörg Tockner, Rechtsanwälte in Steyr, gegen den Antragsgegner Ing. G*, unbekannter Aufenthalt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, aufgrund der Vorlage des Akts AZ 22 Fam 26/25s des Bezirksgerichts Steyr zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen diesem Gericht und dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Akt wird dem Bezirksgericht Steyr zurückgestellt.
Begründung:
[1] Die Antragstellerinbegehrt mit ihrem beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien eingebrachten Antrag vom 20. 6. 2025 die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG.
[2] Mit Beschluss vom 23. 6. 2025 sprach das Bezirksgericht Innere Stadt Wienseine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache gemäß § 44 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Steyr, in dessen Sprengel der Antragsgegner nach den Angaben im verfahrenseinleitenden Schriftsatz seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe und das daher – mangels (früheren) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Parteien im Inland – gemäß § 114a Abs 1 JN iVm § 76 Abs 1 JN für das Aufteilungsverfahren zuständig sei.
[3] Das Bezirksgericht Steyrstellte diesen Beschluss (entgegen § 44 Abs 2 JN) nicht (sofort) an die Parteien zu, sondern sprach seinerseits mit Beschluss vom 7. 8. 2025 seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Die Parteien hätten zu keiner Zeit einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt. Die Antragstellerin habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach den Angaben in ihrem Antrag in China, der Antragsgegner in Vietnam. Somit sei gemäß § 76 JN (iVm § 114a Abs 1 JN) das Bezirksgericht Innere Stadt Wien – dessen Überweisungsbeschluss noch nicht rechtskräftig sei – zur Führung des Aufteilungsverfahrens zuständig.
[4] Das Bezirksgericht Steyr übermittelte seinen Beschluss vom 7. 8. 2025 sowie den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 23. 6. 2025 in der Folge per E-Mail an eine ihm vom Antragsgegner zu diesem Zweck telefonisch bekanntgegebene E-Mailadresse. Es erhielt seinerseits eine E-Mail von dieser E-Mailadresse, in welcher der Empfang der übermittelten Dokumente (also der beiden Beschlüsse) bestätigt wurde.
[5] In der Folge legte das Bezirksgericht Steyr den Akt dem Obersten Gerichtshofgemäß § 47 JN zur Entscheidung über den Zuständigkeitskonflikt vor .
[6] Es wies darauf hin, dass dem Antragsgegner, der über keine Zustelladresse in Österreich verfüge, die Beschlüsse des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien und des Bezirksgerichts Steyr per E-Mail übermittelt worden seien und dieser den Empfang der Dokumente bestätigt habe, dass keine Rechtsmittel gegen die beiden Beschüsse erhoben worden seien und diese daher rechtskräftig wären.
[7] Diese Aktenvorlage ist verfehlt .
[8]1. Eine Entscheidung nach § 47 JN für Streitigkeiten zwischen in verschiedenen Oberlandesgerichtssprengeln liegenden Gerichten hat durch den Obersten Gerichtshof als übergeordnetem Gericht gemäß § 6 OGHG im Fünfrichtersenat zu erfolgen (RS0126085).
[9]2. Voraussetzung für eine Entscheidung über einen negativen Kompetenzkonflikt im Sinn des § 47 JN durch den Obersten Gerichtshof ist, dass zwei einander widersprechende, die Zuständigkeit verneinende rechtskräftige Beschlüsse vorliegen (RS0046299; RS0046354; RS0046374; RS0118692), was wiederum die wirksame Zustellung der jeweiligen Beschlüsse voraussetzt (RS0118692 [T6]; vgl RS0046299 [T6]). Diese Voraussetzung gilt auch in der – hier vorliegenden – Konstellation eines vom Adressatgericht nicht akzeptierten Überweisungsbeschlusses nach § 44 JN (5 Nc 1/25d [Rz 7 mwN]). Solange nicht beide Beschlüsse, mit denen das jeweilige Gericht seine Unzuständigkeit aussprach, rechtskräftig sind, kann die Frage der Zuständigkeit noch im Rechtsmittelweg erledigt werden (RS0046354 [T4]).
[10]3. Davon ausgehend liegt hier kein gemäß § 47 Abs 1 JN vom Obersten Gerichtshof zu entscheidender Kompetenzkonflikt vor:
[11]3.1. Gemäß § 24 Abs 1 AußStrG sind – sofern nichts anderes angeordnet ist – die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über Zustellungen und das Zustellgesetz anzuwenden. Nach § 87 Abs 1 ZPO ist grundsätzlich von Amts wegen nach den §§ 89a ff GOG (elektronischer Rechtsverkehr) oder sonst nach dem ZustG zuzustellen. Die nähere Vorgangsweise bei der elektronischen Übermittlung von Eingaben, Beilagen und Erledigungen wird gemäß § 89b Abs 2 GOG durch Verordnung des Bundesministers für Justiz geregelt. Die auf dieser Grundlage erlassene Verordnung der Bundesministerin für Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV 2021; BGBl II 2021/587 idF BGBl II 2025/27) schließt in ihrem § 1 Abs 1 zwar nur die Übermittlung mit (Tele)Fax ausdrücklich vom elektronischen Rechtsverkehr aus. Zu E-Mails normiert § 6 Abs 1 ERV 2021 aber, dass nur die Übermittlung von Eingaben und Beilagen in dieser Form zulässig ist, wenn dieser Übermittlungsweg an Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Justizanstalten durch besondere gesetzliche Regelungen oder im Verordnungsweg ausdrücklich angeordnet wird. Abgesehen davon, dass weder für den Zivilprozess noch für das Außerstreitverfahren für die Übermittlung von Eingaben und Beilagen per E-Mail eine solche Anordnung getroffen wurde (vgl etwa 1 Ob 2/23k [Rz 6 f mwN]), ist die Übermittlung gerichtlicher Erledigungen per E-Mail ebenfalls nicht vom elektronischen Rechtsverkehr erfasst (vgl Riesz in Frauenberger-Pfeiler / Riesz / Sander/Wessely , Österreichisches Zustellrecht 3§ 1 ZustG Rz 26). Die Zustellung einer eines Zustellnachweises bedürftigen Gerichtsentscheidung per EMail ist somit unzulässig ( [noch zur ERV 2006];
[12]3.2. Zwar haben sich sowohl das Bezirksgericht Innere Stadt Wien als auch das Bezirksgericht Steyr zur Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache mit Beschluss für unzuständig erklärt. Das Bezirksgericht Steyr hat beide Beschlüsse (jenen des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien gemäß § 44 Abs 2 JN) aber nur per E-Mail an den Antragsgegner (präziser: an eine von ihm telefonisch bekanntgegebene E-Mailadresse) übermittelt, was nach der dargelegten Rechtslage aber unzulässig war. Damit wurden ihm die beiden Beschlüsse bisher nicht wirksam zugestellt. Diese konnten daher auch nicht in Rechtskraft erwachsen, was aber Voraussetzung für die Entscheidung über einen negativen Kompetenzkonflikt wäre.
[13]4. Die Akten sind daher dem vorlegenden Bezirksgericht Steyr zurückzustellen, das zunächst eine wirksame Zustellung seines Beschlusses vom 7. 8. 2025 sowie – gemäß § 44 Abs 2 JN – des Beschlusses des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien an den Antragsgegner vorzunehmen hat.
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