Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2025 durch dieVizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Kontr. Tastekin als Schriftführerin in der Strafsache gegen * H* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten * K* sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26. März 2025, GZ 19 Hv 106/24v 44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten K*, dessen Verteidigers Mag. Sixt sowie des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Krenn zu Recht erkannt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K* wird verworfen.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im den Angeklagten K* betreffenden Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
* K* wird für das ihm nach dem Schuldspruch (zu 1/) zur Last liegende Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 19 Abs 4 Z 1 und Z 2 JGG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.
Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Teil der Freiheitsstrafe von 18 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden der Angeklagte K* sowie die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.
Der Berufung des Angeklagten K* gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligte wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten K* fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurden * H* der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1/ und 2/) und * K* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1/) schuldig erkannt.
[2] Danach haben – soweit hier relevant –
1/ * H* und * K* am 5. Mai 2024 in E* im bewussten und gewollten Zusammenwirken (als Mittäter – § 12 erster Fall StGB) * P* mit Gewalt zur Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender (geschlechtlicher) Handlungen genötigt, indem sie die Genannte zunächst zwischen sich „hin- und herschupften“ und sodann abwechselnd jeweils mit einer Hand am Oberarm festhielten, während sie mit der anderen Hand jeweils in ihre Hose und auch unter ihre Unterhose fuhren, wobei sie ihr Gesäß sowie ihren Intimbereich berührten und insgesamt (US 4: abwechselnd) zumindest vier Mal „ihre“ (US 4: jeweils einen oder mehrere) Finger in ihre Vagina einführten.
[3]* K* wurde hiefür nach § 201 Abs 1 StGB (US 2, 10) zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt, wovon nach § 43 Abs 3 StGB ein Teil von 14 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
[4] D ie gegen das in Rede stehende Urteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * H*hat der Oberste Gerichtshof bereits mit Beschluss vom 9. September 2025, GZ 11 Os 81/25h4, in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen (§ 285d Abs 1 StPO).
[5]Dabei hat er die Entscheidung über die den Angeklagten * K* betreffenden Rechtsmittel dieses Angeklagten und der Staatsanwaltschaft einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vorbehalten (§ 285d Abs 2 StPO).
[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * K* stützt sich auf§ 281 Abs 1 Z 5a StPO, jene der Staatsanwaltschaft (zum Nachteil dieses Angeklagten) auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO.
[7] D er Angeklagte K* bekämpf t das Urteil weiters mit einer für eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und eine Reduzierung des unbedingten Teils derselben eintretenden sowie einer gegen d en Zuspruch an die Privatbeteiligte gerichteten Berufung, die Staatsanwaltschaft mit einer zum Nachteil des Angeklagten K* ausgeführten, eine Erhöhung der Freiheitsstrafe und Ausschaltung der (teil-)bedingten Strafnachsicht anstrebenden Strafberufung.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*:
[8] Mit dem Hinweis auf Aussagen der Angeklagten H* und K* (US 7 f) sowie der Zeugen * R*, * (F*) N* und * S* in der Hauptverhandlung und eigenständigen Überlegungen zur Beschaffenheit der von * P* am Vorfallstag getragenen Hose (vgl US 4 und 8 iVm ON 10.10), zum Verhalten des Opfers vor und nach dem zu 1/ inkriminierten Geschehen (US 4) sowie zu dessenBekundungen gegenüber * N* und * S* (US 6 und 8) gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu erwecken (zum Anfechtungsrahmen vgl RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).
[9]Dass die Tatrichter die Glaubwürdigkeit der Zeugin P* bejahten und die leugnenden Einlassungen der Angeklagten als widerlegt erachteten, ist einer Anfechtung aus Z 5a ebenfalls entzogen (vgl RIS-Justiz RS0099649).
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K* war daher –in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
[11] Zutreffend zeigt die Staatsanwaltschaft (zum Nachteil des Angeklagten K*) auf, dass das Schöffengericht in Ansehung dieses zur Tatzeit 18-jährigenAngeklagten seine Strafbefugnis überschritten hat (Z 11 erster Fall), indem es ihn betreffend das Mindestmaß (von zwei Jahren) der nach § 201 Abs 1 StGB iVm § 19 Abs 4 Z 1 (vgl RIS-Justiz RS0134129) und Z 2 JGG angedrohten Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren unterschritten hat (US 2 und 9 f ).
[12]Von einer bloß versehentlichen Unterlassung der Anführung des § 41 Abs 1 StGB ist nicht auszugehen, weil auch in den Entscheidungsgründen weder auf diese Bestimmung Bezug genommen noch mit deren inhaltlichen Voraussetzungen argumentiert wurde (vgl RISJustiz RS0091369 [T1]; 13 Os 114/19t).
[13] Demgemäß war – gleichfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil, das sonst unberührt zu bleiben h atte, im * K* betreffenden Strafausspruch aufzuheben und in diesem Umfang in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).
Zur Strafneubemessung und den Berufungen des Angeklagten K* und der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe:
[14] Bei der dadurch erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshofals erschwerend die Tatbegehung (nach § 201 Abs 1 StGB) als Volljähriger gegen eine minderjährige Person (§ 33 Abs 2 Z 1 StGB), als mildernd die Tatbegehung vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres (§ 34 Abs 1 Z 1 StGB) und den bisher ordentlichen Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB).
[15]Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung der nach den Kriterien des § 32 Abs 2 und 3 StGB relevanten Umstände und der beim Opfer (auch) durch die Tat des Angeklagten K* ausgelösten Angstgefühle und „Flashbacks“ (US 6) war auf der Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die im Spruch genannte Freiheitsstrafe auszumessen.
[16]Eine gänzlich bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe (§ 43 Abs 1 StGB) schied schon mit Blick auf § 43 Abs 3 StGB aus (RIS-Justiz RS0133833). Zwar war nicht anzunehmen, dass schon die Verhängung einer kombinierten Strafe (§ 43a Abs 2 StGB) genügen werde, den Angeklagten K* von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Allerdings konnte aufgrund seines Alters zur Tatzeit, seiner Unbescholtenheit und seiner sozialen Eingliederung (US 3) ein Strafteil von 18 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden (§ 43a Abs 3 iVm § 43 Abs 1 StGB).
[17] Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe waren der Angeklagte K* sowie die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Zur Berufung des Angeklagten K* gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligte:
[18]Das Erstgericht erkannte den Angeklagten K* mit Blick auf den Schuldspruch zu 1/ gemäß § 369 Abs 1 StPO iVm § 1328 ABGB zur ungeteilten Hand mit dem Angeklagten H* schuldig, der Privatbeteiligten * P* einen Teilbetrag von 1.000 Euro binnen vierzehn Tagen ab Rechtskraft des Urteils zu bezahlen (US 2, 10 f).
[19] Die Berufung des Angeklagten K* fordert eine Verweisung der Privatbeteiligten mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg, weil eine „kausale Verbindung“ zwischen „etwaige[m] Fehlverhalten“ dieses Angeklagten und der in Anspruch genommenen psychotherapeutischen Behandlung nicht nachgewiesen sei.
[20] Mit Blick auf die Feststellungen zu dem zu 1/ unter Anwendung von Gewalt verübten sexuellen Übergriff (digitale Vaginalpenetration) sowie darauf, dass der Gesetzgeber schon für erlittene sexuelle Belästigungen einen Betrag von 1.000 Euro als Mindestschadenersatzbetrag normiert hat (§§ 8, 8a und 19 Abs 3 BundesGleichbehandlungsgesetz; vgl auch § 218 StGB), ist der hinsichtlich des Schuldspruchs zu 1/ zuerkannte Teilbetrag von 1.000 Euro für erlittene Kränkung und seelische Schmerzen, für den der Berufungswerber solidarisch zu haften hat, keinesfalls überhöht.
[21]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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