Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des H S, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 2025, W142 23164871/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 1. August 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz des Revisionswerbers, eines indischen Staatsangehörigen, vom 2. Juli 2022 ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei, und gewährte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise.
2Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als verspätet zurück und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3 Das Bundesverwaltungsgericht stellte soweit für den Revisionsfall relevantfest, der Revisionswerber sei von 4. bis 17. Juli 2022 in einem Quartier im Rahmen der Grundversorgung („VQ2 NIEDERÖSTERREICH“, Traiskirchen) untergebracht und danach unbekannten Aufenthaltes gewesen. Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1. August 2022 sei mit Wirksamkeit vom 3. August 2022 gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Zustellgesetz (ZustG) ohne vorausgehenden Zustellversuch „im Akt“ (gemeint: im Sinn des § 23 Abs. 1 ZustG bei der Behörde) hinterlegt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe der Revisionswerber weder über eine aufrechte Meldung verfügt, noch sei ein Zustellbevollmächtigter namhaft gemacht gewesen. Der Revisionswerber habe Kenntnis vom laufenden Asylverfahren gehabt und keine Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle erstattet. Die Beschwerde sei am 16. Juli 2025 per E Mail eingebracht worden. Auf die vierwöchige Beschwerdefrist sei in der Rechtmittelbelehrung des bekämpften Bescheides in deutscher Sprache und in der Sprache Punjabi hingewiesen worden.
4 Das Verwaltungsgericht führte weiters aus, es sei nicht ersichtlich, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Zeitpunkt der Zustellung eine Abgabestelle des Revisionswerbers ohne Schwierigkeiten hätte feststellen können, zumal es für seinen damaligen Aufenthaltsort keinen Anhaltspunkt gegeben habe. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe unmittelbar vor der Hinterlegung Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR) sowie das Betreuungsinformationssystem genommen. Der Revisionswerber habe während des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz seine nach § 11 Abs. 1 BFAVG begründete Abgabestelle geändert und sei daher gemäß § 8 Abs. 1 ZustG verpflichtet gewesen, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Da zwischen der Änderung der Abgabestelle am 17. Juli 2022 und der Hinterlegung des Bescheides ohne vorausgehenden Zustellversuch am 3. August 2022 über vierzehn Tage gelegen seien, der Revisionswerber bis zu diesem Zeitpunkt keine Mitteilung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstattet und auch über keine neue „Meldeanschrift“ (laut ZMR) verfügt habe, sowie kein Zustellbevollmächtigter namhaft gemacht gewesen sei, habe der Revisionswerber den ihm zur Verfügung stehenden Zeitraum für die Mitteilung seines Wohnsitzwechsels an die belangte Behörde überschritten.
Die vierwöchige Beschwerdefrist habe (ausgehend vom Tag der Hinterlegung des Bescheides bei der Behörde) mit Ablauf des 31. August 2022 geendet. Die am 16. Juli 2025 eingebrachte Beschwerde sei somit als verspätet zurückzuweisen.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
8In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst im Wesentlichen vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 19.3.2013, 2011/21/0244) davon ausgegangen, dass der Revisionswerber durch seine vorübergehende Unterbringung in einer Erstaufnahmestelle eine Abgabestelle iSd § 8 Abs. 1 ZustG begründet habe und dass durch das (ohne Bekanntgabe einer neuen Abgabestelle erfolgten) Verlassen dieser Unterkunft eine Verletzung der Mitteilungspflicht erfolgt sei. Es sei jedoch keine Abgabestelle vorgelegen. Die „Zustellfiktion“ des § 8 Abs. 1 ZustG, die an eine zuvor bestehende Abgabestelle anknüpfe, habe daher nicht eintreten können. Die Zustellung durch „Hinterlegung im Akt“ wäre daher als nicht wirksam zu qualifizieren gewesen.
9 Gemäß § 11 Abs. 1 BFAVG sind die Erstaufnahmestelle, in der sich der Asylwerber befindet oder die Unterkunft oder die Betreuungseinrichtung des Bundes, in der der Asylwerber oder Fremde versorgt wird, Abgabestelle für eine persönliche Zustellung nach dem ZustG. Die gemäß § 1 BFA VG im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anzuwendende Sonderbestimmung des § 11 Abs. 1 BFA VG zur Zustellung sieht entgegen dem Revisionsvorbringen, in dem sich der Revisionswerber auf eine Entscheidung zu einer nicht mehr geltenden Rechtslage beruftfür die Qualifikation der dort genannten Unterkünfte als Abgabestelle im Sinn des ZustG eine Mindestaufenthaltsdauer oder eine „zeitliche Verfestigung“ nicht vor. Aus dem in § 11 Abs. 1 BFAVG enthaltenen ausdrücklichen Verweis auf das ZustG ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber im Rahmen jener Verfahren, für die diese Bestimmung maßgeblich ist, sämtliche Bestimmungen des ZustG „für eine persönliche Zustellung“, die auf eine Abgabestelle Bezug nehmen, angewendet wissen wollte. Das gilt dann mithin auch für die Bestimmung des § 8 ZustG. Darauf, ob eine Abgabestelle im Sinn des § 2 Z 4 ZustG vorliegt, kommt es dann für die Anwendung des § 8 ZustG nicht an (vgl. zu alledem VwGH 11.9.2024, Ra 2024/20/0166, mwN).
10Somit führt das Revisionsvorbringen, das darauf aufbaut, der Revisionswerber habe trotz seines Aufenthaltes in einer Betreuungseinrichtung des Bundes von Anfang an über keine Abgabestelle verfügt und daher könne die Zustellfiktion des § 8 Abs. 2 ZustG nicht zur Anwendung gelangen, nicht zum Erfolg.
11Nach § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Auch die Aufgabe einer Abgabestelle (selbst bei anschließender Obdachlosigkeit) stellt eine solche Änderung dar. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (vgl. VwGH 15.5.2020, Ra 2018/19/0708, mwN). Eine solche Hinterlegung darf gemäß § 23 Abs. 1 ZustG auch bei der Behörde erfolgen.
12 Soweit in der Revision schließlich vorgebracht wird, das Bundesverwaltungsgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob der Aufenthalt des Revisionswerbers zum Zeitpunkt der Hinterlegung tatsächlich „nicht ohne Schwierigkeiten feststellbar“ gewesen sei, vermag dieses Vorbringen eine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 BVG schon deswegen nicht aufzuzeigen, weil nicht aufgezeigt wird, welche weiteren Ermittlungsschritte erfolgreich gewesen wären, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan wird. Weiters wird weder dargelegt, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht noch darauf in den Revisionsgründen zurückgekommen (vgl. etwa VwGH 4.6.2025, Ra 2024/20/0384, mwN).
13 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 17. November 2025
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