Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schmied, LL.M., über die Revision des Z A K, vertreten durch Dr. Hubert Hagspiel, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2025, W192 23153941/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, stellte am 24. Oktober 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, Afghanistan wegen der Taliban verlassen zu habe. Seit der Machtübernahme der Taliban sei die Lage viel schlimmer geworden.
2Mit Bescheid vom 2. April 2025 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seinen Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 In seiner Begründung verneinte das BVwG zunächst die Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgung und führte soweit für den vorliegenden Revisionsfall relevantaus, dass vor dem Hintergrund der Länderberichte und der Feststellungen zur persönlichen Situation des Revisionswerbers keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer realen Gefahr einer Verletzung des Art. 2 und 3 EMRK bei der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat gegeben seien.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 BVG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 27.08.2025, Ra 2025/19/0228, mwN).
10 Diesen Anforderungen wird das Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht gerecht, weil es nicht darlegt, dass das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.
11 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst die Verletzung der Verhandlungspflicht gerügt und ausgeführt, es sei klärungsbedürftig, unter welchen Voraussetzungen das BVwG im Rahmen der Erledigung von Asylbeschwerden von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlungen absehen dürfe.
12 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dem auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, sowie aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 17.9.2025, Ra 2025/19/0306, mwN).
13 Der Revisionswerber vermag mit seinen pauschalen Ausführungen ohne Fallbezug nicht darzulegen, inwiefern das BVwG von den in der dargelegten Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre.
14 In der Zulässigkeitsbegründung macht der Revisionswerber zudem Ermittlungs und Begründungsmängel geltend und führt ins Treffen, das BVwG habe die vorgelegten Drohbriefe nicht nachvollziehbar gewürdigt und hätte ein Sachverständigengutachten einholen müssen.
15 Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 8.5.2025, Ra 2025/19/0072, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist der Revision jedoch nicht zu entnehmen.
16Der Revisionswerber bringt ferner eine Verschärfung der Sicherheits- und Menschenrechtslage in Afghanistan vor und verweist in diesem Zusammenhang auf den Prüfungsmaßstab des Art. 3 EMRK.
17Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. etwa VwGH 12.12.2024, Ra 2024/19/0445, mwN).
18 Das BVwG setzte sich in seiner Beweiswürdigung mit der Sicherheitslage, der Versorgungslage und der individuellen Situation des Revisionswerbers in Afghanistan ausführlich auseinander. Dieser Beurteilung vermag die Revision mit ihrem lediglich pauschalen Zulässigkeitsvorbringen nichts entgegenzusetzen.
19 Schließlich macht der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung geltend, dass es höchstgerichtlich zu klären sei, wie Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung und weiteren Vernehmungen zu beurteilen seien.
20Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 3.9.2025, Ra 2025/19/0265, mwN).
21 Im gegenständlichen Fall stützte sich das BVwG in seiner Beweiswürdigung nicht bloß auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme des Revisionswerbers, sondern darüber hinaus auf zusätzliche, für sich tragende Erwägungen, denen die Revision nicht entgegentritt. Dass diese Beweiswürdigung mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit behaftet ist, zeigt die Revision auch mit diesem Vorbringen nicht auf.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 30. Oktober 2025
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