Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des R B, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2023, W280 2272647 1/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der inguschetischen Volksgruppe, stellte am 2. Oktober 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, er habe die Russische Föderation verlassen, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 25. April 2023 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe weder den Wehrdienst abgeleistet, noch einen Einberufungsbefehl hierfür erhalten. Abgesehen davon ergebe eine Gesamtschau, dass sein Vorbringen zu einer (etwaigen) Verweigerung des Wehrdienstes in der Furcht begründet sei, sich den Gefahren auszusetzen, die die Ableistung eines Militärdienstes im Kontext eines bewaffneten Konflikts mit sich brächte. Eine generell ablehnende Haltung gegenüber dem Wehrdienst habe der Revisionswerber nicht. Er habe keine Bemühungen gesetzt, anstelle des Militärdienstes einen Wehrersatzdienst zu absolvieren. Insgesamt könne somit nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber im Falle der Rückkehr einer konkreten und individuellen Verfolgungsgefahr aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.
5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, das BVwG habe das vorgelegte Einberufungsschreiben keiner fachmännischen Beurteilung der Echtheit unterzogen, es nicht übersetzen lassen und seinen Inhalt auch nicht gewürdigt. Damit weiche das BVwG von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verbot der antizipierenden Beweiswürdigung ab. Aus der Urkunde gehe eindeutig vor, dass der Revisionswerber zum russischen Militär einberufen worden sei, bei seiner Rückkehr nach Russland zum Militärdienst eingezogen werde und im Weigerungsfall strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt wäre.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Dem in Rn. 5 dargestellten Revisionsvorbringen ist zu entgegnen, dass das BVwG die Annahme der Unglaubhaftigkeit einer Einberufung des Revisionswerbers zum Wehrdienst auch wenn es keine Übersetzung und fachmännische Echtheitsüberprüfung des vorgelegten Einberufungsbefehls vornehmen hat lassen auf durchaus detaillierte beweiswürdigende Überlegungen gestützt hat. Letztlich kann die Frage, ob das BVwG in diesem Zusammenhang einen Verfahrensfehler begangen hat, jedoch dahingestellt bleiben. Denn im Fall der Geltendmachung eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines Verfahrensmangels ist nicht nur der Verfahrensmangel zu präzisieren, sondern auch seine Relevanz für den Verfahrensausgang darzutun (vgl. etwa VwGH 31.1.2024, Ra 2024/18/0030, mwN), weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (vgl. etwa VwGH 7.8.2023, Ra 2023/18/0139, mwN).
11 Diesbezüglich führt die Revision allerdings nur aus, aus der Urkunde gehe hervor, dass der Revisionswerber zum russischen Militär einberufen worden sei, bei seiner Rückkehr nach Russland zum Militärdienst eingezogen würde und im Weigerungsfall strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt wäre, weshalb ihm Asyl oder hilfsweise subsidiärer Schutz hätte gewährt werden müssen.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die (bloße) Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen jedoch keine asylrelevante Verfolgung dar, sondern kann nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen (vgl. zuletzt etwa VwGH 29.2.2024, Ra 2024/18/0017, und grundlegend VwGH 4.7.2023, Ra 2023/18/0108, mwN). Die Revision legt nicht dar, aufgrund welcher konkreten Umstände im vorliegenden Fall entgegen den Erwägungen des BVwG eine allfällige Verfolgung des Revisionswerbers aufgrund einer Wehrdienstverweigerung im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation einen Konnex zu einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention aufweisen sollte. Sie zeigt auch nicht auf, dass dem Revisionswerber bei Rückkehr in die Russische Föderation eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK drohen würde.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, von denen die Revision abhinge und denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. Juni 2024
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