Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr. in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Stüger, über die Revision des J L in G, vertreten durch Mag. Florian Kreiner, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt Platz 7/14, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 14. Dezember 2023, Zl. RV/7104555/2017, betreffend Einkommensteuer 2012 bis 2015 und Umsatzsteuer 2012 bis 2016, zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
1 Der Revisionswerber betrieb in den streitgegenständlichen Jahren eine Tabak Trafik.
2Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer Kalkulationsdifferenzen fest. Diese ergaben sich aus dem Vergleich des Rohaufschlages laut der Buchhaltung und den branchenüblichen Rohaufschlägen. Aufgrund dieser Umsatzdifferenzen, einer mangelhaften Buchführung sowie einer nicht in vollem Umfang entsprochenen Empfängerbenennung im Sinne des § 162 BAO wurde eine Schätzung gemäß § 184 BAO durchgeführt.
3 Gegen die in der Folge ergangenen Bescheide vom 27. Februar 2017 betreffend Umsatz und Einkommensteuer für die Jahre 2012 bis 2014 sowie Umsatzsteuerfestsetzung für den Monat Dezember 2015 und den Zeitraum Jänner 2016 bis April 2016 erhob der Revisionswerber Beschwerde. In dieser verwies der Revisionswerber zunächst auf massive gesundheitliche und finanzielle Schwierigkeiten, weshalb der Umsatz eingebrochen sei. Der Revisionswerber sei als Wiederverkäufer tätig geworden, weil er sonst seine Tabak Trafik hätte schließen müssen. Im Zuge des Wiederverkaufes habe er seinen Kunden Rabatte gewährt, aus diesen würden sich die Kalkulationsdifferenzen ergeben.
4 Am 9. Juni 2017 ergingen der vorläufige Einkommen und Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2015, gegen die der Revisionswerber ebenso Beschwerde erhob.
Nach den ergangenen Beschwerdevorentscheidungen stellte der Revisionswerber einen Vorlageantrag.
Am 17. Februar 2021 erging der vorläufige Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2016.
5 Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde hinsichtlich der Bescheide betreffend Umsatzund Einkommensteuer 2012 bis 2014 als unbegründet ab. Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für den Monat Dezember 2015, die gemäß § 253 BAO auch als gegen den vorläufig ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2015 gerichtet galt, wies das Bundesfinanzgericht als unbegründet ab, änderte den Bescheid entsprechend der Beschwerdevorentscheidung ab und setzte die Umsatzsteuer für 2015 gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültig fest. Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 wies das Bundesfinanzgericht als unbegründet ab und setzte die Einkommensteuer 2015 endgültig fest. Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für Jänner bis April 2016, die gemäß § 253 BAO auch als gegen den vorläufig ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2016 gerichtet galt, wies das Bundesfinanzgericht als unbegründet ab und setzte die Umsatzsteuer für 2016 gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültig fest. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu.
6 Das Bundesfinanzgericht stellte zunächst fest, der Revisionswerber habe seine Waren von der T GmbH Co KG und der P GmbH bezogen. Mit dem Betrieb der Trafik sei das Verbot, die Waren an Wiederverkäufer zu veräußern, verbunden gewesen. H und L seien Abnehmer von Tabakwaren des Revisionswerbers gewesen und es habe darüber hinaus auch diverse Abnehmer in der Gastronomie gegeben. Zu diesen Vorgängen gebe es weder schriftliche Verträge oder Vereinbarungen noch Ausgangsrechnungen. Laut der Buchhaltung bzw. den Jahreserklärungen für die Jahre 2012 bis 2014 sei der Rohaufschlag zwischen 10,58 % und 13,17 % gelegen. Aus den Verkaufsberichten der Firmen T GmbH Co KG und P GmbH hätten sich Rohaufschläge zwischen 19,22 % und 18,42 % ergeben.
7 Das Bundesfinanzgericht führte weiters aus, dass sich die ermittelten Umsatzdifferenzen nicht aus dem Rechenwerk nachvollziehen ließen, sodass diese geeignet gewesen seien, die materielle Richtigkeit der Buchhaltung in Zweifel zu ziehen. Dadurch sei die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach vorgelegen. Der Revisionswerber habe zugestanden, dass in der Buchhaltung keine Ausgangsrechnungen an die von ihm namhaft gemachten Abnehmer enthalten seien. Da eine Kalkulation der in der Tabaktrafik des Revisionswerbers verkauften Tabakwaren wegen des exakt nachvollziehbaren Einkaufs und der vorgegebenen fixen Gewinnspanne genau habe durchgeführt werden können, sei die Vorgangsweise der Außenprüfung, in Höhe der nicht aufgeklärten Differenzen Hinzurechnungen zu Umsatz und Gewinn vorzunehmen, jedenfalls geeignet, den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe zu kommen. Das Bundesfinanzgericht sehe daher keinen Grund, die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach und die von der belangten Behörde angewendete Schätzungsmethode in Zweifel zu ziehen. Die fehlenden buchhalterischen Nachweise habe der Revisionswerber mit Umsatzeinbrüchen zu rechtfertigen versucht, welche ihn dazu gezwungen hätten, an Wiederverkäufer zu verkaufen. Hinsichtlich der Schätzungsberechtigung komme es jedoch nicht darauf an, aus welchen subjektiven Gründen die Aufzeichnungspflicht verletzt worden sei. Die vom Revisionswerber im Zuge der Prüfung übergebenen Bestelllisten (vom Revisionswerber erstellte Zusammenfassungen von Bestellungen durch H und L in Tabellenform) seien weder ein tauglicher Nachweis für die Höhe des vereinnahmten Entgeltes noch für eine allfällige Rabattgewährung. Gleiches gelte für den im Zuge der Schlussbesprechung vorgelegten Handyausdruck einer angeblichen Bestellung durch H., insbesondere auch deshalb, weil die Nachricht an den Sohn des Revisionswerbers ergangen sei. Selbst wenn man davon ausgehe, wonach es nicht auszuschließen sei, dass L entgegen seiner Aussage Waren in größeren Mengen beim Revisionswerber bestellt habe und ihm dafür ein Rabatt gewährt worden sei, ändere dies jedoch nichts daran, dass weder die Umsatzsteigerungen laut Erklärung noch die kalkulierten Umsatzdifferenzen mit allfälligen Verkäufen und Rabatten an L aus dem Rechenwerk nachvollzogen bzw. mit L in Verbindung gebracht werden könnten. Gleiches gelte für die vorgebrachte Geschäftsbeziehung zu H. Der Revisionswerber gestehe in der Beschwerde selbst ein, dass es sich hinsichtlich der Verkäufe in der Gastronomie nur um ungefähre Angaben handle, da die genauen Beträge nicht mehr nachvollziehbar seien. Zustimmende Zeugenaussagen hinsichtlich der eingeräumten Rabatte änderten nichts daran, dass diese im Rechenwerk nicht dokumentiert seien und ein Zusammenhang mit den vom Revisionswerber nicht in Abrede gestellten kalkulatorisch ermittelten Umsatzdifferenzen nicht hergestellt werden könne.
8 Nachvollziehbar sei, dass, sollte der Revisionswerber tatsächlich an Wiederverkäufer Tabakwaren abgegeben haben, deren Namen nicht in der Buchhaltung aufscheinen würden. Dem Revisionswerber sei es auf Grund der Bestimmungen des Tabakmonopolgesetzes untersagt, an Wiederverkäufer zu veräußern und hätte ein festgestelltes Zuwiderhandeln zum Verlust der Konzession geführt. Namentlich angeführt seien H und L, die als Zeugen vor der belangten Behörde ausgesagt hätten. Aus Sicht der einvernommenen Zeugen scheine verständlich, dass diese, sollten sie tatsächlich Großabnehmer gewesen sein, kein Interesse daran gehabt hätten, als solche entlarvt zu werden, weil sie dann jedenfalls mit steuerrechtlichen oder eventuell auch strafrechtlichen Konsequenzen hätten rechnen müssen. Nicht bestritten worden sei von den beiden jedoch, dass sie den Revisionswerber gekannt hätten und Abnehmer von Tabakwaren gewesen seien. Der Revisionswerber und seine Kinder sowie eine ehemalige Angestellte hätten in den der Beschwerde beigelegten Stellungnahmen die vermeintlichen Umstände der Warenbestellung und Abholung geschildert. Ihnen seien die Herren H und L bekannt gewesen, ebenso die mit diesen vereinbarte Rabattgewährung. Allerdings schilderten der Sohn nur zwei Lieferungen und die Tochter eine Lieferung. Es erscheine dem erkennenden Senat durchaus glaubwürdig, dass H und L in diesen geschilderten Fällen Abnehmer des Revisionswerbers gewesen seien. Es entspreche auch den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass sich der Vorgang der Lieferung und Bezahlung einerseits aus praktischen Gründen (Menge, Umbau des Bahnsteigs, auf dessen Gelände sich die Trafik befunden habe) und andererseits aus rechtlichen Gründen (Verbot des Verkaufs an Wiederverkäufer) außerhalb des Geschäftslokals abgespielt habe. Es erscheine auch durchaus nachvollziehbar, sollte es sich um größere Mengen gehandelt haben, dass Rabatte gewährt worden seien. Dies ändere jedoch nichts daran, dass weder diese genannten Verkäufe, noch die behauptete Rabattgewährung oder Verkäufe an andere Abnehmer ihren Niederschlag im Rechenwerk des Revisionswerbers gefunden hätten. Was die angeblich den Abnehmern eingeräumten Rabatte anbelange, so würde eine dahingehend zustimmende Zeugenaussage nichts daran ändern, dass diese, wie bereits ausgeführt worden sei, im Rechenwerk nicht dokumentiert seien und somit ein Zusammenhang mit den vom Revisionswerber nicht in Abrede gestellten kalkulatorischen Differenzen nicht hergestellt werden könne. Der Vorwurf des Revisionswerbers in der Beschwerde, die Glaubwürdigkeit der Zeugen H und L hätte vom Finanzamt überprüft werden müssen, sei daher nicht gerechtfertigt.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht zunächst die Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht geltend und verweist dahingehend auf die nicht erfolgte Einvernahme von Zeugen und eine damit einhergehende antizipierende Beweiswürdigung. Die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Beweiswürdigung erachtet die Revision als nicht vertretbar, weil sich aus dieser nicht ergebe, weshalb der festgestellte Sachverhalt als erwiesen anzusehen sei. Die gewährten Rabatte hätten jedenfalls Einfluss auf die von der Behörde herangezogene einzige Schätzmethode gehabt. Es sei der Beurteilung des Bundesfinanzgerichtes nicht zu entnehmen, ob es die Angaben betreffend die Rabatte für glaubwürdig erachte, wobei teilweise darauf zu schließen sei. Es sei bei der Schätzung jene Methode zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheine. Diese Befugnis zur Auswahl der Schätzmethode ändere aber nichts daran, dass das Vorbringen, insbesondere wenn dieses, wie festgehalten, schlüssig erscheine, entsprechend zu berücksichtigen gewesen wäre.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens erwogen:
11 Die Revision ist zulässig und begründet.
12 Die Revision macht u.a. im Ergebnis einen Begründungsmangel im Zusammenhang mit der Schätzung geltend.
13Ein Begründungsmangel führt dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn durch diesen Mangel die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 2.12.2024, Ro 2024/13/0024, mwN). Dies liegt im Revisionsfall vor.
14Ziel der Schätzung ist es, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint (vgl. VwGH 12.8.2024, Ra 2024/13/0073, mwN).
15 Strittig ist im Revisionsfall nicht die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach, sondern die Höhe. Der Revisionswerber hat gleichbleibend im Verfahren vorgebracht, dass er Gastronomiebetrieben und vor allem den Abnehmern L und H Rabatte gewährt habe und dies bei der Schätzung zu berücksichtigen sei.
16 Das Bundesfinanzgericht hat die Berücksichtigung der Rabatte im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass sich diese nicht aus dem Rechenwerk ergäben. Der Umstand, dass die entsprechenden Verkäufe und Rabattgewährungen nicht aus den Unterlagen ersichtlich waren, begründet die grundsätzliche Schätzungsbefugnis. Dieser Umstand kann aber nicht nochmals dazu herangezogen werden, sie auch bei der Höhe der Schätzung nicht zu berücksichtigen, wenn die Gewährung von Rabatten als glaubhaft erachtet wird.
17 Ob dies der Fall ist, erschließt sich aus dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts nicht. Es ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, ob das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen ist, dass Rabattgewährungen erfolgt sind, weil es mehrfach ausführt, dass es glaubhaft sei, dass bei großen Abnahmemengen Rabatte gewährt würden, andererseits aber von „angeblichen“ eingeräumten Rabatten spricht. Weiters ist nicht ersichtlich, ob das Bundesfinanzgericht von einer Richtigkeit der Aussagen von L und H ausgeht oder das Gegenteil der Fall ist. Angesichts dessen, dass von H und L vollkommen konträre Angaben im Vergleich zur Aussage des Revisionswerbers gemacht wurden, hätte das Bundesfinanzgericht die Aufgabe gehabt, diese Divergenzen aufzuklären und die materielle Wahrheit zu erforschen. Es ist für die Höhe der Schätzung von Bedeutung, ob L, wie von ihm behauptet, nur die dem Revisionswerber gehörenden Automaten befüllt hat, oder er die Zigaretten gekauft und damit eigene Automaten befüllt hat und in dem Zusammenhang Rabatte gewährt wurden.
18Das Bundesfinanzgericht hat somit sein Erkenntnis mit einem relevanten Begründungmangel belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die beantragte Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG entfallen.
19Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das über den Pauschalbetrag (§ 1 Z 1 lit. a VwGHAufwandersatzverordnung 2014) hinausgehende Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein höherer Pauschalbetrag begehrt wurde und die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen bereits berücksichtigt ist (vgl. VwGH 27.3.2025, Ro 2024/10/0009).
Wien, am 28. Mai 2025
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