Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätin Dr. in Oswald als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Freistadt gegen das am 28. Februar 2024 mündlich verkündete und mit 21. März 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich, Zl. LVwG 652987/14/JP, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (mitbeteiligte Partei: G L, vertreten durch Mag. Robert Stadler, Rechtsanwalt in Gallneukirchen), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
1 1.1. Mit Bescheid vom 15. März 2023 befristete die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht und nunmehr revisionswerbende Behörde die Lenkberechtigung des Mitbeteiligten für näher genannte Klassen bis 15. März 2024. Überdies wurden als Auflage ärztliche Kontrolluntersuchungen vorgeschrieben, und zwar zweimal in den nächsten zwölf Monaten bei der Behörde zum Zweck der Haaranalyse auf Drogenmetabolite nach schriftlicher Aufforderung durch den Sanitätsdienst. Die Haare dürften in Bleistiftminendicke und einer Länge von sechs Zentimetern entnommen werden und nicht behandelt sein.
2 Mit Ladung vom 1. August 2023 forderte die Behörde den Mitbeteiligten auf, am 1. September 2023 zur Entnahme einer Haarprobe zu kommen, wofür eine Mindesthaarlänge von sechs Zentimetern erforderlich sei.
3 1.2. Mit Mandatsbescheid vom 7. September 2023 entzog die Behörde dem Mitbeteiligten die Lenkberechtigung für einen Zeitraum von drei Monaten ab Zustellung des Bescheides bzw. darüber hinaus bis zur Beibringung der mit Bescheid vom 15. März 2023 angeordneten ärztlichen Kontrolluntersuchung. Begründend führte die Behörde aus, der Mitbeteiligte sei zur Haarabnahme am 1. September 2023 mit deutlich zu kurzen Haaren erschienen, weswegen die Haare keiner Analyse unterzogen werden hätten können. Die Auflage der ärztlichen Kontrolluntersuchung sei daher nicht erfüllt worden. Der Mitbeteiligte sei zu dem Termin mit dem PKW erschienen.
4 1.3. Mit (Vorstellungs )Bescheid vom 27. Oktober 2023 entzog die Behörde dem Mitbeteiligten die Lenkberechtigung für näher genannte Klassen für drei Monate ab Zustellung des (Mandats )Bescheides (somit von 12. September 2023 bis 12. Dezember 2023) und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab. Begründend führte die Behörde aus, dass der Mitbeteiligte am 1. September 2023 selbst mit dem PKW zur Haaranalyse, aber mit deutlich zu kurzen Haaren erschienen sei. Er habe die Auflage der ärztlichen Kontrolluntersuchung somit nicht erfüllt und ein Fahrzeug gelenkt, weswegen die Verkehrszuverlässigkeit nicht gegeben sei.
5 1.4. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt, hob den angefochtenen Bescheid (ersatzlos) auf und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.
6 Das Verwaltungsgericht stellte den Verfahrensablauf und weiters fest, dass der Mitbeteiligte am 1. September 2023 am Weg zur Entnahme der Haarprobe bei der belangten Behörde ein Kraftfahrzeug gelenkt habe. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass er nach diesem Termin bis zur Wiedererlangung seiner Lenkberechtigung ein Kraftfahrzeug gelenkt habe. Am 1. September 2023 seien die Haare des Mitbeteiligten zwischen drei und fünf Zentimeter lang, jedenfalls kürzer als sechs Zentimeter gewesen. Dem Mitbeteiligten sei deswegen am 1. September 2023 keine Haarprobe abgenommen worden.
7 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, die bestimmte Tatsache des § 7 Abs. 3 Z 12 FührerscheingesetzFSG erfordere nach näher genannter Rechtsprechung nicht nur das Unterlassen einer als Auflage vorgeschriebenen ärztlichen Kontrolluntersuchung, sondern auch, dass der Betroffene tatsächlich ein Kraftfahrzeug ohne Einhaltung der Auflage gelenkt habe. Es sei unbestritten, dass die Haare des Mitbeteiligten am 1. September 2023 nicht sechs Zentimeter lang gewesen seien. Es sei daher keine Haarprobe abgenommen worden und der Mitbeteiligte habe die Auflage der ärztlichen Kontrolluntersuchung nicht erfüllt.
8Um die bestimmte Tatsache des § 7 Abs. 3 Z 12 FSG zu verwirklichen, hätte der Mitbeteiligte jedoch nach diesem Termin ein Kraftfahrzeug lenken müssen. Dies gelte umso mehr, als gemäß § 7 Abs. 6 FSG die Auflage der ärztlichen Kontrolluntersuchung als nicht eingehalten gelte, wenn der Befund oder das ärztliche Gutachten nicht innerhalb einer Woche nach Ablauf der von der Behörde gesetzten Frist vorgelegt werde.
9 Es könne aber nicht festgestellt werden, dass der Mitbeteiligte nach dem Termin am 1. September 2023 ein Kraftfahrzeug gelenkt habe.
10 Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, „ab welchem Zeitpunkt“ die Auflage der ärztlichen Kontrolluntersuchung als nicht eingehalten gelte, wenn schon vor einem von der Behörde gesetzten Termin bzw. einer Frist erkennbar gewesen sei, dass die Auflage mangels ausreichender Haarlänge weder zum gesetzten Termin noch eine Woche danach erfüllt werden könne. Dieser Rechtsfrage komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
11 1.5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht, die zu ihrer Zulässigkeit die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes wiederholt.
12 Im Vorverfahren erstattete der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung.
13 2. § 7 FührerscheingesetzFSG, BGBl. I Nr. 120/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 154/2021, lautet (auszugsweise):
„Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
12. die Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen als Lenker eines Kraftfahrzeuges nicht eingehalten hat;
...
(6) ... Die Auflage der ärztlichen Kontrolluntersuchungen gemäß Abs. 3 Z 12 gilt als nicht eingehalten, wenn der Befund oder das ärztliche Gutachten nicht innerhalb einer Woche nach Ablauf der festgesetzten Frist der Behörde vorgelegt wird.
...“
14 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
16Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
17 Ein Revisionswerber hat nach ständiger hg. Rechtsprechung auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Dies ist so zu verstehen, dass eine ordentliche Revision zurückzuweisen ist, wenn die in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs des Verwaltungsgerichts vertretene Auffassung über das Vorliegen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 BVG, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhänge, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird und in der ordentlichen Revision unter Zulässigkeitserwägungen keine andere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung konkret dargelegt wird (vgl. VwGH 1.8.2025, Ro 2024/11/0012, mwN).
184.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt die Nichteinhaltung einer Auflage iSd § 7 Abs. 3 Z 12 FSG nicht etwa per se zur Annahme des Fehlens der gesundheitlichen Eignung, sondern bildet eine bestimmte Tatsache, welche allenfalls die Verkehrszuverlässigkeit des Betreffenden ausschließt. Zum Tatbestandsmerkmal dieser Bestimmung gehört aber nicht nur das Unterlassen einer als Auflage vorgeschriebenen ärztlichen Kontrolluntersuchung, sondern auch (vgl. „als Lenker eines Kraftfahrzeuges“), dass der Betroffene tatsächlich ein Kraftfahrzeug lenkt, ohne die entsprechende Auflage eingehalten zu haben (vgl. VwH 30.6.2016, Ra 2016/11/0077, mwN; 23.3.2017, Ra 2017/11/0005).
194.2. Von dieser Rechtsprechung ausgehend vertrat das Verwaltungsgericht die Rechtsmeinung, „nicht eingehalten“ iSd § 7 Abs. 3 Z 12 FSG habe der Mitbeteiligte die Auflage erst nach dem behördlich angeordneten Termin am 1. September 2023, bei welchem eine Haarprobe nicht entnommen wurde.
20 Darauf bezieht sich die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ab welchem Zeitpunkt die Auflage einer ärztlichen Kontrolluntersuchung als nicht eingehalten gilt.
214.3. Das bloße Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage führt aber nicht zwangsläufig zur Zulässigkeit einer Revision. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt dann nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. VwGH 1.2.2022, Ra 2019/11/0210 bis 0212, mwN).
22Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Rechtslage in Bezug auf die zur Zulassung der Revision geltend gemachte Rechtsfrage eindeutig ist: Nach dem klaren Wortlaut des § 7 Abs. 6 zweiter Satz FSG gilt die Auflage der ärztlichen Kontrolluntersuchung gemäß Abs. 3 Z 12 leg. cit. als nicht eingehalten, wenn der Befund oder das ärztliche Gutachten nicht innerhalb einer Woche nach Ablauf der gesetzten Frist der Behörde vorgelegt wird. Nach den Gesetzesmaterialien zur 5. Führerscheingesetz Novelle, BGBl. I Nr. 81/2002, mit welcher diese Bestimmung erlassen wurde, soll damit „eine Toleranzfrist zur Beibringung von Befunden oder Gutachten von einer Woche statuiert [werden], um Härtefälle bei der Auflage der ärztlichen Kontrolluntersuchung zu vermeiden“ (vgl. RV 1033 BlgNR XXI. GP 24).
23Irgendeinen Hinweis, dass für bestimmte Konstellationen betreffend die Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen anderes gelten sollte, als mit der gesetzlichen Fiktion des § 7 Abs. 6 zweiter Satz FSG bestimmt wird, lässt sich weder dem Gesetz noch den Materialien entnehmen. Warum dies in Zusammenhang mit dem gegenständlichen Fall anders sein sollte, zeigt die Revision nicht auf.
244.4. Ausgehend von diesem Gesetzesverständnis und der in der Revision nicht bestrittenen Feststellung, der Mitbeteiligte habe nach dem Kontrolltermin am 1. September 2023 ein Kraftfahrzeug nicht gelenkt, ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligte die bestimmte Tatsache des § 7 Abs. 3 Z 12 FSG nicht verwirklichte.
25 4.5. Die Revision wiederholt zu ihrer Zulässigkeit lediglich die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes. Eine andere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung legt sie unter Zulässigkeitsgesichtspunkten nicht dar.
264.6. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass bei einer Erteilung der Lenkberechtigung unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen das Unterbleiben der Vorlage der abverlangten Befunde bzw. Bestätigungen geeignet ist, begründete Zweifel am Weiterbestand der bei Erteilung der Lenkberechtigung noch bedingt bejahten gesundheitlichen Eignung zu wecken, und eine solche Unterlassung damit Grundlage für ein Vorgehen nach § 24 Abs. 4 FSG sein kann (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0005).
27 5. In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
28Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der durch die VwGHAufwandersatzverordnung 2014 pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand auch die anfallende Umsatzsteuer abdeckt (vgl. VwGH 5.9.2024, Ra 2023/11/0088, mwN).
Wien, am 11. November 2025
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