Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision der S F in S, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Oktober 2024, I404 22941471/8E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; mitbeteiligte Parteien: 1. Pensionsversicherungsanstalt; 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revisionswerberin auf Grund ihrer Tätigkeit als Schluchtenführerin für den Dienstgeber JS an näher bezeichneten Tagen im Jahr 2019 als Dienstnehmerin gemäß § 4 Abs. 2 ASVG der Pflichtversicherung unterlegen sei.
2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, dass JS ein Einzelunternehmen führe, bei welchem im Jahr 2019 unter anderem Canyoning Touren und Parcours (im Trockenen) gebucht werden konnten. Er betreibe zu diesem Zweck eine Basis mit einem (verpachteten) Restaurant und biete seine Touren auf einer Homepage an.
3 Die Revisionswerberin sei in drei Sommersaisonen der Jahre 2016 bis 2018 als Angestellte für JS als Guide tätig gewesen. Sie habe in dieser Zeit eine Ausbildung zur Canyoning Führerin absolviert. Im Jahr 2016 habe sie ihre Ausbildung abgeschlossen, seit Mai 2019 verfüge sie über eine Berechtigung als Canyoning Führerin nach dem Vorarlberger Bergführergesetz.
4 Nachdem die Revisionswerberin nicht mehr bei JS angestellt gewesen sei, habe er sie in der Sommersaison 2019 (von Mai bis Oktober) bei Bedarf kontaktiert und sie gefragt, ob sie an einem konkreten Tag und zu einer bestimmten Uhrzeit eine bestimmte Tour für ihn durchführen könne. In der Regel sei eine konkrete Anfrage erst wenige Tage im Voraus erfolgt. Es sei der Revisionswerberin frei gestanden, ein solches Angebot anzunehmen oder auch abzulehnen. Es sei nicht vereinbart gewesen, dass sie eine zugesagte Tour jederzeit wieder ablehnen könne. Sie habe auch keine bereits zugesagten Touren wieder abgelehnt. Hätte die Revisionswerberin öfter eine zugesagte Tour wieder abgelehnt, wären ihr keine Touren mehr angeboten worden. Wenn sie eine Tour zugesagt habe, habe JS davon ausgehen können, dass sie diese Tour auch selbst durchführe. Die Revisionswerberin habe auch alle zugesagten Touren tatsächlich gemacht. Es sei nicht vereinbart worden, dass die Revisionswerberin sich durch eine dritte Person jederzeit vertreten lassen könne und es sei auch nicht besprochen worden, wie im Verhinderungsfall vorzugehen sei. Tatsächlich habe sie sich nie vertreten lassen.
5 Die Revisionswerberin habe zehn Touren für Schulklassen, drei geführte Canyoning Touren für Erwachsene, acht Mini Canyoning Touren sowie fünf Erwachsenen-Parcours für JS durchgeführt.
6 Bei den Canyoning Touren sei Startpunkt und auch das Ende der Tour die Basis des JS gewesen. Die Revisionswerberin habe sich dort mit den Teilnehmenden getroffen und das benötigte Material (Anzug, Helm, Socken, etc.) ausgeteilt. Dieses stehe im Eigentum des JS. Am Ende habe sie den Teilnehmenden auch wieder beim Ausziehen geholfen und teilweise mit ihnen im dort befindlichen Restaurant etwas getrunken. Wenn das Restaurant geöffnet gewesen sei (mittwochs bis sonntags), habe sie sich auch dort zurückgemeldet.
7 Für das Unternehmen des JS gebe es eine Art „Leitbild“, an welches die Revisionswerberin bei der Durchführung ihrer Touren gebunden gewesen sei. So sei es JS wichtig gewesen, dass die Gäste betreut würden, dass sie gut durch die Schlucht geführt würden und dass sie Spaß hätten. Es habe einen „Standard“ gegeben, der von den Guides erfüllt werden musste. Dazu habe gehört, wie man sich mit den Gästen auseinanderzusetzen habe, wie die Sicherheitskontrolle und wie die Materialkontrolle auszusehen habe. So sei zu Beginn vom Guide mit den Teilnehmenden ein Briefing durchzuführen, welches mit dem Vorstellen des Guides beginne, dann erfolge die Besprechung der Wetterlage, Erklären der Tour, Aufmerksammachen auf Gefahren, Befragung nach gesundheitlichen Einschränkungen und das Verhalten in der Schlucht. Bei diesem Teil des Briefings obliege es dem Guide, ob er dies bereits vorab bei der Basis bespreche oder erst in der Schlucht. Zuletzt seien die Teilnehmenden aufzufordern, dass Dinge, welche sie dringend mitnehmen müssten (Asthma Spray, Epi Pen, Ersatzkontaktlinsen) dem Guide mitzugeben seien, da sie selbst keinen Rucksack in die Schlucht mitnehmen dürften. Weiter sei vom Guide zu prüfen, ob jeder Teilnehmer das gesamte Material habe und dieses auch richtig angelegt worden sei. Wie bei den Parcours sei im Anschluss an das Briefing auf der Terrasse das Abseiltraining durchzuführen.
8 Bei der Durchführung der Touren in der Schlucht sei es der Revisionswerberin oblegen zu entscheiden, ob zB eine Tour aufgrund der schlechten Kondition der Teilnehmenden früher beendet werden müsse, wer wo einen Sprung machen könne oder ob allenfalls aufgrund des Wasserstandes eine Tour früher beendet werden müsse.
9 Nach deren Rückkehr habe JS bei den Teilnehmenden nachgefragt, ob die Tour schön gewesen sei und auch, ob sie mit dem Guide zufrieden gewesen seien.
10 Die Revisionswerberin habe vor Beginn der Durchführung ihrer Touren im Jahr 2019 keine eigene Einschulung durch JS gebraucht und es habe ihr auch nicht der Standard des JS ausdrücklich mitgeteilt werden müssen, zumal sie für ihn zuvor schon länger als Angestellte tätig gewesen sei und gewusst habe, „wie es von der Pike an läuft“.
11 Sie habe für ihre Führungen ihr eigenes Material verwendet, dazu gehörten ein Neoprenanzug, Socken, Schuhe, Helm, Gurt mit Guide-Ausrüstung (Messer, Karabiner, Selbstsicherung), Bandschlingen, Klemmgeräte, Seile, Rucksack, Trockenbox für das Erste Hilfe Set, Stirnlampe und ein Biwaksack. Keiner dieser Ausrüstungsgegenstände mit einem Wert von zumindest € 400 sei im Jahr 2019 steuerlich geltend gemacht worden. Das Material für die Teilnehmenden habe die Revisionswerberin von JS unentgeltlich bekommen. Es befinde sich an der Basis des JS in einer Kiste und werde von der Revisionswerberin an die Teilnehmenden ausgeteilt.
12 Die Revisionswerberin habe für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen.
13 Neben ihrer Tätigkeit für JS sei die Revisionswerberin bei mehreren anderen Firmen angestellt gewesen und habe in den hier entscheidungsrelevanten Monaten Mai Oktober 2019 daraus bereits ein Entgelt, das den Betrag in Höhe von € 446,81 (Geringfügigkeitsgrenze im Jahr 2019) in den einzelnen Kalendermonaten überschreitet, erhalten. Sie habe pro Tour, die sie für JS durchgeführt habe, ein Entgelt unter dieser Grenze erhalten.
14 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, dass auf Grund der umfangreichen Vorgaben in Bezug auf den Ablauf der Touren, die Aufgaben des Guides und das Verhalten gegenüber den Gästen sowie der Kontrollmöglichkeiten des JS (durch Befragung der Gäste am Ende der Tour) die Kriterien der persönlichen Abhängigkeit bei der Revisionswerberin bei weitem überwogen hätten.
15Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
16 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
18Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19Unter diesem Gesichtspunkt bringt die Revision zunächst vor, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einordnung der Tätigkeit als Schluchtenführerin „als eine Tätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG oder als Tätigkeit im Sinne eines Werkvertrages“ fehle.
20 Zur Abgrenzung zwischen Dienstverträgen und Werkverträgen sowie zwischen echten Dienstverträgen und freien Dienstverträgen gibt es aber bereits auch in der Revision zitierteumfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa VwGH 29.1.2020, Ra 2018/08/0028). Die darin entwickelten Grundsätze gelten auch in Bezug auf Schluchtenführerinnen.
21 Daran ändern die in der Revision angeführten Besonderheiten des auf Schluchtenführer anzuwendenden Vorarlberger Bergführergesetzes nichts:
22 Dass die Touren gemäß § 13 Abs. 3 des Vorarlberger Bergführergesetzes persönlich durchzuführen sind, bedeutet zwar, dass für Bergführer stets die persönliche Arbeitspflicht zu bejahen ist. Diese ist die Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit, führt aber für sich genommen noch nicht dazu, dass die persönliche Abhängigkeit tatsächlich zu bejahen ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die (sonstigen) Kriterien der persönlichen Abhängigkeit gegenüber jenen der persönlichen Unabhängigkeit überwiegen, was in jedem Einzelfall zu beurteilen ist.
23 Soweit die Revision meint, dass § 14 des Vorarlberger Bergführergesetzes die Weisungsgebundenheit bei der Ausübung der Tätigkeit ausschließe, ist darauf hinzuweisen, dass die genannte Bestimmung nur regelt, in welcher Weise der Bergführer bzw. die Bergführerin für die Sicherheit der Teilnehmenden zu sorgen hat (etwa durch Abbruch der Tour, wenn der Bergführer/die Bergführerin deren Fortsetzung wegen besonderer Umstände nicht verantworten kann). Das steht der Bindung an Weisungen hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens wie sie im Revisionsfall etwa im festgestellten „Standard“ betreffend die Gästebetreuung zum Ausdruck kamen in keiner Weise entgegen.
24Das Bundesverwaltungsgericht ist entgegen den Behauptungen der Revision auch nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale. Wurde diese auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 9.11.2017, Ra 2017/08/0115, mwN). Davon konnte im vorliegenden Fall keine Rede sein.
25Was die wirtschaftliche Abhängigkeit betrifft, so ist sie nach der auch in der Revision zitierten ständigen Rechtsprechung die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. etwa VwGH 12.10.2016, Ra 2015/08/0173). Es bedurfte daher entgegen der Revision keiner Feststellungen darüber, dass die Revisionswerberin von JS wirtschaftlich abhängig war.
26 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2024
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