Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des E K in K, vertreten durch die Hintermeier Brandstätter Engelbrecht Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Andreas Hofer Straße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 12. März 2024, Zl. LVwG AV 2110/001 2023, betreffend Waffenverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis verhängte das Verwaltungsgericht über den Revisionswerber durch Abweisung der Beschwerde gegen einen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 2023 gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) ein Waffenverbot und sprach aus, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei.
2 Dazu stellte es im Wesentlichen fest, dass der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 7. Juni 2023 wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB für schuldig erkannt worden sei. Demnach habe er am 3. April 2023 ein näher genanntes Opfer gefährlich mit dem Tod bedroht, um es in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er aus Anlass eines Disputs wegen seines Einparkverhaltens einen vom Fahrersitz aus griffbereiten, mit vier Platzpatronen geladenen Gasrevolver an sich genommen und mit der Laufmündung in Richtung des durch das geöffnete fahrerseitige Fahrzeugfenster blickenden Opfers gehalten und ihm dabei mitgeteilt habe, dass er nur abzudrücken brauche. Der Revisionswerber sei hierfür nach § 107 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 23. November 2023 sei seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Strafurteil nicht Folge gegeben worden.
3 In rechtlicher Hinsicht führte es zusammengefasst jeweils unter Bezugnahme auf entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG voraussetze, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten sei, wobei die Erlassung eines Waffenverbotes nicht zur Voraussetzung habe, dass bislang schon eine missbräuchliche Verwendung von Waffen mit einer Gefährdung von Personen oder Sachen erfolgt sei. Entscheidend dafür sei keine Nachbetrachtung, sondern eine Prognoseentscheidung.
4 Die Androhung oder Anwendung von Gewalt könne auch dann, wenn dabei keine Waffe verwendet werde, eine Grundlage für die Verhängung eines Waffenverbots darstellen. Die Bedrohung eines Menschen etwa mit dem Erschießen stelle jedenfalls eine „konkrete Tatsache“ im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG dar, die ein für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Waffenverbotes relevantes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen vermitteln könne und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotenzials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermöge.
5 Soweit einem Waffenverbot Tatsachen zugrunde lägen, die auch Gegenstand eines gerichtlichen Strafverfahrens gewesen seien, sei zu beachten, dass die Straftat selbst beachtlich sei und nicht die deswegen erfolgte strafgerichtliche Verurteilung. Die materielle Rechtskraft des Schuldspruches eines Strafurteiles bewirke, dass dadurch mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt sei, dass die schuldiggesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachen und Feststellungen des betreffenden Urteiles rechtswidrig und schuldhaft begangen habe. Eine eigene Beurteilung durch die Behörde sei damit nicht mehr zulässig; diese sei verpflichtet, die so entschiedene Frage ihrem Bescheid zugrunde zu legen.
6 Angesichts des damit bindend festgestellten, im dargestellten strafgerichtlichen Urteilsspruch umschriebenen Verhaltens des Revisionswerbers bestünden im vorliegenden Fall jedenfalls bestimmte Tatsachen im Sinne des § 12 WaffG, die die Annahme rechtfertigten, dass der Revisionswerber durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit, die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könne, sodass der Beschwerde spruchgemäß nicht Folge zu geben gewesen sei. Aufgrund der Bindung des Verwaltungsgerichtes an das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten und dessen Feststellungen sei auch den übrigen Beweisanträgen nicht stattzugeben gewesen.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Dazu bringt die Revision zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe keine eigenen Feststellungen zum Verhalten des Revisionswerbers getroffen, sondern sich auf „das bloße Zitat“ des Strafurteils beschränkt. Damit weiche es von ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab bzw. sei diese Judikatur unklar und unvollständig. So zeige der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 2021, Ra 2021/03/0039, dass die Behörde an den Umstand der strafgerichtlichen Verurteilung zu einem bestimmten Delikt gebunden ist, jedoch nicht an die einzelnen Urteilsfeststellungen, also „die konkreten Details der behaupteten Taten“. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Bindung der Verwaltungsbehörde in der Frage bestehe, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand erfüllt wurde (VwGH 30.1.2013, 2012/03/0072; VwGH 21.10.2011, 2010/03/0165), ergebe sich keine Bindung an konkrete Feststellungen.
10 Dieses Revisionsvorbingen trifft nicht zu. Aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auch den vom Revisionswerber angeführten Entscheidungen, ergibt sich sehr wohl und unmissverständlich eine Bindung der Verwaltungsbehörde und damit in weiterer Folge auch des Verwaltungsgerichtes an die Feststellungen einer verurteilenden Entscheidung eines Strafgerichts, soweit sie die Begehung der konkreten strafbaren Handlung umfassen, deren die betroffene Person schuldig gesprochen wurde:
11 Die materielle Rechtskraft des Schuldspruches einer verurteilenden Entscheidung eines Strafgerichts bewirkt, dass dadurch vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die schuldig gesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Im Fall einer verurteilenden Entscheidung durch ein Strafgericht besteht daher eine Bindung der Verwaltungsbehörde in der Frage, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand erfüllt wurde. Durch die gerichtliche Verurteilung wird in einer für die Verwaltungsbehörde bindenden Weise über die Begehung der Tat abgesprochen. Eine eigene Beurteilung durch die Behörde ist damit nicht mehr zulässig, diese ist verpflichtet, die so entschiedene Frage ihrem Bescheid zugrunde zu legen (vgl. VwGH 21.10.2011, 2010/03/0165, und 16.4.2021, Ra 2021/03/0039, Rn 14, je mwN, jüngst VwGH 8.5.2023, Ra 2022/03/0041, Rn 19). In einem solchen Fall ist angesichts der bindenden Wirkung dieser strafgerichtlichen Entscheidung die Verwaltungsbehörde mit Blick auf § 12 Abs. 1 WaffG nicht gehalten, weitere Ermittlungen zu dem der Verurteilung zugrunde liegenden strafgerichtlichen Delikt vorzunehmen (VwGH 30.1.2013, 2012/03/0072). Die Verurteilung einer Person entfaltet insofern Bindung, als davon auszugehen ist, dass sie die im Spruch des Strafurteiles umschriebenen Handlungen begangen hat. Es besteht aber beispielsweise keine Bindung an die Überlegungen des Gerichtes im Rahmen der Strafbemessung (vgl. VwGH 28.3.2006, 2006/03/0026).
12 Indem das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung ohne weitere Beweiswürdigung oder eigene Feststellungen zugrunde gelegt hat, dass der Revisionswerber die Tat, deretwegen er verurteilt wurde, so begangen hat, wie sie im Spruch des Strafurteils umschrieben war, ist es somit nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
13 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit weiters mit einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die darin liegen soll, dass das Verwaltungsgericht aus der von ihm zitierten Judikatur (konkret VwGH 18.5.2011, 2008/03/0011) unzutreffenderweise ableite, dass eine strafgerichtliche Verurteilung zu einem Delikt (ohne Zusammenhang mit Waffen) zwingend zu einem Waffenverbot führen müsse und sowohl der Verwaltungsbehörde als auch dem Verwaltungsgericht jede andere Entscheidung (und auch jede eigenständige Beurteilung und Prognose) ex lege untersagt sei.
14 Mit diesem Vorbringen verkennt die Revision die Argumentation des Verwaltungsgerichtes. Dieses hat seine Entscheidung nämlich nicht darauf gestützt, dass jegliche strafgerichtliche Verurteilung ohne weiteres zwingend zu einem Waffenverbot zu führen hätte.
15 Vielmehr hat es aus dem bindend feststehenden Verhalten des Revisionswerbers die Bedrohung eines Anderen mit dem Tod aus Anlass eines Disputs wegen seines Einparkverhaltens durch Halten eines geladenen Gasrevolvers mit der Laufmündung in Richtung des Opfers verbunden mit der Äußerung, dass er nur abzudrücken brauche die Annahme abgeleitet, dass der Revisionswerber durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit, die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte also eine Prognose im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG vorgenommen. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass das Verwaltungsgericht ausdrücklich auf jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen hat, wonach die Bedrohung eines Menschen mit dem Erschießen jedenfalls eine „konkrete Tatsache“ im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG darstellt, die ein für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Waffenverbotes relevantes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen vermitteln kann und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotenzials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermag (VwGH 27.1.2016, Ra 2016/03/0002, und 17.5.2017, Ra 2016/03/0106, je mwN, in diesem Sinne aus jüngerer Zeit etwa VwGH 1.4.2022, Ra 2022/03/0037, Rn 17, mwN).
16 Die von der Revision behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt daher nicht vor.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 24. Mai 2024
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