Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Schartner und Mag. Pichler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des A A, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2023, W185 2251359 2/3E, betreffend Versagung der Ausstellung eines Fremdenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Der Revisionswerber, ein 1982 geborener syrischer Staatsangehöriger, stellte am 5. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Er begründete diesen im Wesentlichen damit, im Jahr 2013 als Reservist einen Einberufungsbefehl zum Militär erhalten zu haben. Er sei diesem nicht nachgekommen, weswegen ihm Verfolgung drohe. Nach seiner Flucht nach Österreich habe er zudem an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen.
2 Mit Bescheid vom 11. Jänner 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zu. Gegen die Abweisung seines Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erhob der Revisionswerber Beschwerde.
3Am 4. Mai 2022 beantragte der Revisionswerber die Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG mit der Begründung, dass er zum Militärdienst einberufen worden sei und sich deswegen nicht in die syrische Botschaft traue.
4Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 11. August 2022 mit der Begründung ab, dass der Revisionswerber die Tatbestandsvoraussetzung des § 88 Abs. 2a FPG nicht in der Lage zu sein, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen nicht erfülle. Der Revisionswerber sei im Besitz eines syrischen Personalausweises und sei ihm eine Vorsprache bei der syrischen Botschaft in Wien zumutbar. Die Einberufung des Revisionswerbers zum „Militär-Reservedienst“ sei nicht nachvollziehbar, da er bereits 40 Jahre alt sei, sich seit 2013 in Jordanien aufgehalten habe und nicht zur Gruppe der gut ausgebildeten Soldaten zähle, die für einen Reservedienst herangezogen würden.
5 In der dagegen erhobenen Beschwerde trat der Revisionswerber dieser Annahme des BFA unter Hinweis auf eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23. November 2017 zur „Ausstellung eines syrischen Reisepasses an der syrischen Botschaft in Wien“ entgegen, aus der hervorgehe, dass ein syrischer Staatsangehöriger mit einem Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses den syrischen Staat vom eigenen Aufenthalt in Österreich in Kenntnis bringen würde, was „unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen kann und somit nicht für jeden in Österreich aufhältigen Syrer eine Option darstellt“. Nachdem sich die Lage in Syrien gegenüber Regimegegnern verschärft habe und sich die Situation hinsichtlich Wehrdienstverweigerung und Schwierigkeiten beim Nachschub junger Rekruten sowie der Einstellung des syrischen Regimes gegenüber solchen Personen als dramatisch darstelle, sei zu befürchten, dass die in der Heimat verbliebenen Angehörigen des Revisionswerbers in den Blickpunkt der syrischen Behörden geraten und ihnen dadurch Schwierigkeiten oder Repressionen drohen könnten. Von daher stelle es für den Revisionswerber bzw. seine in Syrien verbliebenen Familienangehörigen ein Sicherheitsrisiko dar, wenn er sich zwecks Ausstellung eines Reisepasses an die syrische Botschaft wenden würde, sodass er nicht in der Lage sei, sich ein gültiges Reisedokument zu beschaffen. Vor allem aber auch weil er an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen habe und teilnehme, sei er dazu nicht in der Lage.
6 Mit Erkenntnis vom 31. August 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die vom Revisionswerber gegen den Bescheid des BFA vom 11. Jänner 2022 erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es insbesondere aus, der Revisionswerber sei in seiner Herkunftsregion schon deshalb nicht der Gefahr ausgesetzt zum Reservedienst eingezogen zu werden, da das syrische Regime keinen Zugriff auf das von Kurden kontrollierte Heimatgebiet des Revisionswerbers habe. Auch drohe ihm weder aufgrund der Asylantragstellung noch aufgrund der illegalen Ausreise, der Asylgewährung betreffend seine Brüder oder wegen seiner Demonstrationsteilnahmen eine Verfolgung durch das syrische Regime.
7Mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis vom selben Tag wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers betreffend den Bescheid vom 11. August 2022 gemäß § 88 Abs. 2a FPG ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
8 Das BVwG führte begründend soweit für den vorliegenden Revisionsfall von Interesse aus, dass der Revisionswerber über alle Voraussetzungen und notwendigen Unterlagen für die Ausstellung eines syrischen Reisepasses verfüge; insbesondere sei er im Besitz eines syrischen Personalausweises bzw. in der Lage, sich diesen Ausweis zu beschaffen. Es sei somit davon auszugehen, dass der Revisionswerber bei der syrischen Botschaft einen gültigen nationalen Reisepass erhalten könne. Ein ausreichend konkret belegter Grund dafür, dem Revisionswerber sei die Kontaktaufnahme mit der syrischen Botschaft in Wien nicht möglich oder unzumutbar, liege nicht vor. In diesem Zusammenhang verwies das BVwG unter anderem auf das zum oben genannten Asylverfahren ergangene Erkenntnis, mit welchem es unter Berücksichtigung von Länderberichten, insbesondere der Länderinformation der Staatendokumentation vom 17. Juli 2023 (Version 9)die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Versagung des Status des Asylberechtigten abgewiesen hatte. Demnach stehe fest, dass dem Revisionswerber in Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine ihn unmittelbar persönlich treffende asylrelevante Verfolgung iSd § 3 AsylG 2005 drohe. lm gegenständlichen Verfahren habe der Revisionswerber lediglich seine schon im Asylverfahren aufgestellten Verfolgungsbehauptungen wiederholt. Dieses Vorbringen sei bereits im abgeschlossenen Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz behandelt und als nicht asylrelevant beurteilt worden. Ein anderer Grund, aus welchem dem Revisionswerber eine oppositionell-politische Gesinnung unterstellt werden solle, sei nicht feststellbar. Im Zuge des Verfahrens hätten sich keine Hinweise für eine Verfolgung, weder gegen den Revisionswerber noch gegen seine Angehörigen in Syrien, ergeben. Die Kernfamilie des Revisionswerbers halte sich nach wie vor in Jordanien auf. Angesichts des Umstandes, dass weder im Asylverfahren noch im Zuge des aktuellen Verfahrens Hinweise auf eine Verfolgung des Revisionswerbers in Syrien aufgrund der illegalen Ausreise aus Syrien oder der Asylantragstellung in Österreich hervorgekommen seien oder dass dem Revisionswerber aus irgendeinem anderen Grund eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde, sei davon auszugehen, dass weder der Revisionswerber noch seine Angehörigen in Syrien aufgrund eines Ansuchens des Revisionswerbers um einen syrischen Reisepass bei der syrischen Botschaft in Wien einer Verfolgung ausgesetzt wären. Dafür, dass die syrische Vertretungsbehörde in Österreich den Revisionswerber als oppositionell ansehe und dadurch seine Angehörigen in Syrien ins Visier der syrischen Behörden geraten würden, fehlten jegliche Anhaltspunkte.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
10 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
12 Vorweg ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Beurteilung der (Un )Zumutbarkeit bzw. der faktischen (Un)Möglichkeit der Beschaffung eines gültigen Reisedokuments iSd § 88 Abs. 2a FPG eine einzelfallbezogene Beurteilung darstellt, die wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht erfolgreich mit Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG bekämpft werden kann (vgl. etwa VwGH 25.10.2023, Ra 2021/21/0353, Rn. 12, mwN).
13 Der Revisionswerber bringt in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zunächst vor, dass dem Erkenntnis keine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den Gefahren des Aufsuchens der syrischen Botschaft in Wien trotz Bestehens eines Einberufungsbefehls zu entnehmen sei.
14Dem ist jedoch schon entgegenzuhalten, dass der Revisionswerber erstmals in der Revision behauptet, dass ihm, da er der Einberufung zum Reservedienst im Jahr 2013 nicht nachgekommen sei, bereits im Falle der Vorsprache vor einer „syrischen Behörde“ (in Österreich) strafrechtliche Verfolgung und gegebenenfalls Verhaftung drohe. Damit steht der Beachtlichkeit dieses Vorbringens schon das in § 41 VwGG normierte Neuerungsverbot entgegen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch aus den in der Revision zitierten Länderinformationen nicht abzuleiten ist, dass dem Revisionswerber beim Aufsuchen der syrischen Botschaft in Wien die Festnahme drohen würde. Vielmehr thematisieren diese Berichte allfällige Gefahren, die Rückkehrer nach Syrien zu befürchten hätten, und enthalten generelle Aussagen zu möglicher Strafverfolgung in Syrien betreffend Wehrdienstverweigerung. Mit diesem lediglich pauschalen Verweis auf Länderberichte vermag der Revisionswerber somit auch nicht einen dem BVwG unterlaufenen relevanten Begründungs- oder Ermittlungsmangel aufzuzeigen.
15 Soweit in der Revision vorgebracht wird, dass dem Revisionswerber im Falle der Rückkehr [gemeint nach Syrien] „strafrechtliche Bestrafung bis hin zur Folter“ drohe, ist darauf hinzuweisen, dass das BVwG vorliegend zu beurteilen hatte, ob es dem Revisionswerber zumutbar ist, sich in Österreich an die syrische Botschaft zu wenden, und nicht, ob ihm eine Rückkehr nach Syrien zumutbar ist, zumal ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt.
16 Wenn der Revisionswerber eine mögliche Gefährdung seiner Angehörigen behauptet, ist darauf hinzuweisen, dass sich laut seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 26. Jänner 2023 seine Kernfamilie nicht in Syrien aufhält. Der Feststellung des BVwG, wonach in Syrien aufhältigen Verwandten des Revisionswerbers aufgrund seiner Kontaktaufnahme mit der syrischen Botschaft keine Gefährdung drohe, wird in der Revision mit dem bloß allgemein gehaltenen und keinen konkreten Bezug zum vorliegenden Fall herstellenden Verweis auf Länderberichte zudem nicht konkret entgegengetreten.
17 Mit seinem weiteren Vorbringen, dass gänzlich offen bleibe, ob die „vom BVwG im Asylverfahren angenommenen personenbezogenen Umstände“ nicht als Versagungsgründe für die Ausstellung eines Reisepasses herangezogen werden würden, entfernt sich der Revisionswerber von der mit der vorliegenden Revision nicht substantiiert bekämpften gegenteiligen Feststellung des BVwG, wonach davon auszugehen sei, dass der Revisionswerber bei der syrischen Botschaft einen gültigen Reisepass erhalten könne.
18 Wenn der Revisionswerber schließlich weitere Verfahrensmängel wie Ermittlungs , Feststellungs- und Begründungsmängelals Zulassungsgründe ins Treffen führt, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es nicht ausreicht in der Revision die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz des damit geltend gemachten Verfahrensmangels in konkreter Weise darzulegen (vgl. etwa VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0338, Rn. 10, mwN).
19 Diesen Anforderungen an eine Relevanzdarlegung wird der Revisionswerber mit dem bloßen Vorbringen, das BVwG habe ein Schreiben der syrischen Botschaft [betreffend die für die Ausstellung eines Reisepasses notwendigen Dokumente] „unhinterfragt“ als Feststellung dem Erkenntnis zugrunde gelegt und es sei dem Erkenntnis nicht nachvollziehbar zu entnehmen, wie mit Personen, die nicht legal ausgereist sind bzw. in Syrien von den Behörden gesucht werden, umgegangen werde, nicht gerecht. Selbiges gilt für die Behauptung, der Revisionswerber hätte sich nicht ausreichend auf die mündliche Beschwerdeverhandlung vorbereiten können, da als Gegenstand der Verhandlung lediglich der Bescheid betreffend das Asylverfahren angegeben gewesen sei.
20 Soweit in der Revision noch releviert wird, dass das BVwG keine Ermittlungen dahingehend getätigt habe, wer aktuell im Besitz des syrischen Personalausweises des Revisionswerbers sei und ob damit eine Beschaffung überhaupt möglich wäre, ist auf die Feststellung des BVwG zu verweisen, wonach der Revisionswerber im Besitz seines Personalausweises sei bzw. er in der Lage sei, sich diesen zu beschaffen. Abgesehen davon, dass dieser Feststellung in der Revision nicht substantiiert entgegengetreten wird, hat der Revisionswerber die diesbezüglichen Feststellungen im Bescheid des BFA in seiner Beschwerde auch nicht beanstandet. Für das BVwG bestand somit keine Veranlassung dahingehend weitergehende Ermittlungsschritte zu setzen.
21 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 25. November 2025
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