Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel, den Hofrat Dr. Horvath und die Hofrätin Dr. in Oswald als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2022, W217 2258519 1/7E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (Mitbeteiligter: H E), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
1 Der im Jahr 1976 geborene Mitbeteiligte stammt aus Syrien. Er stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 25. November 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab, soweit der Mitbeteiligte damit die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begehrt hatte. Allerdings wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm infolge dessen nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte mit der Gültigkeit für ein Jahr erteilt.
3 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid insoweit Beschwerde, als ihm die Gewährung von Asyl versagt blieb. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung der Beschwerde Folge, erkannte dem Mitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten zu und stellte gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 In der Begründung ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Mitbeteiligte den Militärdienst in Syrien nicht abgeleistet habe. Er sei zwar nicht mehr im wehrpflichtigen Alter, habe aber nicht innerhalb von drei Monaten „nach Erreichen des Alterslimits von 42 Jahren“ eine „Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in syrischen Pfund“ geleistet.
5 Die syrische Regierung betrachte Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen terroristische Bedrohungen zu schützen. Auch die Ausreise und eine dadurch bewirkte Entziehung von der Ableistung des Wehrdienstes werde vom syrischen Regime als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen.
6 „Vor dem Hintergrund der vom BFA getroffenen Länderfeststellungen sowie des als glaubwürdig befundenen Vorbringens“ sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte im Fall der Rückkehr nach Syrien „mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit für eine Asylgewährung hinreichend intensive Verfolgung durch staatliche Organe zu befürchten hätte“.
7 Das Bundesverwaltungsgericht traf Feststellungen zur Situation in Syrien, die sich (unter anderem) auf den dortigen Wehrdienst sowie die „Befreiung, Aufschub, Befreiungsgebühren, Strafen bei Erreichung des 43. Lebensjahrs ohne Ableistung des Wehrdiensts“ beziehen.
8 In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe von (insbesondere sich auf die Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung beziehenden) Rechtssätzen aus der Judikatur zum konkret von ihm zu entscheidenden Fall (lediglich) aus, es könne vor dem Hintergrund der aktuellen Verhältnisse in Syrien nicht ausgeschlossen werden, dass der Mitbeteiligte „im Fall seiner Rückkehr nach Syrien einer Verfolgung und Inhaftierung durch staatliche Stellen ausgesetzt wäre“. „Die hinreichende Intensität solcher Verfolgungshandlungen“ bedürfe „aufgrund der derzeitigen Situation, die von einer Vielzahl schwerer Menschenrechtsverletzungen geprägt“ sei, keiner weiteren Begründung.
9 Den Ausspruch über die Nichtzulassung der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht bloß mit der Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG.
10 Gegen diese Entscheidung wendet sich die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobene Revision, die vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Vom Verwaltungsgerichtshof wurde das Vorverfahren eingeleitet. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
12 Die Revision ist aufgrund des Vorbringens, der rechtlich vom Bundesverwaltungsgericht gezogene Schluss lasse sich aus den von ihm getroffenen Feststellungen nicht ableiten, zulässig und begründet.
13 § 2 und § 3 AsylG 2005 lauten (auszugsweise und samt Überschrift):
„Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. ...
...
9. die Statusrichtlinie: die Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9;
10. ...
11. Verfolgung: jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie;
12. ...
...
...
Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) ...
...
(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.“
14 Art 9 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung), im Weiteren: Statusrichtlinie, sieht vor:
„Artikel 9
Verfolgungshandlungen
(1) Um als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention zu gelten, muss eine Handlung
a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder
b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne von Absatz 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und
f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Gemäß Artikel 2 Buchstabe d muss eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Gründen und den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen.“
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
16 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. VwGH 2.2.2023, Ro 2022/18/0002, mwN).
17 Für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt es nicht bloß auf die tatsächliche politische Gesinnung an, auch die seitens der Verfolger dem Asylwerber unterstellte politische Gesinnung ist asylrechtlich relevant (vgl. auch dazu VwGH Ro 2022/18/0002, mwN).
18 Im Fall der Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Strafjustiz im Herkunftsstaat bedarf es einer Abgrenzung zwischen der legitimen Strafverfolgung („prosecution“) einerseits und der Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK („persecution“) andererseits. Keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist im Allgemeinen in der staatlichen Strafverfolgung zu erblicken. Allerdings kann auch die Anwendung einer durch Gesetz für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleich treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen „Verfolgung“ im Sinn der GFK aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt (vgl. nochmals VwGH Ro 2022/18/0002).
19 Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung im Sinne der GFK gleichkommt, kommt es somit entscheidend auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an (vgl. wiederum VwGH Ro 2022/18/0002, mwN).
20 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen (vgl. dazu nochmals VwGH Ro 2020/19/0001, mwN). Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. dazu nochmals VwGH Ro 2020/19/0001, mwN).
21 Das Bundesverwaltungsgericht kam im vorliegenden Fall zum Schluss, dass dem Mitbeteiligten der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen sei, weil er in Syrien als Wehrdienstverweigerer eingestuft werde, ihm deswegen seitens syrischer Behörden eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde und es aufgrund dessen nicht ausgeschlossen werden könne, dass er im Herkunftsstaat Verfolgungshandlungen in asylrechtlich relevanter Intensität zu gewärtigen habe.
22 Dies lässt sich allerdings anhand der vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen anders als der Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung, in der er ausschließlich Auszüge aus Länderberichten und nicht ihn betreffenden Entscheidungen wiedergibt, meint nicht ableiten.
23 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht verkannt hat, dass es für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht hinreichend ist, dass eine etwaige Verfolgung bloß nicht ausgeschlossen werden kann. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung ist es erforderlich, dass eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. dazu etwa auch VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mwN). Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Feststellungen und der Beweiswürdigung dort jeweils ohne nähere Begründung von einer „mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit“ bestehenden Verfolgung spricht, geht aus den rechtlichen Erwägungen deutlich hervor, dass das Verwaltungsgericht die Beurteilung nicht anhand dieses Maßstabes vorgenommen hat.
24 Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass der Mitbeteiligte, der seinen Wehrdienst in Syrien nicht abgeleistet habe, mittlerweile 47 Jahre alt sei und sich nicht mehr im wehrpflichtigen Alter befinde. Er habe jedoch die nach syrischem Recht von im Ausland lebenden Syrern, die ihren Wehrdienst nicht absolviert hätten, zu zahlende Kompensation nicht geleistet.
25 Dass jene Personen, die im Ausland leben und der Zahlung der von ihnen zu leistenden Kompensation für das Nichtabsolvieren des Militärdienstes (noch) nicht nachgekommen sind, von den syrischen Behörden als Wehrdienstverweigerer angesehen würden, ergibt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen allerdings nicht. Vor diesem Hintergrund gehen auch die in der Revisionsbeantwortung enthaltenen Zitate, die sich auf die Folgen von Wehrdienstverweigerung und Desertion beziehen, am hier maßgeblichen Thema vorbei.
26 Den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Konsequenzen, die jenen Personen drohen, die den Vorschriften über die angesprochene Kompensationszahlung deren Ausmaß im vorliegenden Fall nach den Feststellungen US $ 8.000, beträgt nicht entsprochen haben, ist aber auch nicht zu entnehmen, dass sie solche Sanktionen zu gewärtigen hätten, dass schon daraus ohne Weiteres ableitbar wäre, es würde diesen jede Verhältnismäßigkeit fehlen und es sollte damit eine wenn auch nur unterstellte oppositionelle Gesinnung einer Bestrafung zugeführt werden. Die Sanktionen bestehen nach den Feststellungen nämlich in der Möglichkeit, Vermögenswerte des Betroffenen und seiner Familie zu beschlagnahmen sowie in einer einjährigen Haftstrafe. Dass diese Beschlagnahmen regelmäßig in einer solch unverhältnismäßigen Höhe stattfänden, dass daraus abgeleitet werden könnte, es würde generell allen im Ausland aufhältigen, nicht mehr wehrpflichtigen Syrern, die zuvor ihren Wehrdienst nicht abgeleistet hatten, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt, hat das Bundesverwaltungsgericht nicht festgestellt. Es ist den Feststellungen weiters nicht zu entnehmen, dass es individuell den Mitbeteiligten betreffende Gründe gäbe, wonach die bislang unterbliebene Kompensationszahlung als Anknüpfungspunkt für eine ihm unterstellte oppositionelle Gesinnung herangezogen würde, um gegen ihn unverhältnismäßige Sanktionen zu ergreifen. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht auch nicht festgestellt, dass es dem Mitbeteiligten nach dem syrischen Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht (mehr) möglich gewesen wäre, die Kompensationszahlung zu leisten, um überhaupt Rechtsfolgen wegen der Nichtzahlung abzuwenden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass für sich genommen weder das Verlangen eines Staates auf finanzielle Kompensation für das Nichtableisten des Wehrdienstes noch staatliche Handlungen, die darauf abzielen, eine finanzielle Schuld, deren Begleichung nicht vorgenommen wurde, durch Zugriff auf Vermögenswerte des Verpflichteten hereinzubringen, als Verfolgungshandlungen im Sinn des Art. 9 Statusrichtlinie, auf den die Legaldefinition des Begriffs „Verfolgung“ in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 verweist, anzusehen sind.
Ebenso kann anhand der Feststellungen nicht gesagt werden, dass die wegen des Unterbleibens der Kompensationszahlung vorgesehene Möglichkeit der Verhängung einer einjährigen Haftstrafe für sich genommen als Verfolgung anzusehen wäre. Dass einer solchen Haftstrafe als strafrechtliche und nach den Feststellungen im Fall des Zuwiderhandelns gegen die angesprochene staatliche Vorschrift jeden syrischen Staatsangehörigen gleichermaßen treffende Sanktion für das Unterbleiben der im Gegenzug für das Nichtableisten des Wehrdienstes vorgesehenen Kompensationszahlung jede Verhältnismäßigkeit fehlte und die Verhängung etwa wegen der politischen oder religiösen Überzeugungen des Mitbeteiligten erfolgen würde, kann aus den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen gleichfalls nicht abgeleitet werden.
27 Das Bundesverwaltungsgericht hat somit die Rechtslage verkannt, wenn es davon ausgeht, aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen sei dem Mitbeteiligten der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Das angefochtene Erkenntnis war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 28. März 2023
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