Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie den Hofrat Dr. Lukasser und die Hofrätin Mag. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des Ing. B W, vertreten durch die Metzler Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 6. September 2023, Zl. LVwG 552585/7/KLe/HK, betreffend Rodungsbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck; mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, vertreten durch die Saxinger Rechtsanwalts GmbH in Linz), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
11.1. Mit Bescheid vom 28. März 2023 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei aufgrund deren Antrags vom 3. Februar 2023 gemäß §§ 17 und 18 Forstgesetz 1975 (ForstG) unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen die Bewilligung, zum Zweck der Errichtung eines Geh und Radweges entlang einer bestimmten Straße auf einem näher bezeichneten Waldgrundstück eine Fläche im Ausmaß von 1.677 m 2 dauernd und eine Fläche im Ausmaß von 3.435 m 2 befristet zu roden.
2 1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber als Eigentümer eines an die Rodungsfläche angrenzenden Waldgrundstückes Beschwerde.
3 Darin brachte der Revisionswerber (unter anderem) vor, die verfahrensgegenständliche Rodung würde sein Waldgrundstück in vielerlei Hinsicht beeinträchtigen, etwa durch eine empfindliche Störung des Wasserhaushaltes. Als Eigentümer des angrenzenden Waldgrundstückes komme dem Revisionswerber ein Interesse „an der Hintanhaltung nachteiliger Auswirkungen auf diesen Wald“ zu. Die subjektiv öffentlichen Rechte des Revisionswerbers erstreckten sich „nicht auf den Deckungsschutz alleine, sondern auch auf den Umstand, dass durch die Rodung selbst eine Hangsicherung“ verloren gehe; diese Einwendungen bezögen sich „auf den Schutz des angrenzenden Waldes“ des Revisionswerbers und stellten „keine Bezugnahme auf andere (öffentliche) Interessen dar“.
4 Bei einer Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 17. Juli 2023 legte der Revisionswerber ein von ihm eingeholtes Privatgutachten vor, dem zufolge die für die Rodung vorgesehene Waldfläche (unter anderem) dem Hang- und Bodenschutz diene. In der Verhandlung berief sich der Revisionswerber unter Bezugnahme auf das Privatgutachten (auch) auf eine „besondere Schutzfunktion“ („Erosionsschutz“) der angrenzenden Waldfläche und behauptete einen Nachteil für seinen Waldbestand (u.a.) im Zusammenhang mit der Erosion des Bodens.
5 1.3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. September 2023 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde des Revisionswerbers ab, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zuließ.
6 Das Verwaltungsgericht führte zur Begründung seiner Entscheidung zunächst aus, die Errichtung des projektierten Geh- und Radweges liege im öffentlichen Interesse („öffentlicher Straßenverkehr“). Kombinierte Geh- und Radwege böten grundsätzlich eine „sichere und attraktive Benützungsfläche für diese Zielgruppe“. Durch die Trennung vom motorisierten Verkehr werde ein wesentlicher Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit geleistet; es sei eine Verbesserung des Verkehrsflusses für Kraftfahrzeuge auf der Fahrbahn zu erwarten.
7 Der auf historischen Orthofotos auf den antragsgegenständlichen Flächen erkennbare, stockende forstliche Bewuchs aus diversen Laubbaumarten sei im Dezember 2019 genutzt und auf Stock gesetzt worden; derzeit stockten auf der zur Rodung beantragten Fläche Laubgehölze der 1. Altersklasse, welche keinen Deckungsschutz böten.
8Nach Wiedergabe maßgeblicher Bestimmungen des ForstG führte das Verwaltungsgericht - soweit für die vorliegende Revisionsentscheidung von Belang - aus, diese sähen im Rodungsverfahren die Parteistellung des Eigentümers eines angrenzenden Waldgrundstückes vor. Diesem komme ein subjektives Recht, das er als Partei des Verfahrens geltend machen könne, jedoch nur insoweit zu, als es um den Schutz seines Waldes vor nachteiligen Einwirkungen gehe, die durch die Rodung hervorgerufen würden. Es sei ihm daher verwehrt, eine Beeinträchtigung anderer als der mit seinem Wald im Zusammenhang stehenden öffentlichen Interessen geltend zu machen (Hinweis auf VwGH 3.10.2008, 2008/10/0196, sowie 24.11.2003, 2002/10/0058).
9Näher wiedergegebene vom Revisionswerber unterbreitete Vorbringen (darunter etwa zu der Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 ForstG) seien von dessen „eingeschränktem Mitspracherecht als Eigentümer eines angrenzenden Waldgrundstückes nicht umfasst“; angesichts der festgestellten derzeitigen Bestockung der Rodungsfläche (bloß) mit Laubgehölzen der 1. Altersklasse sei „keine offenbare Windgefährdung durch die Rodung zu erwarten“.
10 Das Vorbringen des Revisionswerbers sei daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der (von der belangten Behörde erteilten) Rodungsbewilligung aufzuzeigen.
11 Eine Auseinandersetzung mit dem (oben unter Rz 3 und 4) erwähnten Vorbringen des Revisionswerbers zu einer Gefährdung seines an die Rodungsfläche angrenzenden Waldes durch eine Erosion des Bodens infolge der beantragten Rodung ist dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen.
12 1.4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
13 Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben jeweils eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der jeweils die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
142. Für den Revisionsfall sind folgende Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 (ForstG), BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 56/2016, in den Blick zu nehmen:
„ Waldbehandlung entlang der Eigentumsgrenzen
§ 14. [...]
(2) Jeder Waldeigentümer hat Fällungen entlang seiner Eigentumsgrenzen in einer Entfernung von weniger als 40 Metern zu unterlassen, wenn durch die Fällung nachbarlicher Wald einer offenbaren Windgefährdung ausgesetzt würde (Deckungsschutz).
(3) Der Deckungsschutz ist jedem Eigentümer des angrenzenden Waldes sowie den Eigentümern etwaiger an diesen angrenzender Wälder zu gewähren, sofern die jeweilige Entfernung von der Eigentumsgrenze des zum Deckungsschutz Verpflichteten weniger als 40 Meter beträgt; allfällige zwischen den Waldflächen liegende, unter § 1a Abs. 1 nicht fallende Grundflächen von weniger als 10 Meter Breite sind hiebei nicht einzurechnen.
[...]
Rodung
§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.
(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.
(3) Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.
(4) Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung im Sinne des Abs. 3 sind insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- oder öffentlichen Straßenverkehr, im Post- oder öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung, im Siedlungswesen oder im Naturschutz.
[...]
Rodungsverfahren
§ 19 . [...]
(4) Parteien im Sinne des § 8 AVG sind:
[...]
4. der Eigentümer und der dinglich Berechtigte der an die zur Rodung beantragten Waldfläche angrenzenden Waldflächen, wobei § 14 Abs. 3 zweiter Halbsatz zu berücksichtigen ist, und
[...]“
15 3. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision (unter anderem) vor, das Verwaltungsgericht sei entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „auf die Themen Bodenschutz, Hangsicherung und Erosionsschutz nicht eingegangen“; durch nachteilige Auswirkungen in diesem Zusammenhang gehe „ua die Stütze für den Waldbestand des Revisionswerbers verloren“. Dem Revisionswerber komme „dahingehend auch ein entsprechendes subjektives Recht zu“, welches das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen und verletzt habe (dazu Hinweis auf bei Brawenz/Kind/Wieser, ForstG 4 , zu § 19 zitierte Rechtsprechung).
16 Mit Blick auf dieses Vorbringen ist die Revision zulässig; sie erweist sich auch als begründet.
174. Nach der vom Revisionswerber ins Treffen geführten hg. Rechtsprechung (VwGH 6.4.1987, 87/10/0039 = VwSlg. 12.435 A) „gibt § 19 Abs. 4 lit. d [nunmehr: Z 4] ForstG dem Eigentümer des Nachbarwaldes [...] die rechtliche Möglichkeit, sein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz seines Waldes vor durch die Rodung hervorgerufenen nachteiligen Einwirkungen durchzusetzen“.
18In diesem Sinn hat der Revisionswerber - als Eigentümer eines an die Rodungsfläche angrenzenden Waldgrundstückes iSd § 19 Abs. 4 Z 4 ForstG in dem vom Verwaltungsgericht zu erledigenden Beschwerdeverfahren (auch) eine Gefährdung seines an die Rodungsfläche angrenzenden Waldes durch eine Erosion des Bodens infolge der beantragten Rodung vorgebracht.
19Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Erkenntnis zwar zunächst zutreffend die hg. Rechtsprechung zur Parteistellung des Eigentümers eines angrenzenden Waldgrundstückes nach § 19 Abs. 4 Z 4 ForstG wiedergegeben (vgl. oben Rz 8), wonach diesem ein subjektives Recht, das er im Rodungsverfahren geltend machen kann, (nur) insoweit zukommt, als es um den Schutz seines Waldes vor nachteiligen Einwirkungen geht, die durch die Rodung hervorgerufen werden.
20 Im Weiteren hat sich das Verwaltungsgericht mit dem unter diesem Gesichtspunkt zulässigen Vorbringen des Revisionswerbers allerdings lediglich unter dem Gesichtspunkt einer behaupteten Beeinträchtigung des Deckungsschutzes infolge der Rodung (vgl. dazu § 14 Abs. 2 und 3 ForstG sowie etwa VwGH 3.11.2008, 2005/10/0208, mwN) befasst.
21Mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu einer Gefährdung seines an die Rodungsfläche angrenzenden Waldes durch eine Erosion des Bodens infolge der beantragten Rodung hat sich das Verwaltungsgericht überhaupt nicht auseinandergesetzt. Es ist allerdings nicht ersichtlich, weshalb ein derartiges Vorbringen (von vornherein) nicht von dem Mitspracherecht des Revisionswerbers als Eigentümer eines angrenzenden Waldgrundstückes nach § 19 Abs. 4 Z 4 ForstG (vgl. etwa VwGH 3.10.2008, 2008/10/0196) umfasst wäre.
225. Da das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
23Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. September 2025
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