Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der C GmbH Co KG, vertreten durch Dr. Martin Löffler, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. September 2023, Zl. W252 2249968 1/8E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; mitbeteiligte Partei: K P, vertreten durch die Raffling Tenschert Lassl Griesbacher Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz) den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2021 gab die belangte Behörde der von der Mitbeteiligten - unter anderem - gegen die Revisionswerberin erhobenen Datenschutzbeschwerde statt und stellte eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wegen des Einsatzes einer unzulässigen Bildverarbeitung mittels Videoüberwachung fest.
2 2.1. Das Verwaltungsgericht gab - soweit hier von Relevanz - der von der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde nicht Folge und sprach aus, es werde festgestellt, dass die Revisionswerberin die Mitbeteiligte durch den Einsatz einer unzulässigen Bildverarbeitung mittels Videoüberwachung in der Zeit vom 9. September 2018 bis zum 5. März 2019 in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt habe.
3 Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 2.2. In seiner Begründung traf das Verwaltungsgericht die Feststellungen, die Mitbeteiligte sei zum Zeitpunkt der Videoüberwachung Mieterin einer bestimmten Wohnung in einem im Eigentum der Revisionswerberin stehenden Haus gewesen. Die Revisionswerberin habe als Eigentümerin des betreffenden Hauses und Vermieterin mehrere Gerichtsverfahren gegen die Mitbeteiligte geführt, darunter auch ein mietrechtliches Aufkündigungsverfahren. Die Revisionswerberin habe einen Berufsdetektiv mit der Videoüberwachung des Haustores sowie der Wohnungstüre der Mitbeteiligten beauftragt, wobei die Art der Beweismittelbeschaffung besprochen worden sei und sich die Revisionswerberin mit dem Berufsdetektiv auf eine Videoüberwachung geeinigt habe. Die Installation der Kamera sei im Auftrag der Revisionswerberin erfolgt. Die Wohnungstüre der Mitbeteiligten sei vom 15. September 2018 bis zum 5. März 2019 gefilmt worden. Die Mitbeteiligte habe am 16. September 2018 in ihrer Wohnung übernachtet. Zumindest im Zeitraum vom 10. bis 21. September 2018 habe die Mitbeteiligte täglich ihre Wohnung aufgesucht.
5 Die Mitbeteiligte habe auf Nachfrage der Hausverwaltung angegeben, dass keine Bauarbeiten in ihrer Wohnung stattfänden. Die Mitbeteiligte habe von August bis November 2018 Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung durchgeführt. Am 11. September 2018 hätten Mitarbeiter des von der Revisionswerberin engagierten Berufsdetektivs im Auftrag der Revisionswerberin die Wohnung der Mitbeteiligte betreten, um sich darin umzusehen. Eine über der Mitbeteiligten wohnende Mieterin habe gegenüber der Revisionswerberin angegeben, Angst vor der Mitbeteiligten zu haben. Nach Beginn der Videoüberwachung sei es zu diversen Zwischenfällen gekommen. Es habe ferner ein Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Mitbeteiligten und Mitarbeitern des Berufsdetektivs und ein weiteres im Zusammenhang mit einem von der Revisionswerberin beauftragten Baumeister stattgefunden.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die Verarbeitung personenbezogener Daten sei der Rechtsprechung des EuGH zufolge unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig, nämlich bei Vorliegen eines berechtigten Interesses durch den für die Verarbeitung Verantwortlichen oder den bzw. die Dritten, denen die Daten übermittelt werden, bei Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses und wenn die Grundrechte und Grundfreiheiten der vom Datenschutz betroffenen Person das wahrgenommene berechtigte Interesse nicht überwiegen würden. Eigentumsschutz und der Schutz anderer Mieter könnten berechtigte Interessen iSd Art. 6 Abs. 1 lit f DSGVO für eine Videoüberwachung darstellen. Das berechtigte Interesse hinsichtlich des Eigentumsschutzes bezüglich der Renovierungsarbeiten sei allerdings als äußerst gering einzuschätzen, da wie auch das Bezirksgericht Josefstadt bereits ausgeführt habe die betreffenden Arbeiten keiner Bauanzeige, keiner Baubewilligung und auch nicht der Genehmigung durch den Hauseigentümer bedurft hätten. Die Zulässigkeit einer derart intensiven und langen Überwachung sei daher bereits aus diesem Grund zweifelhaft.
7 Hinsichtlich der Beweismittelsammlung durch die Revisionswerberin betreffend behauptete Schwarzarbeit sei dieser entgegenzuhalten, dass eine derart umfassende und lückenlose Videoüberwachung der Wohnungstüre jedenfalls nicht Aufgabe der Revisionswerberin als Vermieterin sei, sondern dies allenfalls den zur Strafverfolgung befugten Behörden nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen obliege. Diesbezüglich würden jedenfalls die Grundrechte und Grundfreiheiten der Mitbeteiligte überwiegen. An dieser Sichtweise ändere das Vorbringen der Revisionswerberin, die Mitbeteiligte hätte zum Zeitpunkt der Überwachung nicht in der Wohnung gewohnt, nichts. Die Mitbeteiligte sei nämlich im Überwachungszeitraum mehrfach beim Betreten und Verlassen der Wohnung gefilmt worden und habe auch in der Wohnung übernachtet. Zudem könne eine bloß vorübergehend vermehrte Abwesenheit vom Wohnort während Bauarbeiten nicht dazu führen, diesem Ort die Eigenschaft eines höchstpersönlichen Privatbereichs abzusprechen.
8 Die Erforderlichkeit der Videoüberwachung sei im Hinblick auf den Eigentumsschutz nicht gegeben, da die von der Revisionswerberin vorgebrachten Bauarbeiten in der Wohnung der Mitbeteiligten auch ohne die Zuhilfenahme einer Videoüberwachung dokumentierbar gewesen seien.
9 Zudem sei die Videoüberwachung der Außenseite der Wohnungstüre ungeeignet (und somit nicht erheblich) um festzustellen, welche Bauarbeiten in der Wohnung der Mitbeteiligten stattfänden bzw. um zu prüfen, ob eine Gefährdung der Bausubstanz vorliege. Selbst die von der Revisionswerberin vorgebrachten Beschädigungen/Verschmutzungen in Lift und Stiegenhaus ließen sich mit dem von der Revisionswerberin gewählten Aufnahmebereich nicht dokumentieren,
10 Die von der Revisionswerberin angeführten Probleme mit der Mitbeteiligten nach Beginn der Videoüberwachung könnten diese nicht nachträglich rechtfertigen, da Rechtfertigungsgründe bereits ex ante vorliegen müssten. Selbst wenn man vom Vorliegen eines berechtigten Interesses bzw. einer Eignung der Überwachung ausginge, wäre diese nicht auf das absolut Notwendigste beschränkt. Die beinahe sechs Monate andauernde Überwachung der Wohnungstüre der Mitbeteiligte stünde in keinem Verhältnis zu den von der Revisionswerberin vorgebrachten Interessen. Gerade im Hinblick auf die Bauarbeiten, welche bereits im November 2018 nahezu beendet gewesen seien, sei die Überwachungsdauer jedenfalls zu lange. Die Revisionswerberin habe auch nicht geprüft, ob eine Überwachung tagsüber, also zu Zeiten, in denen Bauarbeiten normalerweise stattfänden, ausreichend gewesen wäre. Insofern hätte die Revisionswerberin die Videoüberwachung zu Abend und Nachtzeiten jedenfalls abschalten müssen.
11 Sofern die Revisionswerberin Beschwerden anderer Mieter über Störungen durch Lärmerregung ins Treffen führe, so stünden diesbezüglich gelindere Mittel, wie ein Lärm- bzw. Schallpegelmessgerät, zur Verfügung. Das Vorbringen der Revisionswerberin betreffend die Notwendigkeit eines vorbeugenden Schutzes von Personen und Sachen gehe ins Leere, weil eine verdeckte Überwachungskamera keinerlei vorbeugende Wirkung erziele.
12 Bereits aus diesen Gründen sei die verfahrensgegenständliche Videoüberwachung mangels berechtigten Interesses (hinsichtlich der Schwarzarbeit) und mangels Erforderlichkeit (ungeeignete Wahl der Mittel, keine Beschränkung auf das notwendige Maß) unzulässig. Insofern erübrige sich die Vornahme einer Interessenabwägung. Ein anderer Rechtfertigungstatbestand des Art. 6 DSGVO komme nicht in Frage. Die Revisionswerberin habe die Mitbeteiligte daher in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt.
13 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.
14 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
16Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
174.1. Die Revision bringt im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung vor, es liege keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Videoüberwachungen im Zusammenhang mit der DSGVO und dem DSG vor. Einer derartigen Judikatur komme aber gerade vor dem Hintergrund immer häufigerer Videoüberwachungen (auch und gerade im privaten Bereich) grundsätzliche Bedeutung zu.
18 Eine konkrete Rechtsfrage stellt die Revision nicht dar.
19Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des VwGH führt jedoch nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision. Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 17.6.2021, Ra 2020/04/01130120, Rn. 20, oder VwGH 16.11.2023, Ra 2021/06/0160, Rn. 10, jeweils mwN).
20Das allgemeine Vorbringen, es fehle Rechtsprechung zur Videoüberwachung im Zusammenhang mit der DSGVO bzw. dem DSG, vermag demzufolge die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen.
21 4.2. Ferner bringt die Revision vor, weder die DSB noch das Bundesverwaltungsgericht hätten festgestellt, ob eine Rückführbarkeit bei der Erfassung der Daten bestehe. Sei dies nämlich nicht gegeben, so scheide gemäß § 1 Abs. 1 DSG und Art. 4 Z 1 DSGVO schon aus diesem Grund das schutzwürdige Interesse für das Recht auf Geheimhaltung aus, weil mangels Identifizierbarkeit keine „personenbezogenen Daten“ im Sinne der DSGVO vorlägen.
22 Abgesehen davon, dass die Revision hier negiert, dass das Verwaltungsgericht insofern unbekämpft davon ausgeht, die Mitbeteiligte sei im Überwachungszeitraum mehrfach beim Betreten und Verlassen der Wohnung gefilmt worden, übersieht sie, dass unter den personenbezogenen Daten jedenfalls die der Privatsphäre der Mitbeteiligten zuzurechnenden Informationen, die durch die Videoaufnahmen erlangt werden konnten, gehörten, weil diese unstrittig den Eingangsbereich der Wohnung der Mitbeteiligten betrafen. Die ermittelten Daten konnten der Mitbeteiligten auch zweifelsfrei wegen der Zuordenbarkeit der Wohnungstüre zugerechnet werden, weshalb es sich um personenbezogene Daten handelte, die sich auf eine identifizierbare Person beziehen. Die Mitbeteiligte ist daher in diesem Zusammenhang als betroffene Person im Sinne des Art. 4 Z 1 DSGVO anzusehen (vgl. hierzu RISJustiz RS0120422). Darauf, ob die Mitbeteiligte selbst auf den Videoaufnahmen erkennbar war, kommt es sohin fallbezogen nicht an.
234.3. Weiter bringt die Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht habe im angefochtenen Erkenntnis §§ 12 und 13 DSG unbeachtet gelassen und nicht dazu Stellung genommen, ob eine Zulässigkeit der Bildaufnahme gemäß § 12 DSG vorliege. Das Bundesverwaltungsgericht gehe offensichtlich davon aus, dass für die Anwendung von §§ 12 und 13 DSG neben der DSGVO kein Raum bestehe. Jedenfalls habe sich das Bundesverwaltungsgericht nicht mit den Bestimmungen im DSG zur Videoüberwachung auseinandergesetzt. Es bestehe keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die §§ 12 und 13 DSG einen Anwendungsraum neben der DSGVO hätten bzw. ob bei Videoüberwachungen die Voraussetzungen der §§ 12 und 13 DSG von der zuständigen Behörde zu prüfen seien.
24 Die Revision zeigt mit diesem Vorbringen schon deshalb keine Rechtsfrage auf, von deren Lösung die Entscheidung im vorliegenden Fall abhängt, weil sie nicht darlegt, inwiefern die Anwendung der von ihr ins Treffen geführten Bestimmungen zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Zudem ist nicht ersichtlich, wie angesichts des Vorrangs der unionsrechtlichen Bestimmungen der DSGVO in deren hier unstrittig gegebenemAnwendungsbereich die Auslegung der von der Revision vorgebrachten Bestimmungen des DSG fallbezogen zu einem anderen Ergebnis führen könnten.
25 4.4. Die Revision moniert das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht. In einer solchen hätte insbesondere durch die beantragte Einvernahme des Geschäftsführers der Revisionswerberin dargelegt werden können, dass von der Mitbeteiligten ein hohes Maß an Gefährlichkeit ausgegangen sei, und es hätte auch erörtert werden können und müssen, ob eine Identifizierbarkeit aufgenommener Personen möglich sei. Weiters hätte in einer mündlichen Verhandlung durch die beantragte Einvernahme des Geschäftsführers der Revisionswerberin auch erörtert werden können und müssen, dass die Wohnung von der Mitbeteiligten vollkommen devastiert worden sei und der Revisionswerberin dadurch ein Schaden in Höhe eines sechsstelligen Betrages entstanden sei. Dies wäre auch für die Interessenabwägung relevant gewesen.
26Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage betreffend die unstrittige Identifizierbarkeit der betroffenen Person, der in der Zulässigkeitsbegründung nicht in Frage gestellten Ungeeignetheit der Videoüberwachung als Prävention für die vorgebrachte Gefährlichkeit und der Negierung der Begründung des Verwaltungsgerichts, das ausführte, dass es zu keiner Interessenabwägung komme, weil die vorab zu prüfenden Voraussetzungen für die Rechtfertigung der Videoüberwachung fehlten, gelingt es der Revision nicht, aufzuzeigen, inwiefern das Verwaltungsgericht von den Leitlinien betreffend die mögliche Unterlassung der mündlichen Verhandlung abgewichen wäre.
27 4.5. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. September 2025
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