Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Senatspräsidentin Dr. Pollak und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision der Niederösterreichischen Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 27. September 2022, Zl. LVwG AV 302/001 2020, betreffend eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Grundverkehrsbehörde Bruck an der Leitha; mitbeteiligte Partei: C KG in B, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof und Dr. Damian GmbH in 1060 Wien, Linke Wienzeile 4), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1Mit dem angefochtenen Erkenntnis erteilte das Verwaltungsgericht dem ein näher bezeichnetes forstwirtschaftliches Grundstück betreffenden Kaufvertrag vom 7. Dezember 2018, abgeschlossen zwischen MZ als Veräußerer und der Mitbeteiligten als Erwerberin, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Gleichzeitig erklärte es gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision für nicht zulässig.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der zwischen MZ und der Mitbeteiligten, einer juristischen Person, vereinbarte Kaufpreis für das 36.588 m² große Waldgrundstück betrage € 55.000, . Das ermittelte Preisband für die Liegenschaft liege zwischen € 0,60 und € 1,80 je m 2 . Zwei Landwirte hätten im Verfahren ihr Kaufinteresse angemeldet und durch die Vorlage von Sparbüchern mit zum Teil weit über dem Kaufpreis liegenden Einlagen nachgewiesen, dass sie in der Lage seien, den ortsüblichen Preis zu bezahlen. Beide hätten jedoch in der mündlichen Verhandlung in Kenntnis des im Beschwerdeverfahren eingeholten Gutachtens des Amtssachverständigen für Forsttechnik erklärt, maximal einen Betrag von € 25.977,48 (€ 0,71 je m 2 ) als ortsüblich anzusehen und bezahlen zu wollen. Sie hätten mehrmals und trotz Belehrung über die Rechtsfolgen betont, dass sie zur Bezahlung eines höheren Preises nicht bereit seien.
3 Das Gutachten des Amtssachverständigen für Forsttechnik laute wie folgt:
„Nach Prüfung der Bewertungsunterlagen wird festgehalten, dass es im gegenständlichen Fall ausreichend Vergleichsfälle gibt. Es wurden nur jene Vergleichsfälle herangezogen, die in einer vertretbaren zeitlichen und räumlichen Nähe des Bewertungsobjekts zu finden waren. Es konnten insgesamt 26 vergleichbare Verkaufsfälle zur Ermittlung eines vergleichbaren Mittelwertes gefunden werden. Nach Ausschluss von 10% der niedrigsten bzw. höchsten Preise verbleiben 20 Verkaufsfälle. Die Verkaufsfälle stellen realistische Vergleichspreise dar und liegen zwischen EURO 0,60 und EURO 1,80 je m². Als Mittelwert der gesamten Kaufpreise ohne Extrema konnte ein Betrag von EURO 1,05 pro m² errechnet werden. Aufgrund der Kaufpreisrecherchen ist ein ortsüblicher Verkehrswert nachvollziehbar feststellbar.
Unter Berücksichtigung der ungünstigen Ertragslage, der Schädigung der Stämme durch die Pechgewinnung, aber auch einer günstigen Befahrbarkeit des Grundstückes erachtet der Unterfertigte einen Wert von € 1,10 als angemessen und ortsüblich. Der Unterfertigte ASVweist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass das ermittelte Preisband zwischen EURO 0,60 und EURO 1,80 je m² liegt, und sohin auch ein höherer bzw. geringerer Kaufpreis am freien Markt für das verfahrensgegenständliche Grundstück erzielt werden kann.“
Diesem Gutachten seien die beiden Landwirte nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Ein von der Mitbeteiligten eingeholtes Privatgutachten habe einen Verkehrswert des verfahrensgegenständlichen Forstbetriebs von € 60.000, ergeben.
4 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, die Mitbeteiligte sei zwar keine Landwirtin, jedoch liege der Versagungsgrund des § 6 Abs. 2 Z 1 NÖ GVG 2007 nicht vor, weil die beiden Landwirte keine rechtsgültigen Interessentenerklärungen abgegeben hätten. Da sie jeweils nicht den „im Zuge des Beweisverfahrens festgestellten“ ortsüblichen Verkehrswert, sondern lediglich einen Kaufpreis von höchstens € 25.977,48 angeboten hätten, hätten sie keine Interessentenstellung erlangt.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegte außerordentliche Amtsrevision, zu der die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet hat, die Revision kostenpflichtig zurück bzw. abzuweisen.
6Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Die Revisionslegitimation der Amtsrevisionswerberin ergibt sich aus § 17 NÖ LVwGG.
8 Die Revision macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung unter anderem geltend, es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Folgen der Festlegung eines Preisbandes als ortsüblicher Verkehrswert. Die Revision ist bereits deshalb zulässig und im Ergebnis auch begründet.
9 § 39 in der vom Verwaltungsgericht anzuwendenden Fassung des NÖ GVG 2007, LGBl. Nr. 38/2019, lautet auszugsweise:
„§ 39
Übergangsbestimmungen
(1) Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren sind nach der bisherigen Rechtslage fortzuführen.
(2) ...
(3) Auf Rechtsgeschäfte, die vor dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 38/2019 abgeschlossen wurden, ist das Landesgesetz in der Fassung vor LGBl. Nr. 38/2019 anzuwenden.“
10 Im Revisionsfall war über den Kaufvertrag vom 7. Dezember 2018 seit 14. Dezember 2018 ein grundverkehrsbehördliches Verfahren anhängig. Nach § 39 Abs. 1 und 3 NÖ GVG 2007, LGBl. Nr. 38/2019, war daher das Verfahren nach der Rechtslage vor Kundmachung dieser Novelle am 6. Mai 2019 fortzuführen.
11 In der somit vorliegend maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 96/2015 lautete das NÖ GVG 2007 auszugsweise:
„§ 4
Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte
(1) Folgende unter Lebenden abgeschlossene Rechtsgeschäfte, die zumindest ein land und forstwirtschaftliches Grundstück betreffen, bedürfen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, wenn sie zum Gegenstand haben:
1. Die Übertragung des Eigentumsrechtes;
...
§ 6
Genehmigungsvoraussetzungen
...
(2) Die Grundverkehrsbehörde hat einem Rechtsgeschäft die Genehmigung zu erteilen, wenn es dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes nicht widerspricht. Soweit ein solches Interesse im Einzelfall nicht besteht, ist die Genehmigung auch dann zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht. Die Genehmigung ist insbesondere nicht zu erteilen, wenn
...
4. die Gegenleistung den ortsüblichen Verkehrswert ohne ausreichende Begründung erheblich übersteigt.
...“
12 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, erfordert eine ein land und forstwirtschaftliches Grundstück betreffende grundverkehrsbehördliche Genehmigung das Vorliegen aller in § 6 NÖ GVG 2007 genannten Erteilungsvoraussetzungen, was auch bedeutet, dass keiner der dort aufgezählten Versagungsgründe erfüllt sein darf (vgl. etwa VwGH 2.10.2023, Ra 2021/11/0004, Rn. 26 ff, mwN, und zum vergleichbaren Vorarlberger GVG etwa VwGH 29.6.2023, Ra 2020/11/0210 bis 0212, Rn. 19).
13 Im Revisionsfall war daher unabhängig von der Landwirteeigenschaft der Mitbeteiligten und der Interessentenstellung der beiden Landwirte auch zu prüfen, ob der vereinbarte Kaufpreis den ortsüblichen Verkehrswert iSd. § 6 Abs. 2 Z 4 NÖ GVG 2007 ohne ausreichende Begründung erheblich übersteigt.
14 Dabei hat das Verwaltungsgericht übersehen, dass der ortsübliche Verkehrswert von Amts wegen festzustellen ist (vgl. etwa VwGH 29.10.2020, Ra 2020/11/0039, mwN). Obwohl der Amtssachverständige in seinem vom Verwaltungsgericht als schlüssig qualifizierten Gutachten einen ortsüblichen Verkehrswert von € 1,10 pro m² für die vertragsgegenständliche Liegenschaft angesetzt hatte und der vereinbarte Kaufpreis (ca. € 1,50 pro m²) diesen Betrag um etwa ein Drittel überstieg (zur Frage, wann eine Überschreitung des Kaufpreises als erheblich anzusehen ist, vgl. etwa VwGH 25.2.2022, Ra 2020/11/0196, Rn. 52; 15.3.2022, Ra 2021/11/0060, Rn. 18, jeweils mwN), findet sich keine auf den vom Sachverständigen ermittelten Wert (vgl. dazu etwa VfGH 22.9.2014, B 1269/2013) Bezug nehmende Feststellung eines bestimmten Betrags im angefochtenen Erkenntnis.
15 Vielmehr stellte das Verwaltungsgericht lediglich fest, das ermittelte „Preisband“ für die Liegenschaft liege zwischen € 0,60 und € 1,80 je m 2. Damit hat das Verwaltungsgericht verkannt, dass es sich beim Verkehrswert um einen Preis, nicht aber ein „Preisband“ handelt (vgl. § 2 Abs. 2 Liegenschaftsbewertungsgesetz). Zur Ermittlung des ortsüblichen Verkehrswerts iSd. NÖ GVG 2007 sind in der Regel nach § 52 Abs. 1 AVG Sachverständige mit den erforderlichen (land- bzw. forstwirtschaftlichen) Kenntnissen beizuziehen (vgl. etwa VwGH 2.10.2023, Ra 2021/11/0004, Rn. 22, mwN). Zwar hat das Verwaltungsgericht dem letztgenannten Erfordernis entsprochen, jedoch hat es entgegen dem Gesagten und anders als der beigezogene Sachverständige keinen bestimmten Betrag als ortsüblichen Verkehrswert festgestellt.
16 Dazu kommt, dass sich eine Preisspanne wie die im Revisionsfall angenommene (100 bis 300 Prozent) schon angesichts ihrer Größe als untauglich für die Beurteilung erweist, ob „die Gegenleistung den ortsüblichen Verkehrswert ohne ausreichende Begründung erheblich übersteigt“, ob also der Versagungstatbestand des § 6 Abs. 2 Z 4 NÖ GVG 2007 erfüllt ist (vgl. in diesem Zusammenhang abermals VwGH 25.2.2022, Ra 2020/11/0196, Rn. 52; 15.3.2022, Ra 2021/11/0060, Rn. 18, jeweils mwN).
17Das angefochtene Erkenntnis war schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, sodass sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen erübrigte.
Wien, am 12. September 2024
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