Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. der M P und 2. des S P, beide in B, beide vertreten durch die DDr. Karl Scholz Rechtsanwalts GmbH in 8501 Lieboch, Am Mühlbach 2, gegen die Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 26. April 2022, 1. LVwG 50.36 5263/2022 2 und 2. LVwG 80.36 2887/2022 2, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtgemeinde Bad Aussee; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 11. September 2015 wurde der St. B. A. GmbH Co KG die Baubewilligung zur Sanierung eines Gebäudes auf einem näher bezeichneten Grundstück, unter anderem unter der Auflage, eine Brandwand zur Grundgrenze der Revisionswerber zu errichten, erteilt.
2 Am 5. August 2021 stellten die Revisionswerber bei der belangten Behörde den Antrag, der St. B. A. GmbH Co KG möge aufgetragen werden, den bewilligungsgemäßen und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand herzustellen, was insbesondere die Herstellung einer dem Stand der Technik entsprechenden Brandwand hin zum Grundstück der Revisionswerber umfasse.
3 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss wies das aufgrund einer Säumnisbeschwerde der Revisionswerber zuständig gewordene Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) den Antrag der Revisionswerber als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Erhebung einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
4 Begründend führte es soweit für das Revisionsverfahren von Interesse aus, dass ein Anspruch des Nachbarn, dem Bewilligungswerber und Eigentümer aufzutragen, den bewilligungsgemäßen und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand herzustellen, dem Steiermärkischen Baugesetz (Stmk BauG) nicht zu entnehmen sei.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, dass entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts mit dem Antrag der Revisionswerber vom 5. August 2021 ein Recht geltend gemacht worden sei, welches der Gesetzgeber in § 41 Abs. 6 iVm § 26 Abs. 1 Z 4 iVm § 52 Abs. 2 Stmk BauG den Revisionswerbern als Nachbarn ausdrücklich zuerkannt hätte.
9 Gemäß § 41 Abs. 6 Stmk BauG steht den Nachbarn ein Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 ihre Rechte (§ 26 Abs. 1) verletzen. Demnach sind zwei Kriterien von Bedeutung, nämlich, dass Bauarbeiten, eine bauliche Anlage oder sonstige Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 vorliegen und dass dadurch die Rechte des Nachbarn gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. verletzt werden. Unter einer baulichen Anlage im Sinne des Abs. 3 ist eine vorschriftswidrige bauliche Anlage zu verstehen, was im Zusammenhalt mit Abs. 1 dieser Bestimmung dahin auszulegen ist, dass diese bauliche Anlage im Falle eines bewilligungspflichtigen Vorhabens ohne Bewilligung oder im Falle eines anzeigepflichtigen Vorhabens ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 leg. cit. oder als baubewilligungsfreies Vorhaben nicht im Sinne des Stmk BauG ausgeführt wurde. Die antragsgemäße Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 41 Abs. 6 Stmk BauG kommt nur in Betracht, wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. zum Ganzen VwGH 8.9.2014, 2011/06/0185, mwN).
10 § 41 Abs. 3 Stmk BauG bezieht sich ohne Einschränkung auf vorschriftswidrige bauliche Anlagen. Auch eine allenfalls noch nicht vollendete bauliche Anlage fällt unter diesen Begriff (vgl. VwGH 20.9.2001, 99/06/0198, mwN). Das Stmk BauG enthält jedoch keine ausdrückliche Ermächtigung zur Erlassung von Bauaufträgen zur Herstellung des konsensgemäßen Zustandes. Im Rahmen des Stmk BauG kommt daher die Erlassung eines Auftrages zur Herstellung des konsensgemäßen Zustandes grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. VwGH 20.9.2001, 99/06/0201, mwN).
11 Die Auslegung einer konkreten Parteienerklärung betrifft nur den Einzelfall. Eine solche Auslegung wäre nur dann revisibel, wenn dem Verwaltungsgericht dabei eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen und die im Einzelfall erfolgte Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. etwa VwGH 14.7.2021, Ra 2021/06/0074, mwN).
Nach der Beurteilung des Verwaltungsgerichts richtet sich der oben wiedergegebene Antrag des Revisionswerbers auf Herstellung des mit Bescheid vom 11. September 2015 bewilligten Zustandes, nicht auf Beseitigung einer (allenfalls) vorschriftswidrigen baulichen Anlage (oder auf Baueinstellung oder Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung). Die Revision zeigt im Lichte der oben wiedergegebenen Judikatur in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf, dass dem Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis eine unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.
12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 31. August 2022
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