Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger und den Hofrat Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Eraslan, über die Revision des Z P, vertreten durch MMag. Dr. Stephan Vesco, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. Mai 2021, W241 2238222 1/9E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der 1965 geborene Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, war im Jahr 1988 erstmals in das österreichische Bundesgebiet eingereist, das er 1993 nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wieder verlassen hatte. Nachdem er sich bereits im Jahr 1998 mehrere Monate lang in Österreich aufgehalten hatte, reiste er Anfang 2011 neuerlich in das Bundesgebiet ein, wo auch zwei volljährige Kinder des Revisionswerbers aus früheren Ehen leben, die über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen und mit denen der Revisionswerber nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohnt.
2 Im September 2012 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Erteilung einer „Rot Weiß Rot Karte plus“ als selbständige Schlüsselkraft, der erfolglos blieb. Unter Berufung auf seine am 27. Mai 2014 geschlossene Ehe mit einer rumänischen Staatsangehörigen beantragte der Revisionswerber sodann im Februar 2017 die Ausstellung einer Aufenthaltskarte (als Angehöriger dieser EWR Bürgerin). Diesen Antrag wies die Niederlassungsbehörde mit rechtskräftigem Bescheid vom 4. Jänner 2018 ab.
3 Einen weiteren Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte, den der Revisionswerber erneut in Bezug auf seine Ehefrau als EWR Bürgerin am 1. März 2019 gestellt hatte, wies der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 23. April 2020 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 4. September 2020 als unbegründet ab. Dieses mit Revision bekämpfte Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis VwGH 10.3.2021, Ra 2020/22/0256, im Hinblick auf Feststellungs und Begründungsmängel zur Frage des Vorliegens eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts der rumänischen Ehefrau des Revisionswerbers und damit auch zur Frage eines davon abgeleiteten Aufenthaltsrechts des Revisionswerbers wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
4 Ausgehend von der Annahme eines unrechtmäßigen Aufenthaltes des Revisionswerbers hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 23. November 2020 von Amts wegen ausgesprochen, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Weiters hatte es gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Unter einem bestimmte das BFA gemäß § 55 FPG eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise. In seiner Begründung stellte das BFA unter anderem fest, dass die Ehefrau des Revisionswerbers eine rumänische Staatsangehörige sei, sich im Bundesgebiet jedoch weder aufhalte noch niedergelassen habe. Der Revisionswerber verfüge daher über kein Aufenthaltsrecht.
5 In der dagegen erhobenen Beschwerde führte der Revisionswerber insbesondere aus, dass die Feststellung des BFA über das Fehlen eines momentanen Aufenthalts seiner Ehefrau oder ihrer Niederlassung im Bundesgebiet nicht ausreiche, um seine Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger auszuschließen. Diese Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. Mai 2021 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei. In seiner Begründung stellte das BVwG fest, dass der Revisionswerber seit 27. Mai 2014 mit einer rumänischen Staatsangehörigen, die in Rumänien lebe und sich nie in Österreich aufgehalten habe, verheiratet sei. Rechtlich ging das BVwG unter anderem davon aus, dass der Revisionswerber über kein Aufenthaltsrecht in Österreich verfüge.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die unter verschiedenen Gesichtspunkten eine Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung geltend machende vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:
7 Die Revision erweist sich wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG als zulässig und im Ergebnis auch als berechtigt.
8 In der im gegenständlichen Verfahren erhobenen Beschwerde machte der Revisionswerber erkennbar geltend, aufgrund seiner aufrechten Ehe mit einer EWR Bürgerin begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein. Dem entsprechend hatte er (wie auch schon einmal zuvor) am 1. März 2019 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte in Bezug auf seine Ehefrau als EWR Bürgerin gestellt, der nach Aufhebung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien vom 4. September 2020 durch den Verwaltungsgerichtshof im Zeitpunkt der hier angefochtenen Entscheidung wieder im Beschwerdestadium anhängig war.
9 Folglich hält sich der Revisionswerber in Österreich unter potentieller Inanspruchnahme eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes nach § 52 Abs. 1 Z 1 NAG auf Grund der substantiierten Behauptung, begünstigter Drittstaatsangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 11 FPG) zu sein, auf. Für den vom BFA und vom BVwG angenommenen (vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis VwGH 10.3.2021, Ra 2020/22/0256, als klärungsbedürftig angesehenen) Fall, dass dieses unionsrechtliche Aufenthaltsrecht mangels Vorliegens der Voraussetzungen (wegen Fehlens eines Aufenthaltsrechts seiner Ehefrau nach § 51 NAG) zu verneinen wäre, ist allerdings keine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG, sondern bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 9 BFA VG iVm § 66 Abs. 2 FPG eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG zu erlassen (vgl. VwGH 30.3.2023, Ra 2020/21/0080, Rn. 13, mit Hinweis auf VwGH 7.10.2021, Ra 2021/21/0143, Rn. 11 ff, mwN). Lediglich im hier nicht gegebenen Fall einer bindenden feststellenden Entscheidung gemäß § 54 Abs. 7 NAG hat keine Ausweisung nach § 66 FPG zu ergehen, sondern die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG zu erfolgen (siehe neuerlich VwGH 30.3.2023, Ra 2020/21/0080, Rn. 13, wiederum mit Hinweis auf VwGH 7.10.2021, Ra 2021/21/0143, nunmehr Rn. 14/15, mwN).
10 Vor diesem Hintergrund hätte das BVwG den Bescheid des BFA vom 23. November 2020 jedenfalls ersatzlos zu beheben gehabt. Eine Abänderung der vom BFA erlassenen Rückkehrentscheidung in eine Ausweisung wäre nämlich von vornherein nicht in Betracht gekommen. Denn angesichts des unterschiedlichen normativen Gehalts von Rückkehrentscheidung einerseits und Ausweisung andererseits kann nicht von „Sachidentität“ dieser Maßnahmen ausgegangen werden, sodass sie auch nicht „austauschbar“ sind (siehe auch dazu VwGH 30.3.2023, Ra 2020/21/0080, nunmehr Rn. 14, mit dem Hinweis auf VwGH 16.4.2021, Ra 2020/21/0462, Rn. 14 und Rn. 16, und VwGH 2.9.2021, Ra 2021/21/0087, Rn. 14/15).
11 Da das BVwG dies verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
12 Die Entscheidung über den Kostersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 31. Mai 2023
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