Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in der Revisionssache des K B, vertreten durch Mag. a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Oktober 2021, W212 2216542 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der (im Jahr 1989 geborene) Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Kosovo und Angehöriger der Volksgruppe der Albaner, stellte damals vertreten durch seinen Vater am 22. September 2005 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 4. November 2005 wurde dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gewährt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
2 Der Revisionswerber wurde später in Österreich straffällig.
3 Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 21. November 2017 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 2. Fall StGB rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.
4 Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 30. Januar 2018 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil vom 21. November 2017 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.
5 In der Folge leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Aberkennungsverfahren ein.
6 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Februar 2019 wurde dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und festgestellt, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Unter einem wurde von der Behörde ausgesprochen, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt werde, dass die Abschiebung „nach Serbien bzw. in den Kosovo“ zulässig sei. Weiters wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
7 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem Erkenntnis vom 13. Oktober 2021 mit der Maßgabe, dass das gegen ihn verhängte Einreiseverbot auf fünf Jahre herabgesetzt werde, als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
8 Gegen diese Entscheidung erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 19. September 2023, E 652/2023 8, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die vorliegende Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die Aberkennung des Status des Asylberechtigten auf den Ausschlussgrund des Vorliegens einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines besonderen schweren Verbrechens und der daraus resultierenden Gefahr für die Gemeinschaft nach § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt und sei dabei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es habe das Vorliegen eines „besonders schweren Verbrechens“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bejaht, ohne eine konkrete, fallbezogene Prüfung unter Berücksichtigung der Tatumstände vorzunehmen.
13 Das Bundesverwaltungsgericht stützte die Aberkennung des Asylstatus allerdings nicht ausschließlich auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005, sondern alternativ auch auf den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK („Wegfall der Umstände“). Gegen diese Alternativbegründung wendet sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass sich eine Revision als unzulässig erweist, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt wird (vgl. VwGH 4.11.2021, Ra 2021/14/0330, mwN). Da wie dargelegt hinsichtlich des vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Aberkennungsgrundes nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Genfer Flüchtlingskonvention kein Vorbringen erstattet wurde, das fallbezogen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung begründen könnte, erübrigt es sich, auf das in der Revision zu § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erstattete Vorbringen einzugehen, weil das rechtliche Schicksal der Revision nicht (mehr) von der Beantwortung der damit im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen abhängt.
15 In der Begründung für die Zulässigkeit der Revision wendet sich der Revisionswerber weiters gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung erfolgte Interessenabwägung und die negative Zukunftsprognose und macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe den 16 jährigen rechtmäßigen Aufenthalt des Revisionswerbers und das Kindeswohl seines zum Entscheidungszeitpunkt noch ungeborenen Kindes in der Interessenabwägung nicht hinreichend gewichtet. Darüber hinaus sei das Bundesverwaltungsgericht ohne entsprechende Beweisergebnisse davon ausgegangen, dass die Lebensgefährtin des Revisionswerbers die alleinige Obsorge über das gemeinsame Kind haben werde und dass es ihr, als österreichischer Staatsbürgerin, zumutbar sei, vorübergehend in den Kosovo zu ziehen. Darüber hinaus habe das Bundesverwaltungsgericht keine Feststellungen für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose getroffen.
16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und auch für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots (vgl. VwGH 7.7.2020, Ra 2020/20/0231, mwN).
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer Rückkehrentscheidung auf das Kindeswohl bei der nach § 9 BFA VG vorzunehmenden Interessenabwägung zum Ausdruck gebracht (vgl. VwGH 28.3.2023, Ra 2022/20/0391, Rz 64; mwN).
18 Es entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Trennung von Familienangehörigen jedenfalls dann für gerechtfertigt erachtet wird, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug. Insbesondere schwerwiegende kriminelle Handlungen, aus denen sich eine vom Fremden ausgehende Gefährdung ergibt, können die Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher auch dann tragen, wenn diese zu einer Trennung von Familienangehörigen führt (vgl. VwGH 30.5.2023, Ra 2023/14/0140, mwN).
19 Zur Beurteilung dieses öffentlichen Interesses bedarf es einer einzelfallbezogenen Einschätzung der vom Fremden aufgrund seiner Straffälligkeit ausgehenden Gefährdung, wozu es näherer Feststellungen über die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild bedarf (vgl. VwGH 20.10.2021, Ra 2021/20/0034, mwN).
20 Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte im Rahmen der gemäß § 9 BFA VG vorgenommenen Interessenabwägung die fallbezogen entscheidungswesentlichen Umstände und kam zu dem Ergebnis, dass angesichts der rechtskräftigen Verurteilungen des Revisionswerbers, insbesondere wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung, die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwögen.
21 In seiner Begründung bezog es sich auf die schwerwiegende Straffälligkeit des Revisionswerbers, wobei es auf die brutale Vorgehensweise und hohe kriminelle Energie verwies. Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich zudem am Boden der fallbezogenen Umstände ausreichend antizipierend mit dem Kindeswohl des zum Entscheidungszeitpunkt noch ungeborenen Kindes des Revisionswerbers auseinander. Dabei bezog es in seine Erwägungen maßgeblich die nicht besonders ausgeprägte Intensität des Familienlebens, lebten der Revisionswerber und seine Lebensgefährtin doch erst seit rund einem Jahr zusammen, sowie die Tatsache der Begründung des Familienlebens zu einem Zeitpunkt, in welchem der Aufenthaltsstatus des Revisionswerbers angesichts des bereits erlassenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Februar 2019 unsicher war, ein.
22 Vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelingt es der Revision mit dem bloßen Verweis auf Umstände, die vom Bundesverwaltungsgericht ohnehin bereits berücksichtigt wurden, weder darzutun, dass sich das Bundesverwaltungsgericht von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfernt hätte, noch dass die fallbezogen vorgenommene Beurteilung in Bezug auf die Interessenabwägung oder in Bezug auf die Gefährdungsprognose angesichts der schwerwiegenden Straffälligkeit des Revisionswerbers, denen massive Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit, teilweise auch auf das Vermögen, zu Grunde lagen, in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre.
23 Insofern der Revisionswerber in seiner Zulässigkeitsbegründung im Zusammenhang mit der Trennung von seiner Familie Verfahrensmängel geltend macht, seine Lebensgefährtin hätte befragt werden müssen, und es seien Ermittlungen in Bezug auf die Zumutbarkeit der Ausreise der Lebensgefährtin in den Kosovo unterlassen worden, unterliegt die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht von Amts wegen weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 14.8.2023, Ra 2023/14/0041, mwN). Derartiges zeigt die Revision jedoch nicht auf.
24 Soweit sich die Revision in der Zulässigkeitsbegründung erkennbar gegen die Verhängung eines Einreiseverbotes vor dem Hintergrund der auch dort zu treffenden Gefährdungsprognose richtet, zeigt sie mit ihrem dazu kursorisch gehaltenen Vorbringen keine Fehlbeurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes auf.
25 Wenn der Revisionswerber zuletzt darauf verweist, es bleibe offen, welchem Herkunftsland er zuzurechnen sei, genügt es, ihn darauf zu verweisen, dass er sich damit vom festgestellten Sachverhalt entfernt, traf doch das Bundesverwaltungsgericht durchaus, basierend auf einer Analyse einschlägiger Länderinformationen, Feststellungen zur kosovarischen Staatsangehörigkeit. Abgesehen davon, dass die Revision diesen Erwägungen nichts Stichhältiges entgegensetzt, legt der Revisionswerber auch nicht dar, welche anderslautenden Feststellungen zu treffen gewesen wären und weshalb diese zu einer für ihn günstigeren Entscheidung geführt hätten.
26 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 6. Februar 2024