Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des E P, in T, vertreten durch Mag. Alois Pirkner, Rechtsanwalt in 5580 Tamsweg, Kuenburgstraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. April 2021, G302 2224935 1/9E, G302 2225003 1/8E, G302 2236722 1/8E, G302 2236752 1/8E, G302 2236753 1/8E, betreffend insbesondere Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse; mitbeteiligte Parteien: 1. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, 2. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeweg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insbesondere aus, der Revisionswerber sei im Zeitraum von 1. März 2017 bis 31. Dezember 2017 aufgrund seiner Tätigkeit für seine Tochter in deren Gastgewerbebetrieb in J. der „Voll und Arbeitslosenversicherungspflicht“ gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
2 Der Revisionswerber erhob dagegen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 7. Juni 2021 ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat, woraufhin die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht wurde.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich gegen das angefochtene Erkenntnis, soweit damit über die Feststellung der Pflichtversicherung im oben genannten Zeitraum abgesprochen wurde. Sie bringt zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei mit dem angefochtenen Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindung an rechtskräftig entschiedene Vorfragen (verwiesen wird auf VwGH 23.3.2006, 2004/07/0047) abgewichen. Der Revisionswerber habe unstrittig im relevanten Zeitraum eine Erwerbsunfähigkeitspension nach dem GSVG bezogen, die ihm mit rechtskräftigem Bescheid der SVA zuerkannt worden sei. Nur die gänzliche Unfähigkeit, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, könne zur Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension führen. Somit sei die Erwerbsunfähigkeit des Revisionswerbers durch die zuständige Behörde bindend festgestellt worden. Das Bundesverwaltungsgericht habe gegen diese Bindungswirkung verstoßen, indem es für den Revisionswerber eine Vollzeitbeschäftigung im Gastgewerbe angenommen habe, die zur festgestellten Erwerbsunfähigkeit in unlösbarem Widerspruch stehe, bzw. es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, inwieweit eine festgestellte Erwerbsunfähigkeit nach den Bestimmungen des GSVG, die Voraussetzung der vom Revisionswerber bezogenen Erwerbsunfähigkeitspension sei, der Annahme einer Vollzeitbeschäftigung und einer Voll und Arbeitslosenversicherungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 und 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG entgegenstehe.
7 Mit diesem Vorbringen verkennt die Revision, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das von ihr selbst zitierte Erkenntnis VwGH 23.3.2006, 2004/07/0047, oder aus jüngerer Zeit etwa VwGH 27.11.2020, 2020/05/0230) präjudiziell und damit Vorfragenentscheidung im verfahrensrechtlich relevanten Sinn nur eine Entscheidung ist, die (1.) eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung unabdingbar d.h. eine notwendige Grundlage ist, und (2.) diese in einer die Verwaltungsbehörde bindenden Weise regelt. Ob die Präjudizialität der Entscheidung gegeben ist, hat die zur Hauptfragenentscheidung zuständige Behörde an Hand der diesen Verfahrensgegenstand betreffenden Verwaltungsvorschriften zu prüfen. Außerdem kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 17.5.2022, Ra 2020/06/0110 ua., mwN) für die Bindungswirkung einer rechtskräftigen Feststellung eines Rechts bzw. Rechtsverhältnisses grundsätzlich auf die Beurteilung des betreffenden Streitgegenstands als Hauptfrage im Spruch der Entscheidung, nicht jedoch auf eine Beurteilung in den Entscheidungsgründen an; maßgeblich ist also der Spruch, weil nur diesem Rechtskraft zukommen kann.
8 Die hier maßgeblichen gesetzlichen Regelungen der Voraussetzungen einer Pflichtversicherung im Sinne des § 4 Abs. 1 und 2 ASVG bzw. des § 1 Abs. 1 lit. a AlVG stellen eindeutig nicht darauf ab, ob von der betroffenen Person eine Erwerbsunfähigkeitspension bezogen wird oder nicht. Daher wird mit dem Hinweis darauf, dass dem Revisionswerber mit „rechtskräftigem Bescheid der SVA“ eine Erwerbsunfähigkeitspension zuerkannt worden sei, keine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung rechtskräftiger Entscheidungen über Vorfragen dargetan.
9 Mit dem Vorbringen, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „inwieweit eine festgestellte Erwerbsunfähigkeit nach den Bestimmungen des GSVG, die Voraussetzung der vom Revisionswerber bezogenen Erwerbsunfähigkeitspension ist“, der Annahme einer Vollzeitbeschäftigung und einer Voll und Arbeitslosenversicherungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 und 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG entgegenstehe, wird schon deswegen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, weil es die Bestimmungen über den Berufsschutz nach § 133 Abs. 2 bis 5 GSVG außer Acht lässt, ohne darzulegen, dass diese auf den Revisionswerber nicht anwendbar waren.
10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angenommen habe, obwohl keine persönliche Arbeitsverpflichtung gegeben gewesen sei. Der Revisionswerber sei berechtigt gewesen, „die übernommene Arbeitspflicht durch Dritte vornehmen zu lassen (z.B. durch Mitarbeiter der Tochter)“.
11 Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt. Das Bundesverwaltungsgericht hielt diesbezüglich nämlich (wenn auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung) fest, der Revisionswerber habe die Dienstleistung höchstpersönlich zu erbringen gehabt und sei nicht berechtigt gewesen, die Arbeitsleistung durch Dritte erbringen zu lassen bzw. sich ohne Verständigung mit seiner Tochter einer Ersatzkraft zu bedienen. Dass diese Sachverhaltsannahmen etwa aufgrund einer unvertretbaren Beweiswürdigung erfolgt wären, tut die Revision nicht dar.
12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. November 2023
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