Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des N P K, in W, vertreten durch Dr. Clemens Lintschinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 1/6. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. September 2019, W124 1314827- 2/20E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber, ein im Juni 1982 geborener Staatsangehöriger von Nepal, stellte nach seiner Einreise am 16. Juli 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 10. September 2007 in Verbindung mit einer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal zur Gänze abwies. Das gegen diesen Bescheid erhobene Rechtsmittel wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. August 2010 als unbegründet ab.
2 Der Revisionswerber verblieb in Österreich und stellte am 16. August 2012 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" nach § 41a Abs. 9 NAG (in der damals geltenden Fassung), der von der Niederlassungsbehörde mit Bescheid vom 11. November 2013 rechtskräftig zurückgewiesen wurde. 3 Am 10. Dezember 2014 heiratete der Revisionswerber am Standesamt Wien-Favoriten eine im Oktober 1990 geborene nepalesische Staatsangehörige, die er Anfang 2012 in Österreich kennengelernt hatte. Der Ehefrau des Revisionswerbers wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29. September 2017 - unter gleichzeitiger Abweisung ihres Antrags auf internationalen Schutz, jedoch verbunden mit der auf § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG gegründeten Feststellung, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei - eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erteilt. Der Ehe entstammt ein am 6. Juli 2019 geborener Sohn. 4 Der Revisionswerber hatte, insbesondere unter Berufung auf die erwähnte Ehe, bereits am 26. März 2015 den gegenständlichen Antrag gestellt, ihm einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens zu erteilen.
5 Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 21. Oktober 2016 ab. Unter einem erließ es gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG und es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nepal zulässig sei. Schließlich wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23. Juli 2019 mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. September 2019 als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortungen erstattet wurden, erwogen hat:
8 Die Revision erweist sich - entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG - aus den nachstehend angeführten Gründen unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig und auch als berechtigt. 9 Der Revisionswerber beantragte die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. Diese Bestimmung lautet samt Überschrift wie folgt:
"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine 'Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine 'Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."
10 Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dasselbe gilt für die Beurteilung, ob der durch eine Rückkehrentscheidung bewirkte Eingriff in das Privat- und Familienleben verhältnismäßig ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0114, Rn. 12, mwN).
11 Der (vor allem) angesprochene § 9 Abs. 2 BFA-VG hat folgenden Wortlaut:
"(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
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