Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revision des Mag. H in S, vertreten durch Mag. Dr. Irina Schiffer, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Strohgasse 19/5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 24. Oktober 2014, Zl. LVwG- 2014/31/0231-13, betreffend Übertretungen der StVO und des FSG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
Das Land Tirol und der Bund haben dem Revisionswerber zu gleichen Teilen Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 12. September 2013 wurde der Revisionswerber einer Übertretung nach §§ 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO schuldig erkannt; wegen dieser Übertretung wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) verhängt. Weiters wurde der Revisionswerber mit diesem Straferkenntnis einer Übertretung nach § 37 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z 1 FSG schuldig erkannt; wegen dieser Übertretung wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 50,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt.
Mit dem an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gerichteten Schriftsatz vom 4. November 2013 beantragte der Revisionswerber die "Wiedereinsetzung in das laufende Verfahren vor Fällung des Straferkenntnisses" und führte dazu aus, dass "aufgrund Ortsabwesenheit vom Kanzleisitz" durch Behebung des Straferkenntnisses erstmalig vom Verwaltungsstrafverfahren Kenntnis erlangte habe. Entgegen der Angabe im Straferkenntnis habe der Revisionswerber weder eine Aufforderung zur Stellungnahme erhalten, noch sei ihm der Tatvorwurf bekannt gewesen. Aufgrund fehlender Akteneinsicht könne auch nicht nachvollzogen werden, an welche Adresse die Aufforderung ergangen sei. Jedenfalls an die nun erfolgte Zustelladresse des Straferkenntnisses am Kanzleisitz sei eine solche Aufforderung nicht ergangen. Dem Revisionswerber sei somit bis dato keine Möglichkeit gegeben worden, sich zum Tatvorwurf zu äußern. Der Revisionswerber beantrage daher, ihn in das laufende Verfahren wiedereinzusetzen und ihm Gelegenheit zu geben, hinsichtlich des Tatvorwurfes Stellung zu nehmen und so sein rechtliches Gehör zu wahren.
"Aus Gründen anwaltlicher Vorsicht" erhob der Revisionswerber mit demselben Schriftsatz gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 12. September 2013 "in eventu, falls der Wiedereinsetzung nicht stattgegeben werden sollte, innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Berufung" an den unabhängigen Verwaltungssenat. Der Revisionswerber nahm dabei zum Tatvorwurf Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass er zum Tatzeitpunkt nicht Lenker, sondern nur Beifahrer gewesen sei.
Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck legte daraufhin den Akt des bisherigen Verwaltungsstrafverfahrens dem inzwischen zuständig gewordenen Landesverwaltungsgericht Tirol mit der Bitte um Entscheidung vor.
Mit Beschluss vom 6. März 2014, Zl. LVwG-2014/31/0231-4, wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die als Beschwerde zu wertende Berufung als verspätet eingebracht zurück.
Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Beschluss mit Erkenntnis vom 22. Juli 2014, Zl. Ra 2014/02/0020 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Im fortgesetzten Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol erging nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung das nunmehr angefochtene Erkenntnis, mit dem die Beschwerde hinsichtlich beider Spruchpunkte als unbegründet abgewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass gemäß § 25a VwGG gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist.
Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Antrag, dieser möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufheben, in eventu das angefochtene Erkenntnis dahingehend abändern, dass der vom Revisionswerber eingebrachten Beschwerde stattgegeben wird. Weiters beantragte der Revisionswerber, den verantwortlichen Rechtsträger der belangten Behörde zum Kostenersatz zu verpflichten.
Das Verwaltungsgericht legte die Akten des Verfahrens vor. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision als unbegründet abweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Revisionswerber führt in seiner Revision zur Zulässigkeit unter anderem aus, dass gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Verwaltungsverfahren Eventualanträge zulässig seien. Mit Schriftsatz vom 4. November 2013 habe der Revisionswerber zunächst den Primärantrag auf Wiedereinsetzung in das Verwaltungsstrafverfahren vor Fällung des Straferkenntnisses gestellt und aus anwaltlicher Vorsicht in eventu, für den Fall, dass der Wiedereinsetzung nicht stattgegeben werde, eine Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 12. September 2013 erhoben.
Da über den Primärantrag auf Wiedereinsetzung nie entschieden worden sei, sondern sofort über den Eventualantrag, nämlich die Beschwerde, sei das bekämpfte Erkenntnis gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit behaftet und aufzuheben. Die Erstbehörde hätte zuerst über den gestellten Primärantrag zu entscheiden gehabt und erst im Falle, dass diesem rechtskräftig nicht stattgegeben worden wäre, hätte das Verwaltungsgericht über den Eventualantrag entscheiden dürfen. Dadurch, dass das Verwaltungsgericht sofort über die Berufung entschieden habe, wobei dem Revisionswerber nicht einmal die Möglichkeit gegeben worden sei, durch Beweisaufnahme der angebotenen Beweise seine Unschuld zu beweisen, habe es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit behaftet.
2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
3. Die Revision ist zulässig und berechtigt:
Der Revisionswerber hat in seinem Schriftsatz vom 3. November 2013 eine Reihenfolge der Behandlung der von ihm gestellten Anträge dahingehend festgelegt, dass zunächst über den Antrag auf Wiedereinsetzung in das Verwaltungsstrafverfahren entschieden werden sollte und nur für den Fall, dass diesem Antrag nicht stattgegeben werde, das Rechtsmittel der Berufung erhoben werde. Eine solche Reihung ergibt sich ausdrücklich aus dem Schriftsatz ("in eventu", "falls dem Wiedereinsetzung nicht stattgegeben werden sollte").
Der Revisionswerber hat damit die - nach dem angefochtenen Erkenntnis, mit dem das Rechtsmittel materiell erledigt wurde, rechtzeitige und in formeller Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen genügende - Berufung an die Bedingung geknüpft, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in das Verwaltungsstrafverfahren nicht Folge gegeben wird. Die Knüpfung eines Antrages an eine innerprozessuale Bedingung ist zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1990, Zl. 89/14/0256; zu den Voraussetzungen für die Wirksamkeit bedingter Prozesshandlungen vgl. auch Hengstschläger/Leeb , AVG, Rz 89 zu § 63).
Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. zur Unzuständigkeit - in diesem Fall der Erstbehörde - unter anderem das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2005/21/0041, mwN).
4. Wie aus den vorgelegten Verfahrensakten ersichtlich ist, wurde über den Wiedereinsetzungsantrag bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses nicht abgesprochen; vielmehr hat die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, ohne über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden zu haben, die Verfahrensakten dem Verwaltungsgericht vorgelegt. Da über den Antrag auf Wiedereinsetzung mit (verfahrensrechtlichem) Bescheid abzusprechen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2011, Zl. 2009/07/0082), kann - entgegen der von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck in der Revisionsbeantwortung vertretenen Rechtsansicht - die Vorlage der (als Beschwerde zu behandelnden) Berufung an das Verwaltungsgericht auch nicht als "konkludente und faktisch negative" Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag beurteilt werden (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 27. März 2000, Zl. 99/10/0258, wonach die in der Vorlage eines Rechtsmittels allenfalls konkludent zum Ausdruck kommende Entscheidung, keine Zurückweisung der Berufung vornehmen zu wollen, keinen Bescheid darstellt).
5. Da das Verwaltungsgericht somit über den Eventualantrag entschied, bevor die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck noch über den Primärantrag abgesprochen hatte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 19. Juni 2015
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