I. Die beschwerdeführenden Parteien sind durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertretung die mit € 2.622, ─ bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Erstbeschwerdeführerin, alleinerziehend und Mutter der minderjährigen Zweit- und Viertbeschwerdeführerinnen sowie des minderjährigen Drittbeschwerdeführers, stellte am 5. Dezember 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz für sich und ihre Kinder. Sie brachte vor, dass sie sich auf Grund schwerer häuslicher Gewalt von ihrem Ehemann habe scheiden lassen und bei Rückkehr nach Syrien weitere Misshandlungen durch diesen fürchte sowie Angst um ihre Kinder auf Grund der allgemeinen Sicherheitslage und des Krieges in ihrem Herkunftsstaat habe.
2. Mit Bescheiden vom 9. Februar 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihnen den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
3. Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine mündliche Verhandlung durch und wies die Beschwerde mit dem hier angefochtenen Erkenntnis ab.
Die Nichterteilung des Asylstatus begründete das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen damit, dass die Erstbeschwerdeführerin kein spezifisches Risikoprofil aufweise und in ihrem Herkunftsort nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt sei, auf Grund ihrer Stellung als Frau verfolgt zu werden.
Konkret führte das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl Erkenntnis, S 78 f. und S 89):
"Die BF1 vermochte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft darlegen, dass sie und ihre Kinder von ihrem geschiedenen Ehemann körperlich misshandelt wurden. […]
Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Syrien haben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Syriens einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Ein spezifisches Risikoprofil, welches auf eine asylrelevante Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frau hinweist, weist die BF1 nicht auf. […]
Dass den BF keine Verfolgungsgefahr durch Privatpersonen – wie dem Ex-Ehemann der BF1 und Vater der gemeinsamen Kinder – droht, beruht auf den oben zitierten Länderfeststellungen zur Stellung von Frauen in Gebieten der SDF. Bei dem Herkunftsgebiet der BF handelt es sich sohin um einen Ort, in welchem es schutzwillige und schutzfähige Behörden bei Gewalttaten gegenüber Frauen und Kindern gibt.
[…]
Den aktuellen Länderberichten zu Syrien ist zu entnehmen, dass Frauen in den Gebieten der Autonomen Selbstverwaltung der SDF weitgehend gleichgestellt sind mit Männern in politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Angelegenheiten. Im November 2014 beschloss die Autonomieregierung ein Dekret, welches die Gleichheit zwischen Männer und Frauen in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens vorsieht. Trotz vereinzelter Vorkommnisse, droht den BF – als Kurdinnen – im Falle einer Rückkehr keine zukünftige Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen. Im Falle einer Rückkehr leben mehrere Familienangehörige der BF1 in Syrien, welche ihr und der BF2, BF3 und BF4 Schutz bieten würden."
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) sowie gemäß Art2, 3, 8 und 9 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht hätte das laut Länderberichten auf Seite 50 und 57 des Erkenntnisses wiedergegebene, spezifische Risiko der Erstbeschwerdeführerin als alleinstehende, geschiedene Frau und ihrer Kinder, der minderjährigen und weiblichen Zweit- und Viertbeschwerdeführerinnen, Gewalt und Belästigung zu erfahren, erkennen und würdigen müssen.
5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
II. Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 13.836/1994, 14.650/1996, 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001, 20.374/2020; VfGH 14.3.2023, E3480/2022), oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001, 18.614/2008, 20.448/2021 und 20.478/2021).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001, 20.371/2020 und 20.405/2020).
2. Ein derartiger in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
2.1. Nach den, vom Bundesverwaltungsgericht nicht zitierten, UNHCR-Erwägungen vom März 2021 zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, besteht für "Frauen und Mädchen mit bestimmten Profilen oder in speziellen Situation", wie etwa "a) Frauen und Mädchen, die sexuelle Gewalt, häusliche Gewalt oder Gewalt im Rahmen von 'Ehrendelikten' überlebt haben oder gefährdet sind, derartiger Gewalt zum Opfer zu fallen; b) -c) […]; d) Frauen und Mädchen ohne echte familiäre Unterstützung, einschließlich Witwen und geschiedener Frauen" (UNHCR-Erwägungen, S 175 ff.) ein besonderes Risikoprofil. Angehörige dieser Personengruppen benötigten nach Auffassung des UNHCR "wahrscheinlich internationalen Flüchtlingsschutz" (UNHCR-Erwägungen, S 100), was auf Grund der besonderen Umstände des jeweiligen Falles individuell geprüft werden müsse (siehe zur ähnlichen Berichtslage auch den EASO-Leitfaden zu Syrien, November 2021, S 31 ff.).
2.2. Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass die Erstbeschwerdeführerin kein spezifisches Risikoprofil aufweise und nicht Gefahr laufe, auf Grund ihrer Stellung als Frau verfolgt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht prüft eine Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin, ohne zu berücksichtigen, dass nach den UNHCR-Erwägungen für die Erstbeschwerdeführerin als geschiedene und alleinerziehende Frau ohne formale Ausbildung und als Opfer von häuslicher Gewalt, mehrere risikoerhöhende Umstände gegeben sind und damit auch ein besonderes Risikoprofil besteht. Damit verkennt das Bundesverwaltungsgericht die individuelle Situation der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Kinder grob und unterlässt es, neben der Frage der Stellung der Beschwerdeführerin als Frau die darüberhinausgehende Frage, inwieweit die Beschwerdeführerin einem nach den Länderberichten spezifischen Risikoprofil unterliegt, zu prüfen.
3. Indem das Bundesverwaltungsgericht den Umstand unberücksichtigt lässt, dass die Erstbeschwerdeführerin dem in den angeführten Länderberichten beschriebenen besonderen Risikoprofil entspricht und dahingehend ein Vorbringen erstattet hat, hat es die Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt unterlassen und daher sein Erkenntnis mit Willkür belastet (vgl zu Frauen mit besonderem Risikoprofil in Syrien VfGH 12.3.2024, E474/2024; vgl allgemein zu den besonderen Risikoprofilen nach den UNHCR-Erwägungen VfGH 30.11.2021, E3540/2020). Dieser Mangel schlägt gemäß §34 Abs4 AsylG 2005 auf die Entscheidung betreffend die minderjährigen beschwerdeführenden Parteien durch (VfSlg 19.671/2012, 19.855/20214, 20.215/2017).
III. Ergebnis
1. Die beschwerdeführenden Parteien sind somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 437,– enthalten.
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